«Was jetzt passiert, geht an die industrielle Substanz des Landes»

Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes NRW und wurde hier in einem Interview mit der NZZ geäußert. Ich habe darauf mit einem offenen Brief an Herrn Laschet reagiert.

Sehr geehrter Herr Laschet,

in Ihrem Interview äußern Sie trotz Ihres Eingeständnisse «Was jetzt passiert, geht an die industrielle Substanz des Landes» die Ansicht, Deutschland könne trotz der mehr als massiven Probleme wirtschaftlich weiter international eine Spitzenrolle spielen.

Lassen wir einmal außen vor, ob bei Strompreisen, die in Kürze das Doppelte der französischen erreichen, die Wirtschaft noch konkurrenzfähig oder eine sichere Versorgung bei gleichzeitigem Abschalten von Kern- und Kohlekraftwerken überhaupt möglich ist (vermutlich nicht, denn alleine Frankreich will/muss mindestens drei neue KKW bauen). Es gibt genügend Leute, die das entschieden bezweifeln und zum Nachweis ihrer Befürchtungen kaum mehr als den mathematischen Dreisatz benötigen und deren Argumente Sie kennen dürften.

Gehen wir einmal davon aus, dass die Versorgungsprobleme entgegen der Befürchtungen doch nicht eintreten. Ihre Rechnung, die anscheinend darauf beruht, dass die derzeitige Entlassungswelle eine vorübergehende Erscheinung ist und nach ihrer Umkehr wieder alles wie in vergangenen Krisen seinen alten Gang geht, wird trotzdem nicht aufgehen.

Wenn Sie einmal analysieren, welche Arbeitsplätze verloren gehen, welche Geschäftsfelder von deutschen Unternehmen aufgegeben werden und welche Unternehmen gar ganz verschwinden, werden Sie feststellen, dass insbesondere die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Bereichen betroffen sind, in denen Deutschland bislang eine Spitzenreiterrolle inne gehabt hat, und nicht nur ein paar Jobs an den Bändern wegfallen.

Politisch ins Auge gefasst werden anstelle der aufgegebenen Bereiche Felder, in denen Deutschland ohnehin hinterher hinkt und in denen allenfalls Nischenprodukte herauskommen, die international nicht gefragt sind und aus verschiedenen Gründen auch nicht gefragt sein werden. Nur auf dem deutschen und zudem schrumpfenden Markt sind Unternehmen aber nicht wettbewerbsfähig.

Das hat ganz gravierende Konsequenzen: Jobs an Bändern könnten in ein paar Jahren wieder besetzt werden, aber aufgelöste Entwicklungsabteilungen bedeutet, dass das betreffende Unternehmen in ein paar Jahren auch ein paar Jahre hinter den internationalen Wettbewerbern hinterher hinkt. Setzt man den heutigen technischen Standard mit 100 an, so sind die ausländischen Wettbewerber in ein paar Jahren bei 150, das deutsche Unternehmen fängt aber wieder bei 60 an, weil die Ingenieure entlassen sind und ihr Know-How damit weg ist.

Mit anderen Worten: selbst wenn die Energiewende nicht in massiven Blackouts mündet, die nicht nur die industrielle, sondern gleich die gesellschaftliche Substanz vom Tisch wischen, und sich in ein paar Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass E-Mobilität und andere überhastete Maßnahmen purer Unsinn waren, fängt Deutschland wieder auf dem Niveau eines Entwicklungslandes an, zumal in Bildungstests ohnehin bereits Platz 22 von 24 Teilnehmern belegt wird, also noch nicht einmal intellektuelles Kapital für die Zukunft vorhanden ist.

Ich weiß nicht, was die von Ihnen als Koalitionspartner ins Auge gefassten technikfeindlichen Grünen nun wirklich im Kopf haben – vermutlich absolut nichts – aber Sie sollten sich dringend überlegen, wie die CDU sehr schnell wieder zu ihren Werten zurückfinden kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Gilbert Brands


Ich bin mit so etwas nicht der einzige. Neben Klaus Döhler schreibt beispielsweise auch Arthur Chudy solche Briefe, die ich hier mit seiner Genehmigung öffentlich stelle: