Was bedeutet „unter 10 μSv/a“?

von Dr. Lutz Niemann (zuerst erschienen: siehe unten)

Herr Ulrich Waas hat einen exzellenten Artikel geschrieben „Die Grünen sind Genies darin, das Volk über die Atomkraft zu täuschen“, der in der Berliner Zeitung am 23.8.2022 abgedruckt worden ist (https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/kernkraftwerke-robert-habeck-die-gruenen-sind-genies-darin-das-volk-ueber-die-atomkraft-zu-taeuschen-li.258958). Darin wurde auf den bei Rückbau von Kernkraftwerken und bei Endlagerung geltenden Strahlen-Grenzwert 10 μSv/a (= Mikrosievert pro Jahr) eingegangen. Die Unsinnigkeit des Grenzwertes von 10 µSv/a wurde erläutert, hier sollen noch weitere Argumente zugefügt werden.

  • Die Grenze von 10 µSv/a gilt im Bereich Rückbau und Endlagerung, es ist die über ein ganzes Jahr aufsummierte zusätzliche Bestrahlungsdosis. Das bedeutet bei Gleichverteilung über ein Jahr eine zusätzliche Ortsdosisleistung von 0,0011 µSv/h = 1 nSv/h, und das ist ganz grob etwa ein Hundertstel der Schwankungsbreite der überall auf der Erde vorhandenen Radioaktivität. Bestrahlungsdosen in diesem Bereich sind belanglos und auch nicht meßbar, sie werden in Rechenmodellen berechnet.
    Bei den Jahrestagungen Kerntechnik wurde wiederholt über den Unsinn der Bestimmung „unter 10 μSv/a“ diskutiert.
  • Es ist richtig, durch einen Transatlantikflug von FRA – JFK – FRA erhält jeder Reisende in den 15 Stunden des Fluges etwa 100 µSv, also das Zehnfache von 10 µSv (das können je nach Aktivität der Sonne auch 40% mehr oder 20% weniger sein). Die Ortsdosisleistung – also der Strahlenpegel – beträgt in Reiseflughöhe über Deutschland ca. 6 µSv/h, er ist etwa 100-fach höher als am Boden. Ein 100-fach erhöhter Strahlenpegel würde in Kernkraftwerken sämtliche Alarmglocken ertönen lassen, im Flugzeug ist er akzeptiert, man weiß aus Erfahrung daß er harmlos ist.
  • Das fliegende Personal der Lufthansa sammelt in einem Jahr eine zusätzliche Strahlendosis bis zu 10 000 µSv = 10 mSv an, also das 1000-fache von der Grenze 10 µSv/a (sehr abhängig von der Flugroute). Das geschieht ohne irgendwelche negativen gesundheitlichen Folgen.
    Es ist immer auch die Zeit, in der eine Dosis einwirkt, zu beachten. Zur Veranschaulichung erinnere ich an die Wirkung von einer Dosis Ethanol (Alkohol): Die Flasche Schnaps ist tödlich beim Konsum in der Zeit von wenigen Minuten, jedoch harmlos bei Verteilung über ein Jahr. Dieses Beispiel zeigt die Unsinnigkeit der im Strahlenschutz üblichen Aufsummierung kleinster Dosen über ein ganzes Jahr an.
  • Für medizinische Röntgenuntersuchungen sind die Bestrahlungsdosen folgender Tabelle zu entnehmen [1]:


  • Es werden in der Medizin Bestrahlungsdosen vom 1000-fachen der Grenze „10 μSv/a“ angewendet. Das geschieht innerhalb von Zeiten weniger Minuten, täglich zum Wohle von Millionen Patienten. Das ist ein weiteres Beispiel für die Unsinnigkeit der gesetzlichen Grenze von „unter 10 μSv/a“.
  • Erst bei Bestrahlungen zur Krebsbekämpfung kommt man in den Bereich, wo schwere Nebenwirkungen durch die Strahlung auftreten. Dort wird über einen Zeitraum von 6 Wochen an den 5 Tagen der Woche in der Regel täglich mit 2 Sv bestrahlt, in der Summe mit 60 Sv [2]. Es heißt dort: „Gesundes Gewebe kann subletale Schäden in den Bestrahlungspausen weitgehend reparieren, die Erholungszeiten bei malignen Zellen sind für vergleichbare Reparaturvorgänge häufig länger.“ Bei der Krebsbekämpfung geht es um das Weiterleben der Patienten, dort geht man bis an die Grenze der für gesundes Gewebe gerade noch erträglichen Bestrahlungsdosis.
    Der Abstand der Bestrahlungsdosen zur oben genannten Grenze „unter 10 μSv/a“ liegt ganz grob im Bereich Millionen, der Abstand bei der Dosisleistung im Bereich Milliarden. – Wo kann man bei diesen Abständen noch die Notwendigkeit zur Festlegung einer Grenze erkennen?
    Dem geneigten Leser sei empfohlen, auch bei Ethanolkonsum sich die Bedeutung des Abstandes von einem Millionstel der letalen Dosis klar zu machen.

Mit der Grenze 10 µSv/a wird eine Gefahr suggeriert, diese Gefahr gibt es jedoch nicht. Durch Schutzmaßnahmen vor einer nicht existierenden Gefahr werden Arbeitsplätze geschaffen, eine riesige Industrie lebt davon. So wird der unwissende Bürger in die Irre geführt, er muß unnütze Dinge bezahlen.

Inzwischen hat die Angstmache vor Strahlung Deutschland dazu gebracht, freiwillig aus seiner lebensnotwendigen Stromversorgung auszusteigen.

Endlagerung oder das „1-Millionen-Jahre“-Missverständnis

Das von der Politik erfundene Totschlagargument „1-Million-Jahre“ suggeriert ein unlösbares Problem mit der Endlagerung. Auch dazu einige zusätzliche Gedanken:

  • In der oberen 1 Meter dicken Erdschicht eines normalen Gartens von 500 m² Fläche sind 3 bis 5 kg Uran enthalten. Wenn man dieses Uran aus dem Garten zum Einsatz im Kernkraftwerk gewinnen könnte und im Schnellen Reaktor einsetzen würde, dann würde es ausreichen 30 bis 50 Personen ein ganzes Leben mit Strom zu versorgen.
    Dieses Beispiel zeigt die ungeheure Energiedichte im Uran an und damit die millionenfach höhere Bedeutung für die Stromversorgung im Vergleich mit den fossilen Brennstoffen Kohle, Gas, Öl.
  • Es gelangt Uran mit Nahrung und Getränken auch in unseren Körper, im Laufe des Lebens sammeln sich etwa 50 µg Uran an [3]. – Aber was bedeuten nun 50 µg Uran, ist das viel oder ist das wenig? Sind wir dadurch mit Uran vergiftet? 50 µg Uran sind eine verschwindend geringe Masse, aber es sind 100 000 000 000 000 000 Uranatome und das ist eine gigantisch große Zahl.
    Durch Zahlenspielereien dieser Art lässt sich beliebig Angst erzeugen. In Deutschland wurde die Methode zur Perfektion gebracht.
  • Aus dem ASSE-Bergwerk wurde durch die Förderung von Kalisalz (Kalium-40 ist radioaktiv) etwa genau so viel Radioaktivität heraus geholt, wie später durch Einlagerung von schwach aktiven Stoffen wieder hinein gebracht wurde (nach 100 Jahren sind die 250 g Pu-241 verschwunden, die heute noch den überwiegenden Teil der Aktivität darstellen).
    Mit dem Kalisalz wird auf unseren Äckern genau so viel Radioaktivität verteilt, wie es in der Tiefe des ASSE-Bergwerkes als Gefahr dargestellt wird.
  • Aus den schönen Rechenbeispielen von Herrn Ulrich Waas zum Urangehalt der Erdkruste folgt für das Deckgebirge oberhalb der ASSE: Die schwach radioaktiven Abfälle in der Tiefe werden durch ein Deckgebirge mit dem100-fachen an Radioaktivität geschützt. Das gilt sowohl in Bezug auf die Aktivität wie auch in Bezug auf die Masse [4].
    Warum sollen die Abfälle wieder an die Oberfläche geholt werden, wo sie doch durch die 100-fach höhere „Gefahr“ im Deckgebirge geschützt werden?
  • Vor großen Gefahren sollen Menschen geschützt werden, und das ist immer eine hohe Dosis in kurzer Zeit. Bei den Abfällen aus der Kernspaltung gibt es diese Gefahr kaum. Die Gefahr wurde durch unsinnige Grenzwerte suggeriert und später von der Politik für politische Ziele ausgenutzt. Die Spaltprodukte aus der vollständigen Stromversorgung eines Menschen durch Kernkraft aufsummiert für das gesamte Leben machen gerade einmal 100 Gramm aus. Das ist die Masse einer Tafel Schokolade, vor der Menschen problemlos geschützt werden können [5].

Die Kernspaltungsenergie ist eine der großartigsten Erfindungen der Menschheit. Überall wird sie benutzt, überall auf der Erde wird eingestiegen, nur in Deutschland wird ausgestiegen. Die Ursache für das Verhalten Deutschlands ist politischer Art, verstärkt durch ein wahres Trommelfeuer der Medien durch jahrzehntelange Falschinformation der Bürger zu nicht existierenden „Gefahren“ von Radioaktivität und Strahlung. Die Deutschen sollten sich besinnen und an klugen Nachbarvölkern ein Beispiel nehmen, z. B. an Rußland mit der Anwendung des Schnellen Reaktors, wie er in Deutschland in Kalkar fertig gestellt worden ist, aber nie in Betrieb ging.

Hinweise

[1] Strahlenschutzlexikon 2012

[2] Deutsches Ärzteblatt, Jg.110, Heft 17, 26.4.2013, Seite 720 ff

[3] P. Roth, E. Werner, H.G. Paretzke, “Untersuchungen zur Uranausscheidung im Urin”, GSF-Bericht 3/01

[4] StrahlenschutzPRAXIS 1/2010 S. 98.

[5] https://eike-klima-energie.eu/2019/10/14/kernenergie-der-weg-in-die-zukunft/