Rumpelstilzchen ist wieder da

oder: Der Kampf der Genderideologen gegen die Realität

von Joseph Hueber (Gastautor)

Genderideologie ist keine harmlose Spinnerei, die bald in Vergessenheit geraten wird. Zu ernst nehmen die Vertreter ihr Anliegen. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit soll, auch mittels Sprache, so verändert werden, dass die Beurteilungsfähigkeit hinsichtlich „Normalität“ verlorengeht. Beschämend, dass das Bayerische Kulturministerium sich einreiht in die Förderung dieser Verirrung.

Der Kampf gegen das treffende Wort – eine alte Geschichte

Wie ging das nochmal, das schaurig-schöne Märchen vom Rumpelstilzchen? Ein Müller prahlt vor dem König, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen. Der König ist begeistert und verspricht, sie zur Frau zu nehmen, wenn sich das als wahr herausstellt. Andernfalls drohe ihr aber der Tod. Als das Mädchen am Abend in eine Kammer voll Stroh eingesperrt wird, um ihre vom Vater behauptete Fähigkeit unter Beweis zu stellen, ist sie verzweifelt. Die Rettung ist ein plötzlich eintretender, grotesker Kobold, der ihre Aufgabe erledigt, was schließlich zur Vermählung der Müllerstochter mit dem König führt.

Doch es gibt kein Free Lunch, keinen Freifahrtschein ins Glück. Der Kobold fordert ein Jahr nach der Hochzeit den dereinst für die erbrachte Wunderleistung ihm versprochenen Lohn von der Königin: ihr erstgeborenes Kind. Er lässt sich nicht von den Tränen der Mutter erweichen. Er bietet ihr nur einen Ausweg: Sie muss seinen Namen nennen, dann darf sie ihr Kind behalten. Einem der daraufhin auf die Suche nach dem schicksalhaften Namen ausgesandten Boten gelingt es, das Geheimnis ausfindig zu machen. Er beobachtet den Unhold , als dieser tanzt und singt: „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“ Die Königin, überglücklich, nennt bei der nächsten Begegnung dem Kobold seinen Namen. Die Konfrontation mit dem richtigen Wort treibt ihn in die Verzweiflung. Er stampft wutschnaubend auf und reißt sich selbst entzwei.

Das Märchen, vieldeutig wie alle Erzählungen dieser Gattung, lässt sich lesen als Schrift an der Wand, als Hinweis auf die gegenwärtige Genderdiskussion. Genderideologen, wie einst Rumpelstilzchen, wollen nicht die Nennung der richtigen Begriffe, des richtigen „Namens“, für das, was wir als Realität bzw. Normalität erkennen. Sprache ist ihr Feind. Aber auch ihre Waffe.

Familie – die Umdeutung der Realität

Eines der vorrangigen Angriffspunkte genderorienterter Kampfbereitschaft ist die Vernichtung der traditionellen Familie. Schritt 1 ist dabei die Umdeutung der Semantik des Begriffs Familie. Denn, so die Argumentation, dieser Begriff sei untauglich zur Beschreibung neuer gesellschaftlicher Gegebenheiten. Familie bezeichne überholte Rollenvorstellungen einer Trias Mann-Frau-Kind, bzw. Vater-Mutter-Kind, aber nicht mehr das zeitgemäße Selbstverständnis neuer Formen variabler Lebensgemeinschaften. Dieses veraltete Bild von Familie an die Kinder weiterzugeben werde weder der gesellschaftlichen Realität gerecht, noch erfülle es die Forderung nach einer sogenannten Geschlechtergerechtigkeit. Die neue, zu postulierende Form des Zusammenlebens, sei allenfalls definiert durch das Füreinander-Sorgen. Dies stehe aber im Konflikt mit dem traditionellen Bild der Familie. Funktionsidentisch, so die Vertreter der woken Kultur, können Mann+Mann oder Frau+Frau oder Mann+Trans oder Frau+Trans oder Trans-+Trans für die Sorge des Kindes zuständig sein (nicht notwendig aus deren Verbindung hervorgehend)

Familie, so muss man wohl schließen, das ist neuerdings gleichsam die Summe, die sich aus den zufällig sich ergebenden Oberseiten mehrer hingeworfener Würfel ergibt. Zwangsläufig sind dann, aus Gendersicht, die beiden Erwachsenen der Lebensgemeinschaft nicht mehr Papa und Mama , sondern Elter1 und Elter2 (Warum man dennoch auf „ Elter“ zurückgreift? Könnte man nicht Sorgender/e/s*1 und Sorgender/e/s*2 dafür verwenden?)

Dle katholische Kita St.Hubertus machte gleich mit bei dem Spiel der Neudefinition von Familie. Sie ließ die Eltern wissen, dass man keine Geschenke mehr zum Vater- und Muttertag basteln lasse, denn das würde Kinder „ausschließen“, die das alte Familienmodell daheim nicht vorfinden. https://www.hallo-eltern.de/news/kita-bastelt-keine-geschenke-zum-muttertag/

Normalität des Andersseins“ – Papa und Mama war mal

Die Schule, so glauben immer noch hartnäckig Vorgestrige, sollte der Ort sein, wo Schüler Wissen, aber auch kritisches, wertebasiertes Bewusstsein vermittelt bekommen. Den Schwerpunkt auf Letzteres, weil weniger praktisch orientiert, legte traditionell das Gymnasium. Teil der gymnasialen Bildung war immer auch der reflektierte Umgang mit Sprache, was ihren Gebrauch und ihre Wirkung betrifft. Dies beinhaltet a u c h die Bewusstmachung von Manipulation und Indoktrination mittels Sprache.

Ein aktueller Anlass zur Vermittlung dieses kritischen Bewusstseins könnte es sein, wenn versucht wird, Schülern mit der Ideologie des Genderismus die Gewissheit vom eigenen, persönlichen Normalsein zu untergraben. Also: Wenn versucht wird, deren unterbewusste Wahrnehmung ihrer Eltern als einer eindeutigen, klar definierten Beziehung zwischen Mann und Frau fragwürdig erscheinen zu lassen. Die Zielvorgabe dieser Verunsicherung, wer wollte das nicht ahnen, heißt in der Konsequenz Auflösung des traditionellen Eltern- und Geschlechterbildes, und damit auch der traditionellen Vorstellung, was Familie ausmacht.

Die Schule hilft mit bei der Beseitigung des „Normalen“

Nachdem man sich die Augen gerieben hat, lese man ein zweites Mal eine Mitteilung des Bayerischen Kultusministers Prof. Piazolo und seiner pädagogischen Mannschaft im Kulturministerium zur Problematik traditioneller, binärer Geschlechteridentitäten. Das titelt sich so: https://www.km.bayern.de/lehrer/meldung/7914/comedy-show-thematisiert-die-normalitaet-des-andersseins.html : Comedy-Show thematisiert die Normalität des Andersseins. Als sympathischer Aushilfslehrer „Malte Anders“ ermöglicht der Kabarettist und Theaterpädagoge Timo Schweitzer Schülerinnen und Schülern ab der 8. Jahrgangsstufe einen humorvollen Einblick in das Thema Homosexualität und die Normalität des Andersseins.“

Stolz lässt der Letzverantwortliche für die Einführung dieses Programms, der Kultusminister, verkünden, das „erfolgreiche Kabarett-Programm „Homologie mit Malte Anders““ werde verlängert! Garantiert sind 90 Minuten „Humor“ und „persönliche Geschichten“ ( für € 640.- pro Show zzgl. Spesen).

Vermittelt werden, so liest man, „Toleranz, kulturelle Vielfalt und Gendersensibilität“ sowie „Hintergrundwissen über sexuelle Vielfalt“- alles Dinge, „die für junge Menschen im Zuge ihrer Identitätsfindung wichtig sind.“ Im Klartext heißt das: Vergesst, liebe Kinder, dass das, was Ihr bisher von der „normalen“ Einteilung der Menschen in Jungen und Mädchen, von Mann und Frau, von Papa und Mama und deren Beziehung als „normal“ angesehen und für selbstverständlich gehalten habt, keine Selbstverständlichkeit ist, sondern auch ganz anders gesehen werden kann.

Transgenderismus – Auswirkung auf Kinder und Heranwachsende

Prof. Frank Furedi, Professor für Soziologie an der University of Kent in Großbritannien, sieht in der Umtriebigkeit  der Gender-Ideologen ganz Anderes als den vorgetäuschten, angeblich humanen Kampf um mehr Gerechtigkeit gegenüber Frauen und sexuelle Minderheiten. Die Auswirkungen des Genderismus auf Heranwachsende wertet er als einen äußerst bedrohlichen Eingriff auf die Entwicklung künftiger Generationen.

(Die zentralen Aussagen sind hier in Thesenform, als Fließtext zur besseren Lesbarkeit wiedergegeben. Der deutsche Text ist meine sinngemäße Übersetzung)

Der Transgenderismus ist eine Gelegenheit zur Indoktrination junger Menschen, eine Chance, Kindern zu vermitteln, dass das Geschlecht eine individuelle Wahl ist und dass es keine biologische Rechtfertigung für geschlechtsspezifische Identitäten gibt. Er entfremdet Kinder von den Normen und Werten ihrer Gemeinschaft. Er stellt ihr eigenes Verständnis davon in Frage, was normal und was abnormal ist. Dies entwaffnet sie moralisch und führt dazu, dass sie sich über ihren Platz in ihrer Welt unsicher fühlen. Von frühester Kindheit an werden Kinder so von den kulturellen Traditionen, Normen und dem Erbe ihrer Gemeinschaften entfremdet. Das stürzt sie in eine Identitätskrise. https://www.spiked-online.com/2021/10/22/the-trans-assault-on-freedom/

Das sollte sich die Pädagogik hinter die Ohren schreiben, die glaubt, es verantworten zu können, dass das sichere Gefühl für „Normalität“ – unter dem Pseudovorwand der „Toleranz“ – in den Köpfen Heranwachsender gelöscht werden muss. Handelt es sich bei genauer Betrachtung der von Furedi beschriebenen, durch Transgenderismus bei Heranwachsenden verursachten Identitätskrise nicht um eine Variante von Missbrauch?