Wasserstoff-Technologie

Wenn Schlupp vom grünen Stern mal wieder vorbei schaut

und sich die Nachrichtenübersicht anschaut, könnte er auf die Idee kommen, dass der Irre von Hanau möglicherweise der einzige halbwegs Normale in der Republik war. Während sich die E-Mobilität mit letzten Zuckungen wie der geplanten Tesla-Fabrik in Brandenburg klammheimlich aus den Medien verabschiedet, steht plötzlich alles und jeder auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Selbst ein Stahlproduzent hat verlauten lassen, dass er in Zukunft auf Wasserstoff setzen will.

Wasserstoff hat den dummen Nachteil, dass die nächsten natürlichen Vorkommen elementaren Wasserstoffs ca. 150 Mio km entfernt sind. Sowohl diese Entfernung als auch die dort herrschenden Temperaturen von ca. 5.500°C dürften selbst russische Röhrenfabrikanten überfordern, zumal die schweizerischen Weltraumpipelineverlegeschiffe wieder von den USA blockiert werden dürften. Bleibt also nur, das Zeug hier zu produzieren.

Dazu gibt es sogar verschiedene Möglichkeiten. Stecken wir die Rahmenbedingungen aber erst einmal ab. Wasserstofftechnologie wird in allen möglichen Bereichen angedacht, um „fossile“ Brennstoffe auszumustern (Atomenergie ist schon vorher ausgemustert), also Kohle, Öl und Gas. Dabei geht es einmal um Kohlendioxidvermeidung, im Volksmund auch CO2 genannt, zum anderen aber auch um „Ressourcenschonung“. Man könnte trotzdem an den passenden Stellen Kohle, Öl oder Gas einsetzen, wenn man die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) einsetzt, also CO2 auffängt und irgendwo verbuddelt. CCS erfordert ca. 25% der Primärenergie, ist also nicht besonders ressourcenschonend. Pro 3 vorhandenen Kohlekraftwerke müsste man ein viertes bauen, um die Energie dafür bereit zu stellen. Nach anfänglicher Euphorie ist CCS inzwischen mehr oder weniger beerdigt, zumal man bei den meisten vorgeschlagenen Senken auch nicht wüsste, was man damit u.U. anrichtet. Also bleibt als Energiequelle für die Wasserstofferzeugung nur EE-Strom übrig, bei dem anscheinend aber schon bei der E-Mobilität schon gewisse Probleme eingesehen worden sind. Macht aber nix! Wenn die eine Methode nicht klappt, heißt das ja nicht, dass eine andere Methode klappen muss.

Wasserstoff wird vorzugsweise aus Erdgas oder Kohle und Wasser oder Erdgas und Sauerstoff erzeugt. Das ist doof, denn dabei entsteht CO2. Der Wirkungsgrad bei der Formierung liegt bei etwa 60%, so dass nach Abzug der bereits erledigten CCS-Technologie ein Wirkungsgrad von ca. 45% übrig bleibt. Aber man könnte die Produktion ja den Niederländern überlassen. Dann verdienen die noch mehr Geld an uns und wir haben kein CO2 in der Bilanz, dafür aber immer noch zu wenig EE-Strom.

Eine andere Option ist die Zersetzung von Erdgas mit einem durch (nicht vorhandenen) EE-Strom erzeugten Lichtbogen. Dabei entsteht Wasserstoffgas, Wärme und elementarer Kohlenstoff mit einem Wirkungsgrad von bis zu 90%. Allerdings gemogelten 90%. Wenn man die Wärme, die vermutlich nur teilweise nutzbar wäre (ca. 10% der Gesamtenergie) und den Kohlenstoff, den man wiederum irgendwo verbuddeln muss, um nicht wieder beim CO2 zu landen, liegt der Wirkungsgrad wiederum unter 50%. Das wäre diesmal CO2-neutral, aber es muss elektrische Energie aufgebracht werden. Und die muss man erst einmal haben.

Eine dritte Option ist die Elektrolyse von Wasser, die mit einem Wirkungsgrad von ca. 70-80% machbar ist. Das wäre, da weitere Nebenprodukte fehlen, der günstigste Weg, weil CO2-neutral und ressourcenschonend. Bis dahin haben sogar die Wasserstoffeuphoriker gedacht: wir machen aus (weiterhin nicht vorhandenem) überschüssigen EE-Strom Wasserstoffgas.

Auch wenn die Rechnung der Experten üblicherweise an der Stelle aufhört, sind wir aber noch nicht fertig. Wasserstoff ist ein ziemlich übles Zeug, das man aufgrund seines Siedepunktes von -252°C nur schwer handhaben kann. Bei der Verflüssigung und dem Transport ist mit Verlusten von 40% oder mehr zu rechnen, zuzüglich einem weiteren Verlust durch Abdampfen bei längerer Speicherung von ca. 3%/Tag. Damit liegen wir auch hier wieder bei einem Wirkungsgrad von ~45%. Das ist auch nicht so prickelnd.

Speicherung in Druckgasflaschen mit 200-300 bar wäre auch möglich. Die Verluste liegen dann bei 10%, d.h. es bleibt ein Wirkungsgrad von etwa 65%. Allerdings ist auf diese Weise nur relativ wenig Gas speicherbar, was sich nur für bestimmte Anwendungen eignet, zudem sind Druckflaschen bei dem Druck eine Gefahrenquelle. Selbst die Experten wollen sich mit der Methode nicht so richtig anfreunden.

Technisch interessanter für die Endanwender ist die vorübergehende chemische Speicherung in ungesättigten Kohlenwasserstoffen. Pro ungesättigter Bindung wird ein Wasserstoffmolekül gebunden, was nicht besonders viel ist. Nehmen wir Benzol als Beispiel (die chemische Struktur von Benzol ist in vielen Kandidaten vorhanden, selbst ist es aber keiner), so lassen sich pro 78 g Benzol 6 g Wasserstoff speichern. Dazu muss die Flüssigkeit zur Aufnahme von Wasserstoff unter Druck auf ca. 150°C aufgeheizt werden, zur Abgabe auf ca. 300°C. Je nachdem, wie technisch raffiniert man es anstellt, lässt sich der Verlust vermutlich in Grenzen halten, allerdings schweigen die Quellen in der Regel. Nehmen wir mal an, das liegt in der Mitte zwischen den anderen Werten, kommen wir auf einen Wirkungsgrad von etwa 55%.

Nehmen wir den letzten Wert als Messmarke beispielsweise für den Einsatz in einer H-Mobilität. Bei der Umsetzung in mechanische Energie können wir von den üblichen Werte ausgehen, also im Mittel 50%. Pro kWh mechanischer Energie sind dann ca. 4 kWh EE-Strom aufzubringen und schon fährt das Auto. Beim Einsatz in anderen technischen Bereichen geht man besser von Flüssiggas aus und rechnet daraus noch mal den Wirkungsgrad der Wasserstoffnutzung ab. Das wäre der Rahmen an notwendiger EE-Stromerzeugung, wenn bislang nicht mit Strom betriebene Wirtschaftsbereich nunmehr mit Wasserstoff aus EE-Strom betrieben werden sollen.

Ein erster Einsatzbereich der Wasserstoff-Technik wäre aber die Abfederung der Volatilität des EE-Stroms: in Mangelperioden würde Wassrstoff mit einem Wirkungsgrad von ca. 60% durch Verbrennen in einem Wasserstoffgaskraftwerk in elektrischen Strom umzuwandeln. Nach unserer Rechnung müssen dann in den Überschussperioden > 3,7 kWh Überschuss / kWh in Mangelzeiten produziert werden. Wenn man sich die Einspeisekurven anschaut (http://www.mensch-natur-bw.de/index_30.htm), stellt man unschwer fest: selbst wenn man die eingespeiste EE mit dem Faktor 3 multipliziert – das wäre das Ausbauziel von 100.000 Windkraftanlagen oder alle 1,5 km eine – liegt das Verhältnis von Mangel- zu Überschusszeiten bei 1:1. Selbst wenn man das Land mit EE kaputt bauen könnte, weil es keinen Widerstand mehr gibt: es funktioniert irgendwie nicht.

Schlupp dürfte wohl nach 15 Minuten ebenfalls bei dieser Überschlagsrechnung angekommen sein, die nun – 15 Minuten sind nicht gerade viel – nicht unbedingt exakt sein muss. Man kann sich natürlich um ein paar Prozente irgendwo verrechnen. Aber auch bei einer fehlerhaften Rechnung liegt man wohl kaum in einer Größenordnung daneben, in der das Ziel derart von den Möglichkeiten abweicht. Wie man es auch dreht und wendet, die offiziellen Ziele sind mal wieder nicht sauber durchgerechnet und funktionieren im Ganzen gesehen nicht. Und wie üblich interessiert das niemanden.