Russland ./. Ukraine

Wenn man sich zum Stand des Konfliktes informieren möchte, stellt sich die Frage, wie man an halbwegs plausible Informationen gelangt. Die EU-Kommission hat zwar den Konsum russischer Nachrichtenmedien verboten und URL teilweise gesperrt, aber ein Umgehen ist auch für Privatpersonen sehr einfach und die Zahl derer, die sich trotzdem dort Informationen holen, dürfte in die Hudertausende gehen, wenn nicht gar in die Millionen, wenn man auf Europa hoch rechnet.

Die Begründung dafür ist natürlich so simpel wie falsch: der Bürger soll vor russischer Desinformation geschützt werden. Natürlich sind Informationen nicht neutral: die Russen werden versuchen, ihre Raketen so unabfangbar wie möglich zu erklären, die Ukrainer hingegen alles daran setzen, die Technik so schlecht wie möglich zu machen. Lügen tun also beide Seiten wie gedruckt, auch (und besonders, wie die Wahrscheinlichkeit sagt,) die EU. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und man muss sie sich nach dem Ockham-Prinzip irgendwie zusammen schustern.

Die Zensur verstößt gegen Grundrechte. Die sind zwar nicht absolut, sondern unterliegen an bestimmten Stellen Einschränkungen, aber die müssen von Gesetzen genau definiert werden. Hier liegt nur eine Verordnung der in keiner Weise demokratisch legitimierten EU-Kommission vor (und die Bestätigung durch eine Gruppe von Regierungschefs kann man wohl kaum als demokratische Legitimierung durch die Völker ansehen). Wobei noch hinzu kommt, dass die EU-Seite stets Stein und Bein schwört, außer durch gewisse moralische und logistische Unterstützung an dem Konflikt nicht beteiligt zu sein. Warum die Zensur, die obendrein leicht zu umgehen ist?

Historisch gesehen hat man Zensur angewandt,

  • um dem Gegner keine brauchbaren Informationen zu liefern (was heute bei den technischen Möglichkeiten etwas lächerlich wirkt) und
  • wenn es ausgesprochen beschissen lief.

Wie es auf der russischen Seite mit Zensur aussieht, weiß ich nicht (schließlich darf ich das ja gar nicht analysieren), aber die wird es auch dort geben. Läuft es denn beschissen? Und wenn ja, für wen von beiden wahrscheinlicher?

Schauen wir uns die russischen Raketenangriffe an, die alle samt und sonders ihr Ziel treffen, während die Ukrainer natürlich behaupten, sie hätten alle Raketen abgeschossen. Anscheinend veröffentlichen die Russen auch kurze Videos darüber, aber die können natürlich Fälschungen sein, wie prompt von der Ukraine behauptet. Wenn wir Herrn Ockham bemühen, stellen wir fest, dass selbst in westlichen Qualitätsmedien darüber geklagt wird, dass der Ukraine gewissen Fähigkeiten ausgehen, was man wohl so interpretieren muss, dass die Angriffe wohl doch erfolgreicher waren, als die ukrainische Seite zugibt. Und noch bei einem weiteren Punkt ist Herr Ockham behilflich: hätten die Ukrainer die Raketen abgeschossen, läge wohl nichts näher, als einen Proud-Day einzuführen, die Trümmer in Regenbogenfarben anzumalen und der Öffentlichkeit stolz zu präsentieren. Nichts davon passiert: angeblich handelt es sich um militärische Geheimnisse, die man für sich behalten will.

Ähnlich sieht es bei Angriffen auf Zivilisten aus: beide Seiten werfen das einander vor, aber auch hier wieder so, dass die Russen Fotos und Videos davon veröffentlichen (die von der Ukraine mit „die haben sich selbst beschossen“ kommentiert werden, was schon ein wenig an den Haaren herbei gezogen wirkt), während die russischen Behauptungen, es handele sich um militärische Einrichtungen in der Nähe von Zivilgebieten, von den Ukrainern nicht widerlegt werden, wieder mit der Behauptung der militärischen Relevanz. Russland:Ukraine 2:0 nach Herr Ockham + eine Ermahnung wegen möglicher Kriegsverbrechen durch die Ukraine.

Neben dem Krieg sind seit ein paar Tagen auch Verhandlungen ausgebrochen, begleitet von einigen Aktionen des ukrainischen Militärs: beispielsweise ein mutmaßlicher Angriff auf den Hubi von Putin, militärisch zwar rechtens, aber international eher anrüchig, sowie Angriffe auf russische strategische Atomwaffenträger, militärisch rechtens, auch wenn jetzt die russische Seite „TERRORISMUS“ brüllt. Trotzdem sollte man sich Letzteres etwas genauer anschauen.

In Abrüstungsverhandlungen wurde festgelegt, dass strategische Bomber im Freien geparkt werden, damit alle Seiten (damals nur Russen und Amerikaner) jederzeit per Satellit kontrollieren konnten, ob der Gegner einen Überfall plant. Die USA haben die Verträge zwar gekündigt, aber bislang halten sich beide Seiten an diese Abmachung. Die strategischen Bomber sind militärisch daher ein recht ungeschütztes Ziel, was sich die Ukraine zu Nutze gemacht hat. Man muss sich aber fragen, wozu sie das gemacht hat? Nur um zu zeigen, dass …?

Zu Bedenken sind nämlich die Implikationen. Zum einen hat die russische Seite klip und klar gesagt, dass Angriffe auf die strategischen Atomwaffen automatisch eine atomare Antwort auslösen. In der Weise, in der Putin im Westen verteufelt wird, müsste man eigentlich davon ausgehen, dass der das auch Ernst meint. Die Ukrainer behaupten zwar, eine ganze Reihe Flugzeuge zerstört zu haben (die Russen wieder das Gegenteil), aber die relative Ruhe deutet eher darauf hin, dass der Angriff nicht kritisch war. Noch ist die strahlende Zukunft nicht eingetreten.

Die zweite Implikation ist, dass derzeit Verhandlungen stattfinden, eine solche Aktion aber zur Unzeit kommt. Verhandelungen mit jemand, der bereits ist, Grenzen zu überschreiten? Für die Ukraine wird es dadurch schwieriger, auf irgendein Einlenken der Russen zu hoffen. Taktisch wäre es besser gewesen, man hätte einen solchen Angriff in einem Augenblick durchgeführt, in dem man zusätzlichen Druck benötigt. Aber so? Möglich, dass die Ukraine noch weitere solche Sabotagetrupps in Russland installiert hat, aber deren operative Fähigkeiten sind natürlich nun eingeschränkter als vorher.

Und die dritte Implikation ist vielleicht die verheerendste für die Welt insgesamt. Je nachdem, wie die US-Beteiligung an dem Schlag eingeschätzt wird und wie sich die USA dazu verhalten, können nämlich jetzt die bislang gut kontrollierten strategische Atomwaffen von der Bildfläche verschwinden. Die Kontrollverträge gelten nicht mehr, d.h. jede Seite hat nun das Recht, die Waffen irgendwo sicher zu parken, wo anderen die Kontrolle schwer fällt. Und um so leichter kann jemand mit der Hand ausrutschen und auf eine gewissen Knopf drücken.

Wer der Ukraine den Floh ins Ohr gesetzt hat (England, Frankreich, Deutschland), ist unklar. Ist sie selbst drauf gekommen? Möglich, aber die Beteiligung der genannten Länder an der einen oder anderen Militäraktion wird kaum irgendwo demetiert (aber auch nicht offiziell bestätigt). Waren die USA daran beteiligt? Hoffentlich nicht, denn die sollten genau wissen, wo es danach lang läuft. Zumindest wird in Westeuropa laut gejubelt (sogar mit Applaus von einigen AfD-lern) und Starmer, Macron und Merz machen verbal einen auf „dicke Hose“ und wollen Soldaten bereitstellen. Na denn gute Nacht!

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