Morgens 7:30 Uhr in Deutschland. Es klingelt. Robert öffnet die Haustür. Davor stehen zwei stämmige weiß gekleidete Herren mit einem Thermokoffer.
„Herr Robert Habeck?“ – „Ja?“ – „Wir sind von Transplantationsteam und möchten Ihre Leber abholen. Sie wird dringend für einen Patienten benötigt.“ – „Aber ich benutze sie doch noch selbst!“ – „Sie haben einer Organspende nicht widersprochen und die Bildzeitung hat Sie aufgrund Ihrer letzten Äußerungen zur Energieversorgung für hirntot erklärt. Damit sind den gesetzlichen Bestimmungen genüge getan. Wir haben Anrecht auf Ihre Leber.“ – „Aber ich lebe doch noch!“ – „Herr Habeck, zieren Sie sich nicht so! Zu Ihrer Beruhigung können wir Ihnen versichern, dass noch niemand eine Leberentnahme durch uns überlebt hat.“
Der neue Spahnsche Gesetzesvorschlag ermöglicht mit dem Double-Opt aber noch mehr:
„Herr und Frau Müller?“ – „Ja?“ – „Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Tochter von einer Gruppe von ca. 10 Männern mehrfach brutal vergewaltigt und anschließend erwürgt worden ist. Unser aufrichtiges Beileid! – – Übrigens, ihre Tochter hat einer Organspende widersprochen. Wir sind daher gesetzlich verpflichtet, sie zu einem posthumen Widerruf aufzufordern. Sie haben 30 Sekunden. Bitte entscheiden Sie jetzt!“ kling – klong – kling – klong …
Nach den neuen Absichten ist man zunächst einmal Zwangsspender. Musste man bislang erklären, dass man ein Organ spenden wollte, muss man nun im Gegenteil tätig werden, wenn man nicht spenden will. Ob der ganze Zirkus mit einem Zentralregister verbunden ist, kann man nur hoffen, denn sonst ist jeder automatisch Spender, der seinen Ausweis vergessen hat oder dessen Ausweis während der Prozedur verloren gegangen ist. Theoretisch können die Angehörigen dann zwar noch widersprechen, müssen aber „glaubhaft darlegen, dass der Betreffende zu Lebzeiten eine Spende abgelehnt hat.“ Im Falle großen emotionalen Stress‘ soll man sich also auch noch mit Bürokratenärschen herumärgern. Menschenwürde? Wo kämen wir denn da hin?
Ein abgemilderter Vorschlag geht dahin, sich beim Abholen des nächsten Ausweises zwangsentscheiden zu müssen. Eine ziemliche Zumutung! In jedem Geschäft kann hat man drei Optionen: „Kauf ich!“ – „Nehme ich doch nicht!“ – „Ich überleg‘ mir das noch mal!“. In Bezug auf den eigenen Körper soll das nicht gelten. Da muss man dann auf dem Amt JA oder NEIN sagen. ICH WEISS NOCH NICHT wird sicher nicht als Option auf der Ankreuzliste stehen.
Ob und wie oft man seine Meinung ändern darf, wird auch nirgendwo erwähnt (heue wirft man einfach dem Spenderausweis fort oder holt sich einen neuen). Und das kann durchaus passieren, weil es weder nach oben noch nach unten eine wirkliche Altersgrenze gibt. Der älteste Spender des letzten Jahres was 88 Jahre alt. Wer meint, die Rente schütze ihn davor, hat leider Pech gehabt. Und in 60 Jahren, die junge Leute nach ihrer ersten Entscheidung vielleicht noch vor sich haben, können sich die Ansichten durchaus ändern.
Selbst JA oder NEIN ist nicht so eindeutig zu beantworten. So mancher spendet freiwillig eine Niere für seinen Ehepartner oder seine Kinder, aber dann wird’s schon kritisch: „Tante Tilde und Onkel Heinz würde ich was spenden, aber der doofen Cousine Erika? Nie!“. Mancher, der nicht spendet, würde vielleicht spenden, wenn er die möglichen Empfänger kennt. Oder würde spenden, wenn der Empfänger im Gegenzug die Beerdigungskosten übernimmt. Ähnliches gilt für die Angehörigen, sollten sie das Recht haben, zu entscheiden. Klingt zwar ethisch nicht ganz einwandfrei, aber selbst ein altes Auto muss man nicht an jeden verkaufen, wenn dessen Nase einem nicht passt.
Eine öffentliche Zwangsentscheidung hat heute möglicherweise auch das Auftreten einer Gesinnungspolizei zur Folge. „Du willst nicht spenden, du faschistisches Verweigerungsschwein?“ – ähnliche Folgen hat man ja heute schon zu tragen, wenn man sich öffentlich zu Ausländern oder dem Greta-Unfug äußert und nicht die öffentliche Zwangsmeinung trifft.
Neben JA oder NEIN müsste es meiner Ansicht nach auch die Position „Fragt mich, wenn es so weit ist. Wenn ich nicht mehr antworten kann, fragt … . Der kennt meine Ansicht.“ Das wäre mehr oder weniger eine Erweiterung der Patientenverfügung. Warum genügt das nicht?