Ein wenig Virenkunde

Beim Thema Viren dürfte fast jeder an gefährliche Krankheiten denken. Oder an seine verblichene Festplatte mit den schönen Urlaubsfotos, die nun weg sind. Da in der Presse wie üblich keinerlei seriösen Informationen zu finden sind, ist ein wenig Aufklärung angesagt.

Viren sind bekanntlich sehr klein. So klein, dass man sie im Lichtmikroskop, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht sehen kann. Trotzdem haben die Biologen inzwischen gelernt, sie technisch zu nutzen, um Genmaterial von einem Organismus auf einen anderen zu übertragen. Wie üblich hat es lange gedauert, bis die Biologen begriffen haben, dass sie mit ihren Patenten für diese Nutzung gegenüber der Natur zu spät kommen: in diesem Fall um satte 3,5 Milliarden Jahre.

Viren sind nicht alleine lebensfähig, sondern bedürfen lebender Zellen für ihre Vermehrung. Im Prinzip bestehen sie aus einem Stück Erbmaterial in einer Proteinverpackung, wobei das Erbmaterial aus einem Bauplan für die nächste Generation und einem Stück variabler Nutzinformation besteht. Die Proteinverpackung ist so konstruiert, dass sie das Virus eine Weile lang infektionsfähig hält und gleichzeitig von lebenden Zellen, genauer deren Zellwänden, erkannt wird und dem Erbmaterial Zugang zur Zelle gewährt. Die Zelle will durch die Gewährung des Zugangs die Nutzinformation erhalten und produziert als Gegenleistung neue Virenpartikel. Auf diese Weise werden Gene verbreitet, auch zwischen verschiedenen Arten, da die Proteinverpackungen meist von vielen „Wirten“ akzeptiert werden. Ohne diesen permanenten Genaustausch sähe es vermutlich ziemlich dürftig in Sachen Evolution und funktionierender Biosysteme aus und die Biologen schätzen inzwischen, dass im Erdboden fast genauso viel Biomasse in Form von Viren unterwegs ist wie in Form von Bakterien. Viren sind für das Leben also essentiell notwendig und erst einmal keine Plage. Das gilt auch für Tiere und Menschen. Viren vermitteln eine ganze Menge Informationen zwischen Zellen und anderen Lebewesen, ohne dass uns das auffällt.

In sehr seltenen Fällen geht das schief: die Viren gelangen in eine Zelle, deren Steuersystem alles falsch versteht und sich statt der Auswertung der Nutzinformation auf die Produktion neuer Viren stürzt. Schließlich platzt die Zelle und setzt so viele Viren frei, dass das Immunsystem merkt „hier stimmt etwas nicht“. Als Reaktion werden Stoffe produziert, die die Andockzellen an den Zellwänden blockieren und so weitere Infektionen verhindern. Die Hochdruckproduktion der Antikörper empfinden wir als Fieber.

Diese Abwehrreaktion ist die einzig mögliche. Bakterien kann man bekämpfen, indem man die Bakterienzellen direkt angreift, Viren kann nur der Körper selbst bekämpfen. Die Medizin hat gelernt, dass man nicht infektiöse Virenbestandteile/Antikörper aus Organismen extrahieren kann, die zwar auch Probleme mit den Viren haben, aber die „Krankheit“ überwinden und nicht daran sterben. Die teilen nach dem Impfen dem Immunsystem auf freundliche Art mit, dass etwas nicht stimmt, so dass die Andockstellen blockiert werden, bevor die Viren tatsächlich da sind. Manchmal ist das Impfen daher auch mit Fieber verbunden.

Impfen lohnt sich aber nur, wenn die Todesrate hoch ist, d.h. die Viren bei einigen Patienten so viele Körperzellen zerstören, dass der stirbt. Ansonsten nimmt man besser das Fieber in Kauf und die Sache ist nach sieben Tagen, mit Medikamenten nach einer Woche erledigt. Medizinisch kann man den Körper bei einem Virenbefall derzeit nur stärken, auf dass er die Sache überlebt. Im Krankenhaus gibt dazu natürlich bessere Hilfsmittel als in der Obdachlosensuite im Pappkarton.

Die meisten Viren sind harmlos, aber es gibt eben auch solche, die, wenn auf dem Menschen übertragen, durchdrehen. Auf ihrem eigentlichen Wirt erfüllen sie die normale, vermutlich sogar nützliche Virenfunktion, beim Menschen raffte die Spanische Grippe vor 100 Jahren weltweit ca. 50 Mio Menschen dahin, wozu in Deutschland die weiterhin aufrecht erhaltene Hungerblockade der Briten nach dem Waffenstillstand nicht gerade positiv beitrug. In der Saison 2017/2018 gab es in Deutschland ca. 25.100 Grippetote, ohne dass das an die große Glocke gehängt wurde. Die Zahlen muss man relativ betrachten, da ohnehin schon geschwächte Personen besonders betroffen sind und die Grippe so manchem das Lebenslicht ausgeblasen hat, der ohnehin in den nächsten Monaten gestorben wäre. Auf 82 Mio Einwohner gerechnet ist die Todesrate noch recht klein.

An der Spitze steht Ebola mit einer Todesrate von 40-70% der Infizierten. Davon spricht allerdings kaum jemand, weil es im unwichtigen Afrika stattfindet. Die Weltöffentlichkeit dürfte auf Ebola frühestens dann aufmerksam werden, wenn der Nachschub an seltenen Erden für die Handys ausbleibt, weil zu viele Kindern in den Gruben krepiert sind, aber bis dahin …

Der aktuelle Hype ist das Corona-Virus in China, dass eine Toderate von (nur) 1-2% der Infizierten aufweist, dafür aber in einem wichtigen Industriegebiet grassiert. Gerechnet auf die Anzahl der Betroffenen kommen bei 1-2% aber schon eine Menge Tote zusammen.

Bei der Bekämpfung tritt zunächst das Problem auf, dass Impfmaterial nur in begrenzten Mengen mit Hilfe anderer Lebewesen gewonnen werden kann (bei Bakterien kann man die Medikamente in der Retorte in beliebigen Mengen produzieren) und die Produktion einige Monate dauern kann. Bei größeren unvorhergesehenen Ausbrüchen wie derzeit beim Corona-Virus ist daher in der ersten Phase eine Quarantäne der betroffenen Gebiete notwendig, was in China schon mal etliche Millionen Menschen umfassen kann. Wer dort lebt, kann nur hoffen, dass er sich nicht ansteckt, was bei Corona nicht so ganz einfach ist, weil die Proteinhülle vergleichsweise haltbar ist und lange Infektionszeiten erlaubt und die Inkubationszeit mehrere Wochen betragen kann, in der aber schon andere infiziert werden können. Wer angesteckt wird, muss hoffen, zu den 98-99% zu gehören, die mit normalen Grippesymptomen davon zu kommen, und hat anschließend Ruhe vor einer Neuinfektion. So oder so, die Krankheit läuft sich nach einiger Zeit tot und die irgendwann zur Verfügung stehenden Impfstoffe halten die Gefahr einer Epidemie danach klein.

Ein Problem ist die genetischen Variabilität der Viren. Das Erbmaterial kann aus DNA bestehen, die relativ stabil ist wie bei den Herpes-Viren, oder aus RNA wie bei Influenza, Corona oder Ebola, die nicht in den Zellkern vordringt und sich relativ schnell verändert. Einerseits ist das gut, weil eine Mutation den Virus zu einer harmlosen Variante modifiziert, die lediglich leichte Symptome auslöst (wie die meisten Grippe-Stämme), andererseits reagieren die nicht auf die Antikörper, so dass der Virenbestand insgesamt hoch bleibt und sich eine breite Dauerimmunität nicht entwickeln kann. Mutation geht auch rückwärts, und dann hat man ein neues Problem. Bei Grippe muss daher ca. 6 Monate vor der Saison ähnlich wie bei den Modedesignern abgeschätzt werden, welchen Impfstoff man produzieren soll, und wenn man sich vertan hat, kann das schief gehen. Coronaviren haben ähnliche Eigenschaften wie die Grippeviren.

Wie wird es somit abseits der medialen Hysterie weiter gehen? China wird die betroffenen Gebiete unter Quarantäne halten, andere Länder werden Infizierte, wenn man sie erkennt, unter Quarantäne stellen. Damit bestehen gute Chancen, dass sich die Krankheit in kurzer Zeit totläuft. Die Angelegenheit ist zwangsweise mit einer gewissen Nachrichtensperre verbunden, um unnötige Panik zu vermeiden. Was in den hyperventilierenden Qualitätsmedien als Beeinträchtigung der Pressefreiheit anprangert, ist mehr oder weniger normaler Bestandteil der WHO-Strategien, da Panikausbrüche erfahrungsgemäß meist mehr Schaden anrichten als das eigentliche Übel. Parallel wird man versuchen, die passenden Impfstoffe auf den Markt zu bringen, wobei die Vorgehensweise vom Influenza-Virus bestens bekannt und eingespielt ist. In ein paar Monaten ist die Sache ausgesessen und die Presse kann die nächste Ente, beispielsweise aufgrund der Erderwärmung schmelzenden Basalt in der Eiffel, durch die Köpfe treiben.