Ich muss zugeben, von der Organisation hatte ich bis zum Mord an einem Polizisten in Franken noch nichts gehört. Die Bewegung erkennt das Grundgesetz bzw. die BRD als Staat und dessen spezielle Gesetze nicht an und hält an der Reichsverfassung von 1919 fest. Natürlich darf jeder so eine Meinung haben. Sie ist nach Art. 5 GG genauso abgedeckt wie nach Art. 118 der Reichsverfassung. Das berechtigt natürlich nicht zu der o.g. Tat, die nach beiden Rechtssystemen unzulässig ist und als Mord einzustufen ist.
Rein logisch ist die Meinung sogar noch nicht mal von der Hand zu weisen. Ein Grundgesetz ist völkerrechtlich eine von Siegern im Kriegsfall dem Verlierer aufgezwungene Grundordnung. Eine Verfassung ist etwas anderes, und so sagt
Art 146
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
A r t i k e l 146
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
und man muss wohl kein Experte sein, wenn man feststellt, dass man sich da nicht so leicht herausmogeln kann.
In Summe kann man feststellen, dass die Ansicht der Reichsbürger auch dadurch an Berechtigung gewinnt, dass das Grundgesetz-Parlament dem Volk vorsätzlich ein Verfassungsverfahren verwehrt und auch vor Änderungen des Grundgesetzes, die diesen Betrug erleichtern, nicht zurück schreckt. Ob eine Verfassung nun wirklich so viel anders ausssehen würde als das GG, sei einmal dahin gestellt, auch wenn die alte Reichsverfassung sicher den meisten Nichtparlamentariern, die sich damit beschäftigen, deutlich angenehmer sein dürfte. Im Prinzip ähnelt sie strukturell stark der Verfassung der 5. Republik, mit der die Franzosen seit 1958 ganz gut leben, während das GG eher der der 4. Republik ähnelt, mit der die französische Politik zwischen 1948 und 1958 die Nation so gründlich vor die Wand gefahren hat, dass eine neue Revolution nicht allzu fern war. Eine mehr an die Reichsverfassung angelehnte neue Verfassung würde allerdings den Parlamenten einiges an Rechten nehmen (sie dürften nicht nur dumm daher schwatzen, sondern müssten tatsächlich auch einmal sinnvoll arbeiten) und sie an das Volk übertragen. Aber: wie legitim und stark ist eine Demokratie, die sich noch nicht einmal an ihre eigenen Grundprinzipen hält?
Nun ja, offenbar schwach genug, um wieder einmal einen parlamentarischen und journalistischen Shit-Storm gegen eine Bürgerbewegung in Gang zu setzen. Durchaus ungerechtfertigt, wie sich schnell herausstellt, denn der Täter teilt zwar anscheinend das Gedankengut, ist aber anscheinend nicht vernetzt. Man wollte ihm seine Waffen wegnehmen, weil man ihn durch ein Verwaltungsverfahren als „unzuverlässig“ qualifiziert hat, oder mit anderen Worten, anscheinend hat er sich sonst nichts zu Schulden kommen lassen, was ein ordentliches Rechtsverfahren mit Beweisaufnahme, Rechtsanspruch usw. rechtfertigen würde (genau lässt sich das allerdings nicht feststellen; man kann nur von den üblichen Journaille-Floskeln auf ähnliche Fälle extrapolieren). Das rechtfertigt natürlich nicht eine solche Tat, aber wenn man Leute, die sich ohnehin schon betrogen fühlen, auch noch reizt und demütigt, muss man sich um mentale Ausraster keine weiteren Gedanken machen.
Allerdings scheint mir der Frontalangriff auf die Reichsbürger in etwa so gerechtfertigt wie ein Angriff auf die katholische Kirche, wenn sich herausstellt, dass ein Schwerverbrecher katholisch ist. Und das scheint nicht nur mir so: selbst der Verfassungschutz sieht bislang keinen Grund für eine intensive Überwachung. Mal abwarten, wie lange sich der Nachrichtendienst gegen die politische Erpressung der Verfassungsfälscher zur Wehr setzt.