Die Öl- und Gaslüge

Ginge es nach dem Club of Rome, einem Verein böser alter weißer Männer, wären Öl und Gas bereits in den 1980er Jahren komplett aufgebraucht worden. Seitdem und bis heute ist aber nicht nur der Verbrauch stetig gestiegen, auch die nachgewiesenen Reserven sind größer als je zuvor.

Nach älteren Vorstellungen sind Öl und Gas das Produkt der Zersetzung mariner Lebewesen in bestimmten Erdzeitaltern und daher fossil und endlich. Allerdings kann diese Vorstellung nicht stimmen, wovon man sich anhand einer ganzen Reihe von Fakten überzeugen kann:

  • Öl und Gas kommen als ergiebige Lagerstätten oft in weitaus größerer Tiefe vor als Kohle, obwohl sie nicht älter als die Kohlevorkommen eingeschätzt werden. Eine Faustregel der Prospektoren lautet: wenn man tief genug bohrt, stößt man auf Öl (oder Gas; lohnen muss sich das natürlich nicht).
  • Bei keiner einzigen Öl- oder Gasbohrung wurden bislang Fossilien in den Förderschichten gefunden. Das wäre aber aufgrund der Theorie mehr oder weniger notwendig.
  • Öl und Gas werden an Stellen gefördert, an denen es nach dem Modell marinen Lebens als Ursache gar kein Öl oder Gas geben dürfte.
  • Bislang gibt es keine erschöpften Lagerstätten. Zwar lohnt sich die Förderung nach einiger Zeit wirtschaftlich nicht mehr, Untersuchungen haben aber ergeben, dass sich nahezu alle „erschöpften“ Lagerstätten nach einiger Zeit wieder auffüllen, und zwar schneller als das nach einem Modell des Nachsickerns aus einem begrenzten Reservoir sein dürfte.

Ein weiteres Phänomen ist die vertikale Schichtung: reine Öl- und Gasschichten liegen sehr tief, minderkonzentrierte Schichten, aus denen durch Fracking Gas gewonnen wird, oberflächennah. Die Reserven in diesen Schichten werden höher eingeschätzt als die ohnehin schon großen Kohlereserven. Obendrein sind diese Schichten in geologischen Zeiträumen der Erosion ausgesetzt. Da wohl kaum davon auszugehen ist, dass solche Schichten erst mit dem Beginn der Menschheit in die passende Tiefe gelangt sind, dürften allein auf dem Weg der Erosion riesige Mengen Kohlenwasserstoffe in die Atmosphäre gelangen, möglicherweise mehr als durch den Menschen (allerdings nur bedingt als Kohlenwasserstoffe, weil Mikroorganismen diese Energiequelle nutzen, bevor sie verpufft, und CO2 draus machen).

Als Quelle kommt unter diesen Umständen nur die Erde selbst in Frage, die anscheinend in der Lage ist, unbegrenzte Mengen (zumindest im Verbauchsmaßstab des Menschen) zu produzieren. Ein guter Teil des Kohlenstoffkreislaufs der Natur fällt anscheinend auf die Produktion von Öl und Gas, und das seit Jahrmilliarden. Wie kann/muss man sich das vorstellen?

Startpunkt sind biologische Produzenten. Archaebakterien, die ältesten Lebewesen überhaupt, leben vorzugsweise unter anaeroben Bedingungen, können also mit Sauerstoff nicht viel anfangen. In ihrem Stoffwechselkreislauf kommt allerdings Methan vor, und zwar als Abfallprodukt. In den Ozeanen bildet sich aus dem Methan festes Methanhydrat und sinkt auf den Meeresboden. Teilweise wird diese Methanhydrat bereits als Energiequelle benutzt, weil es im Prinzip überall zu finden ist, wenn auch die Förderung aus mehreren Kilometern Tiefe nicht ganz einfach ist. Neben Methan sinken auch Karbonate als Reste von Lebewesen auf den Meeresgrund, der in Subduktionszonen unter die Kontinente gezogen wird. Methan und Karbonate gelangen so in den Erdmantel. Damit haben wir Abteilung 1.a des Kohlenstoffkreislaufs erledigt.

Abteilung 1.b spielt sich an Land ab: Bildung von Torf, Braunkohle und Steinkohle. Das spielt sich aber nur in Erdzeitaltern in größerem Maßstab ab, in denen passende Bedingungen herrschen. Auf diese Art gelangt Kohlenstoff unter die Erde.

Im Erdmantel herrschen hohe Drucke und Temperaturen, die eine Reihe von chemischen Reaktionen auslösen. Im einfachsten Fall passiert nichts und das Methan wird im Erdmantel freigesetzt, wo man es als Erdgas fördern kann. Im Laufe der Erdzeitalter diffundiert es nach oben und bildet dort die weniger konzentrierten Lager, die zum Fracking benutzt werden. Methan und Karbonate können wiederum miteinander reagieren und höhere Kohlenwasserstoffe (möglicherweise bis hin zu elementarem Kohlenstoff, also Kohle) nebst Wasser entstehen lassen. Technisch vergleichbar ist etwa das Fischer-Tropsch-Verfahren, das in den Weltkriegen zur Produktion von Kraftstoff aus Kohle verwendet wurde. Denkbar ist schließlich auch die Reaktion von Wasser mit Kohle, was wiederum Methan erzeugt und auch bereits als Kohleverflüssigung unter Tage technisch erprobt wird, um zu tiefe Kohlelagerstätten auszubeuten.

Öl und Gas sind somit nicht begrenzt, was der Fall wäre, wenn wir fossile nicht ersetzbare Lager ausnutzen, sondern werden laufend neu gebildet. Mit anderen Worten: bei Öl und Gas handelt es sich um erneuerbare Energien, die von der Erde selbst produziert werden. Welche Kapazitäten die Erde aufweist, ist bislang unklar, aber es deutet wenig darauf hin, dass die Menschheit derzeit so übertreibt, dass bald Schluss wäre.

Wenn man gräbt, scheinen das die Ölfirmen auch alle zu wissen. Mit dem Märchen von den begrenzten Ressourcen lässt sich aber bislang Geld ohne Ende verdienen, weshalb man das unter dem Radar hält. Die USA, lange Ölimportland, sind inzwischen nicht nur Selbstversorger sondern auch einer der größten Exporteure (LNG-Gas als Konkurrent zum russischen Gas). Die Förderung in den USA ist inzwischen so gut angelaufen, dass das US-LNG-Gas gute Chancen hat, Kohle als billigsten Energieträger zu überrunden. Aber lügen wir uns lieber weiter was Grünes in die Tasche.