Wie man es auch dreht und wendet, Assad hat den Bürgerkrieg militärisch gewonnen. In der Provinz Idlib drängen sich die letzten Reste der Aufständischen, von so genannten moderaten Rebellen bis hin zu den Hardlinern des IS, nördliche Teile von Aleppo sind von der Türkei besetzt und nordöstlich des Euphrat haben die Kurden für sich ein Autonomiegebiet eingerichtet. Der Rest ist seit einigen Monaten wieder vollständig in der Hand der Assad-Regierung. Nun soll anscheinend die Provinz Idlib aufgeräumt, d.h. die Rebellen militärisch endgültig eliminiert werden. Und wieder erhebt sich großes Geschrei um eine sich abzeichnende humanitäre Katastrophe.
Beginnen wir damit, dass der verhasste Assad in seinem Land eigentlich gar nicht so verhasst ist, wie es immer dargestellt wird. Ich zitiere einmal (Quelle)
Millionen Syrer stehen hinter Baschar al-Assad. Dazu gehören größtenteils die moderaten und säkularen Muslime, die Alawiten, Drusen und Christen im Lande sowie alle, die Ruhe und Ordnung im Lande haben wollen und bisher mit dem Regime in Damaskus ganz gut gefahren sind. Sie alle fürchten die grausame Rache der radikalen Sunniten, falls Assad fallen sollte. Denn dann würden alle religiösen Minderheiten und alle säkularen Muslime sowie ehemaligen Anhänger des Assad-Regimes den Radikalen Islamisten (Al-Nusra, IS) ausgeliefert sein.
Der Anteil der Sunniten an der Gesamtbevölkerung liegt bei 70-75%, also anscheinend die Assad-feindliche Mehrheit. Allerdings sind auch die Kurden (ca. 15% der Gesamtbevölkerung) Sunniten (ca. 90%), haben im Bürgerkrieg allerdings gemeinsame Sache mit Assad gemacht, können also gut und gerne zu denen gerechnet werden, die eher hinter Assad stehen. Wenn sie die Gunst der Stunde ergreifen und sich etwas Autonomie verschaffen, darf man ihnen das wohl eher weniger verdenken. Die meisten anderen Sunniten dürften in dem mulitreligiösen Staat (seit ca. 1400 Jahren) traditionell eher den moderaten/säkularen Muslimen zuzurechnen sein. Der extreme Hardlinerislam hat sich in den letzten 20 Jahren auch in Syrien breit gemacht (und ist der Auslöser des Bürgerkriegs), was viele dieser Moderaten überrollt haben und sie eher enger an Assad gerückt haben dürfte. In Umfragen liegt die Zustimmung zu Assad bei ca. 85%, was natürlich von allen westlichen Staaten bezweifelt wird. Trotzdem dürfte er die Mehrheit in den befriedeten und auch den in der gesamten Zeit nicht betroffenen Gebieten hinter sich haben, wenn die Leute dort wieder ohne Krieg leben können.
Wenig bis gar nicht interessieren sich die westlichen Medien samt der Politik für die türkische Besetzung der Kurdengebiet um Aleppo, wobei die Türken nach verschiedenen Berichten das, was der IS übrig gelassen hat, auch noch zusammen geschossen haben. Die kurdischen Milizen haben maßgeblich an der Beseitigung des IS mitgewirkt, und ausgerechnet ein NATO-Staat fällt über sie her, während die anderen NATO-Staaten, die sich bislang als Verbündete der Kurden bezeichnet haben, beflissentlich wegschauen. Freunde gewinnt man so eher weniger.
In Idlib drängen sich nun, wie bereits gesagt, von so genannten Moderaten bis hin zum IS alles, was noch übrig ist. Da alle anscheinend zusammenarbeiten, ist die Differenzierung in verschiedene Gruppen gelinde gesagt ziemlich fragwürdig.
Die syrische Armee scheint nun zum Sturm auf Idlib anzusetzen, was als erste Warnung aus den NATO-Staaten wieder „ernste Vergeltungsmaßnahmen im Falle von Giftgasangriffen“ bewirkt. Im Vorfeld wird also wieder einmal ein Grund gesucht, selbst irgendwo Bomben im Namen der Humanität abwerfen zu können. Dabei ist die Sachlage im Falle eines mutmaßlichen Angriffs alles andere als klar: Assad behauptet, alle Chemiewaffen vernichtet zu haben (die Russen bestätigen das), den Rebellen sind vermutlich alte Giftgasbestände der syrischen Armee in die Hände gefallen, die sie benutzen könnten (und ihre Rücksicht auf Zivilisten, zumal Ungläube, ist bekannt), und es kann sich obendrein um ein Fake handeln:
Kurz und gut: bevor es losgeht (und zwar gegen die Reste des IS), sind Assad, die Russen und der Iran bereits als Bösewichte ausgemacht. Die Zivilisten in der Provinz denken (natürlich) an Flucht. Erstaunlicherweise werden in Interviews aber nur Leute zitiert, die in die Türkei oder die Kurdengebiete flüchten wollen; das für viele vermutlich nahe Liegende – die Flucht in das befriedigte Syrien – kommt in Medienberichten überhaupt nicht vor. Was allerdings auch auf Schwierigkeiten stoßen dürfte, denn die so genannten Rebellen haben bereits in anderen Fällen solche Fluchtbewegungen verhindert, laufen ihnen dabei doch die Geiseln weg. Das Verhalten der Rebellenreste scheint aber für die westlichen Medien kein Problem zu sein.
Ebenfalls etwas merkwürdig: schaut man sich die Karte an, ist die Lage strategisch hoffnungslos. Sie erinnert ein wenig an die Lage Hitler-Deutschlands Anfang 1945. Hitler hat ja bekanntlich den germanischen Weltuntergang zelebriert, statt aufzugeben (tatsächlich konnte er gar nicht anders, da niemand ihm eine Chance zum Aufgeben gegeben hat), und die IS-Reste fabrizieren nun das Gleiche. Dass die Milizen in Idlib aufgeben und ggf. einen Abzug aushandeln wie schon zuvor in anderen Gebieten scheint aber auch außerhalb des Vorstellungsvermögens der Inhaber westlicher Werte zu liegen. Kein Wort darüber, dass zur Fortsetzung des Krieges zwei gehören, von denen einer nicht nur in einer aussichtslosen Lage ist, sondern auch die Zivilisten wie bereits zuvor als Schutzschild benutzt. Um die Doktin des bösen Assad, des bösen Putin und der bösen Iraner aufrecht erhalten zu können, wird inzwischen medial sogar mit dem IS paktiert.
Könnten die Idlib-Milizen denn aufgeben? Nun, wenn es sich um moderate Milizen handelt, könnte man ihnen den Abzug in Staaten ihrer extremistischen Glaubensgenossen ermöglichen. Sind ja genug in der Gegend. Vorher könnten sie vielleicht noch an der Beseitigung des IS mitwirken, so als Rehabilitationsmaßnahme.
Alternativ könnte man ja auch eine Korridor zum Mittelmeer vereinbaren, wo sie von deutschen Hilfsorganisationen abgeholt und nach Deutschland ins Sozialparadies gebracht werden. Auf ein paar tausend Gefährder mehr oder weniger sollte es unserer bunten weltoffenen Gesellschaft doch nicht mehr ankommen, oder? Und sicher finden sich ein paar Grüne, die das unterstützen würden.