Zahltag

In China findet z.Z. eine große Konferenz über Künstliche Intelligenz (KI) statt. Neben dem chinesischen Wirtschaftsminister treten dort die CEOs der großen chinesischen (Alibaba, Tencent, usw.) und US-amerikanischen Unternehmen auf (Google, amazon, Microsoft, …) sowie Vertreter sämtlicher chinesischer und US-amerikanischer Spitzen-Universitäten. Europäische Beteiligung (europäische, nicht deutsche!) : NULL, Niente, Nada, 0, Nüscht. Die wurden gar nicht erst eingeladen, und lediglich SAP hat seinen lokalen Vertreter in China als Beobachter hingeschickt.

Unter KI fasst man heute eine Reihe von Teilgebieten der Informatik zusammen, die im Grunde wesentlich unkomplizierter sind als man vielleicht meint. Faktorenanalyse und Mustererkennung sind mehr oder weniger statistische Methoden, in die man die funktionalen Zusammenhänge weitgehend selbst eingeben muss, neuronale Netzwerke suchen sich die Zusammenhänge selbst zusammen. Alle Methoden sind alles andere als neu. Ein neuronales Netzwerk hat die Grundstruktur

und diene zur Erläuterung des Prinzips: auf der linken Seite werden Messgrößen oder Eigenschaften eingegeben, und die Netzwerkknoten geben daraufhin anregende oder hemmende Signale an die mittlere Schicht, die je nach Anregungszustand ihrerseits wieder ein entsprechendes Signal an den Ausgabeknoten liefert, der nun eine neue Messgröße oder eine neue Eigenschaft liefert. Bei den einfacheren Methoden ist mit diesem Informationsfluss Schluss, d.h. eine Menge von Input liefert eine Menge von Output, und wenn einem der nicht passt, muss man die Verknüpfungen nacharbeiten.

Ein neuronales Netzwerk besitzt allerdings noch Rückkopplungsmöglichkeiten. Der Output wird bewertet und als neuer Input zusammen mit dem alten wiederverwertet. Das Netzwerk stellt sich automatisch so ein, dass der Output optimal ist. Das ist der Gehirnfunktion nachempfunden, die im Input beispielsweise eine rot[glühende] (Tag 1) Herdplatte (Tag 2) zeigt und im ersten Durchlauf aufgrund Tag 1 den Output „interessant, anfassen liefert“, aufgrund des kaum zu leugnenden Schmerzgefühls bei dieser Aktion im weiteren aber dafür sorgt, das rot nur noch in Verbindung mit Luftballons zum Anfassen führt, aber nicht mehr in Verbindung mit Tag 2.

Man kann damit sehr komplexe Fragestellungen bearbeiten, in dem man sehr viele Eingangsgrößen, viele mittlere Netzwerkebenen und auch viele Outputgrößen vorgibt. Notwendig dazu sind viele Daten (der rote Luftballon ist bspw. ein weiterer Datensatz, der zu einem anderen Output führt), Algorithmen, die den Daten die Tags entnehmen (zum Beispiel die Farbe erkennen können), sowie Algorithmen, die den Output bewerten (z.B. das Signal als „anfassen“ interpretieren und dann wissen, was aufgrund des Eingangssatzes passiert). Dabei kann natürlich viel Unsinn passieren, wenn man die Signale oder Algorithmen falsch auswählt, aber die möglichen Fragestellungen sind fast beliebig. Dummerweise sind die Netzwerke bei komplexen Fragestellungen auch ziemlich groß, so dass abschließend niemand eine Ahnung hat, warum sich das Netzwerk nun genau so organisiert hat.

Die moderne IT-Technik macht die KI trotzdem recht effizient. Datensammler wie Google (und viele andere), die Daten sammeln, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, können beliebig große Datensätze zusammen stellen. Welche Informationen man daraus entnimmt ist auch nur durch die Phantasie der Programmierer begrenzt, die die passenden Algorithmen dazu liefern müssen. Für den Output kann man nun ebenfalls bekannte Eigenschaften verwenden, deren Zusammenhang mit den Inputdaten man nicht kennt, oder zum Beispiel auch fordern, dass sich der Output bei verschiedenen Inputs ganz einfach größtmöglich unterscheidet – was auch immer. Bei dem Ganzen muss nichts sinnvolles rauskommen, oft kommen aber Zusammenhänge heraus, die man gar nicht erwartet oder gesehen hat.

Das ist natürlich eine einfache Erklärung, um einmal das Grundprinzip anzureißen. China ist derzeit der optimale Standort für solche Entwicklungen. Der Staat fördert diese Technologie mit Unsummen (er hat verhältnismäßig etwa den Vorsprung vor den USA wie diese gegenüber China in Sachen Rüstung), die Technologiestandorte reißen sich um innovative Unternehmen, Daten stehen fast ohne Beschränkung zur Verfügung und der chinesische Staat ermöglicht auch Großprojekte in Anwendungsbereichen, die in allen anderen Staaten der Welt nicht durchsetzbar wären, da sie nicht selten auf eine mehr oder weniger vollständige Kontrolle und Steuerung der Bürger hinauslaufen. Das ist natürlich interessant für Unternehmen wie Google usw, die eine Möglichkeit sehen, in den chinesischen Markt einzudringen, auch weil die USA noch die besseren Techniker besitzt. Wenn sie sich da mal langsfristig nicht vertun. „Das können wir schon kontrollieren“ hat 33-45 schon bei NS-Deutschland nicht funktioniert.

Die Konferenz zeigt aber auch eines ganz deutlich: Europa (!) wird heute schon als Entwicklungsland betrachtet und wird zunehmend uninteressanter, trotz des zahlenmäßig großen Wirtschaftsgebiets. Angefangen mit dem Hang zum Geldausgeben, der in Europa durch die Steuer- und Sozialpolitik im privaten Bereich ziemlich gewürgt wird, zeigt die von grün-rot auf massive Verblödung angelegte Bildungspolitik nun ihre (vermutlich nachhaltigen, denn darauf wird ja immer besonders Wert gelegt) Erfolge, Geld für die Forschung wird eher in homöopathischen Mengen gewährt, und wenn jemand forschen will, stehen sofort Datenschützer gleich kompanieweise bereit, um das zu verhindern. Zahltag! Mal sehen, wann man das hier deutlicher merken wird.