Wenn man verstehen will, wie die skandalösen Urteil der Justiz in der letzten Zeit zu Stande kommen, muss man wissen, wie sie funktioniert.
Zunächst einmal sind die Behörden verpflichtet, Verdachtsmomenten für Straftaten nach zu gehen. Konkret wird die Polizei die Staatsanwaltschaft über einen Vorfall unterrichten und der Staatsanwalt kann dann nach sorgfätiger Prüfung der Sachlage entscheiden, ob er ein Verfahren einleitet oder nicht. Dabei muss er sowohl Fakten, die gegen den Beschuldigten sprechen, also auch solche, die ihn entlasten, untersuchen und dokumentieren.
Was von Amts wegen zu untersuchen ist, ist ebenfalls festgelegt. Von den Verbalstraftaten fällt mehr oder weniger nur die Verleumdung hierunter. Wenn jemand beispielsweise behauptet, dieser oder jener Minister sei Mitglied eines KiPo-Ringes, sollte er hinreichende Beweise dafür haben. Mehr oder weniger alle anderen Verbaldelikte sind Antragsdelikte, d.h. derjenige, der sich geschädigt fühlt, muss eine Strafanzeige erstatten. Wenn derzeit die Polizei Politiker darauf anspricht, ob sie sich beleidigt fühlen, ist das eindeutig rechtswidrig. Da es trotzdem passiert, kann man davon ausgehen, dass die Innenminister entsprechende rechtswidrige Weisungen an die Polizei gegeben haben, in dieser Form tätig zu werden.
Fühlt sich ein Politiker beleidigt oder gar majestätsbeleidigt, muss er eine Anzeige erstatten. Nur dann darf die Staatsanwaltschaft einen solchen Fall verfolgen. Der grundsätzliche Systemfehler liegt allerdings darin, dass mit der Erstattung der Anzeige die Beteiligung des Betroffenen erledigt ist. Der Majestätsbeleidigte muss weder gegenüber dem Staatsanwalt noch gegenüber einem Richter jemals darlegen, weshalb er sich beleidigt oder in seiner Arbeit behindert sieht. Diese Fehlkonstruktion öffnet Missbrauch natürlich Tür und Tor. Müssten die Herren Minister und andere Anzeigenkönige ihre Fälle vor Gericht als Zeugen vertreten, wäre es schnell vorbei mit der Anzeigeritis. Die immer wieder vorgebrachte These des neutralen Dritten, den die Justiz vorbringt, ist ein Ammenmärchen.
Staatsanwälte sind zunächst einmal frei, wie sie in einem Fall verfahren. Sie können ihn verfolgen oder eben zu den Akten legen, wenn die Sachlage dünn ist. Es gibt allerdings Ausnahmen. Wenn eine Person des öffentlichen Lebens betroffen ist, muss der Staatsanwalt an den Vorgesetzten berichten. Es könnte ja sein, dass der Fall medial in der einen oder anderen Weise unangenehm auf den Politiker zurückfällt. Also läuft der Staatsanwalt zum Oberstaatsanwalt, der zum Generalstaatsanwalt und der wieder zum Justizminister. Mit Unabhängigkeit der Justiz hat das natürlich nichts zu tun und bei den merkwürdigen Fällen in der letzten Zeit muss man zwingend davon ausgehen, dass sie auf Anweisung des Justizministers verfolgt oder fallen gelassen werden. Der Amtsweg erklärt nebenbei auch, weshalb die Verfahren eine ganze Weile brauchen, bis es zum Strafbefehl kommt.
Ergeht nun ein Strafbefehl, den der Staatsanwalt (mit Genehmigung durch das Ministerium) ausstellt, muss ein Amtsrichter prüfen, ob das aus Material ausreicht, und ihn ggf. abschmettern. Diese Freiheit besitzen die Amtsrichter formal, nur weiß natürllich auch jeder Amtsrichter, woher der Wind weht. „Minister XYZ wurde beleidigt?“ – da muss er niicht lange überlegen, um darauf zu kommen, dass der Herr Justizminister dieses Verfahren selbst genehmigt hat. Der kann ihm zwar formal nicht reinreden wie dem Staatsanwalt, ihm aber die Karriere versauen. Also wird der Amtsrichter in den meisten Fällen den Strafbefehl absegnen (das gleiche gilt für Bademantelaufträge in der Frühe: formal völlig rechtswidrig, aber eine Nichtgenehmigung ist äußerst karriereschädlich).
Legt der Beschuldigte Widerspruch ein, erzwingt er damit eine Vehandlung. Wie die ausgeht, steht nicht fest. Manche Amtsrichter besinnen sich auf ihre Pflicht, ander auf ihre Karriere. Sprechen sie den Beschuldigten frei, geht die Staatsanwaltschaft mehr oder weniger automatisch und ohne große Begründung in Berufung. Sprechen sie ihn schuldig, kann er seinerseits in Berufung gehen. Was in der nächsten Instanz passiert, hängt davon ab, wie karrieregeil der Richter am Landgericht ist. Das Problem für die meisten Beschuldigten sind aber dann bereits die Kosten. Viele können sich die Kosten für die Verfahren nicht leisten und haben auch keine Ahnung, was sie machen sollen. Und so siegt das fehlkonstruierte System.