Sippenhaftung ist wieder aktueller denn je

Sippenhaftung besteht darin, alle Mitglieder einer Gruppe für Verfehlungen einzelner verantwortlich zu machen. Ich möchte nicht wieder beim 3. Reich und den Juden anfangen, denn das Beispiel ist schon ziemlich breitgetreten.

Eine ganze Weile war Sippenhaftung verpönt: wenn der 15. südländische Messermann jemanden auf der Straße abgeschlachtet oder wieder mal eine Frau von einem Schwarzen vergewaltigt wurde, hieß es politisch unisono „das darf man nicht verallgemeinern“. Was natürlich richtig ist, nicht jeder Südländer ist in solcher Messermann. Andererseits ist das aber insofern wieder falsch, als die Statistik eindeutig belegt, dass man diese Gruppe für Prävention weiterer Taten tunlichst im Auge behält. Aber auch diese Form der Sippenhaftung war lange Zeit verpönt.

Neuen Auftrieb hat die Sippenhaftung seit etwas mehr als einem halben Jahr: wer nicht geimpft ist, darf sich für alles mögliche verantwortlich machen. Covid macht’s möglich. Extremer Standpunkt: Putin hat Longcovid und ist deshalb in die Ukraine einmarschiert.

Inzwischen geht es mit der Sippenhaftung aber wieder so zu wie weiland bei Nr. 18. Wer Russe ist, ist automatisch per Sippenhaft ein Mörder, der Ukrainer überfällt. Getroffen hat es nicht nur bekannte Künstler wie bis hin zu Welt-Opernstar Anna Netrebko, deren Engagements gecancelt werden, weil sie Russin ist (hat man Angst, sie könne den Todesfluch der Makatam intonieren? ¹⁾

Besonders ausgeprägt ist derzeit die Sippenhaftung im Sport. Nahezu jede Funktionärsebene – also Leute, die selbst keinen Sport machen – setzen sich für den Ausschluss russischer Sportler ein. Fußballer werden ausgeschlossen (die glückliche Mannschaft, die gegen die Russen verlieren sollte, findet sich nun ohne Spiel eine Klasse höher wieder), auch andere Athleten und – besonders perfide – behinderte Athleten. Was natürlich ungemein Sinn macht, denn die könnten ja im Kriegsfall einen Ukrainer mit der Krücke oder einer Beinprothese erschlagen.

Zum fiesen Typ „Politiker“

gesellt sich gern‘ der Funktionär

Jan-Malte Bütenhofen-Dudenkirchen

¹⁾ Den afrikanischen Makatam wird nachgesagt, Verurteilte durch Trommeln hinzurichten. Dazu wurden die Betreffenden in Trance versetzt und Trommeln auf seinen Herzschlag synchronisiert. Im Laufe mehrerer Stunden wurde die Trommelfrequenz reduziert, was das Herz mitmachte – bis hin zum Herzstillstand. Ob die Berichte tatsächlich stimmen, kann ich nicht sagen.