Aufgabe der analytischen Chemie ist, Stoffe in allen möglichen Umgebungen nachzuweisen und deren Konzentration zu messen. Hat sie die Aufgabe erledigt, kann sich die Medizin darum kümmern, ob und ab welchen Konzentrationen und Expositionszeiten die Stoffe negativ für die Gesundheit sind.
Die Aufgabe der Medizin ist recht einfach beschreibbar. Wenn feststeht, wie lang die Expositionszeiten sind, kann sie Versuchstiere oder freiwillige Probanden steigenden Konzentrationen des Stoffs aussetzen und messen, ab wann Abweichungen zum Normalverhalten festzustellen sind. In der Regel legt man dann fest, dass die maximale normale Konzentration (MAK-Wert), der der Mensch ausgesetzt werden darf, etwa bei 1/4 dessen liegt, was erste Reaktionen hervorruft. Ergänzend werden Langzeitbeobachtungen durchgeführt, indem immer die gleichen (!) Probanden in regelmäßigen Abständen untersucht und mit einer nicht exponierten Vergleichsgruppe verglichen werden. Werden dadurch doch irgendwelche Gesundheitsnachteile sichtbar, wird der maximal Grenzwert herabgesetzt.
Nun ist der Mensch ein Produkt der Umwelt und war daher schon immer unterschiedlichen Konzentrationen verschiedener Stoffe ausgesetzt. Folglich hat die Natur auch dafür gesorgt, dass er einiges verträgt. Die meisten unbrauchbaren Stoffe werden daher schnell wieder ausgeschieden: in den Körper Eingedrungenes wird, falls es nicht verdaut wird, durch die Nieren wieder ausgeschieden, anderes wandert durch den Darm wie durch einen Durchlauferhitzer oder wird vom Atemsystem in Mund und Nase transportiert und dort entsorgt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (meist Stoffe wie Asbeststäube aus Schleifvorgängen oder Schwermetalle, die i.d.R. in der Natur nicht, sondern erst im Gefolge menschlicher Aktivitäten auftreten) sind tolerierbare Grenzen recht hoch, womit die Sache eigentlich erledigt sein sollte. Eigentlich …
Die Nachweismethoden entwickeln sich natürlich ebenfalls weiter. Sie werden empfindlicher, noch kleinere Konzentrationen können verlässlich gemessen werden, sie werden schneller, kostengünstiger und automatisierbar. Während der Mediziner sich zurück lehnt und meint, seine Sache zur Zufriedenheit aller erledigt zu haben, lernt der Chemiker bereits im Grundkurs „analytische Chemie“:
Die maximal zulässige Konzentration eines Stoffes hat nichts mit der medizinischen Wirkung zu tun, sondern wird ausschließlich durch die analytische Nachweisgrenze definiert.
Ist also die maximal zulässige Konzentration aus medizinischer Sicht 1 mg/l Irgendwas und liegt die Chemie bei einem sicheren quantitativen Nachweis von 0,2 mg/l, ist die Welt voll in Ordnung, kommt aber irgendein findiger Chemiker auf ein neues Verfahren, das den quantitativen Nachweis bei vertretbarem Aufwand auf 0,02 mg/l verbessert, ist – Schwupps – die maximal zulässige Konzentration nach einiger Zeit in der Größenordnung von 0,1 mg/l zu finden, ohne dass die Mediziner noch mal gefragt werden. Wenn dann noch ein Statistiker eine Möglichkeit findet, unter Verletzung sämtlicher Messprinzipien der Mediziner und sehr freizügiger Auslegung der statistischen Rahmenbedingungen eine Wirkung unter 1 mg/l herbei zu zaubern, sind die Mediziner sogar die unwissenschaftlichen Blödmänner, wenn sie auf ihren Daten bestehen.
Markante Beispiele für diese Vorgehensweise sind die Grenzwerte für Stickoxide in der Luft, Nitrate im Grundwasser und Feinstäube in der Luft:
- Stickoxidgrenzwerte auf der Straße wurden munter mit halbwegs verfügbaren Messgeräten (auch notwendig: eine Messung, die 3 Tage dauert, ist zu teuer und kann schlecht aus Dauermessung installiert werden) immer weiter nach unten gesetzt, obwohl die Messungen als solche alles andere als zuverlässig sind, wie die Chemiker wissen. Da die Messung in Innenräumen technisch zu aufwändig ist, sind dort vielfach höhere Konzentrationen nicht schädlich, die auf der Straße auch nur deshalb schädlich sind, weil Statistiker die Sterbestatistik von Personen in Berlin, Budapest, Shanghai, Kapstadt und ein paar anderen Städten als Momentanwerte und ohne Berücksichtigung anderer Faktoren miteinander verglichen haben.
- Für Nitrate im Grundwasser wurden im Laufe der Zeit Messstellen, die gute Werte liefern, ausgemustert, bis nur noch Messstellen mit hohen Werten übrig blieben. Deren Daten wurden dann auch unabhängig davon, ob das Nitrat wirklich aus Düngevorgängen stammt oder nicht, wieder auf das Gesamtgebiet hochgerechnet.
- Bei Feinstäuben verhält es sich ähnlich wie mit den Stickoxiden, wobei hier noch nicht mal der Chemiker konsultiert wird, um was für Stäube es sich handelt. Der könnte das zwar genauer untersuchen, aber dann wäre das Verfahren wieder aufwändig, genau und würde die gewünschten Daten nicht liefern. So sind dann Feinstaubkonzentrationen am Straßenrand absolut tödlich, während der Hausstaub in der Wohnung, Pollen in der Luft oder Stäube von trockenen Äckern einige Zehnerpotenzen darüber liegen, ohne dass sich jemand darum kümmert.
Ähnlich wie Nitrat verhält es sich mit der Strahlenexposition. Der Vergleichs- und Standardwert wird in Gegenden gemessen, in denen die natürliche Strahlen möglichst gering ist. Bereits leichte Überschreitungen führen zu Panik, wobei die Panikmacher aber tunlichst verschweigen, dass die natürliche Exposition in Erzbergbaugebieten oft um ein Vielfaches höher ist als die Panikexposition, ohne dass die Bevölkerung nur noch aus Personen mit 7 Fingern/Hand und zwei Köpfen besteht. Auch bei Langstreckenflügen, die stets ziemlich hoch oben stattfinden, ist die Strahlenexposition oft so hoch, dass Dauerflieger wie Außenminister und Piloten eigentlich, würde die Panik stimmen, nach kurzer Zeit an der Strahlenkrankheit sterben müssten. Tun sie nicht, denn auch Strahlung gehört zur normalen Umwelt und die Natur hat entsprechende Reparaturmechanismen vorgesehen, sollte mal was passieren. Auch hier wird mit Statistik betrogen: kommt es im Mittel zu 2 Missbildungen / 100.000 Neugeborenen, warteten Greenpiss und andere schon mit Meldungen wie „Missbildungsrate in der Nähe des KKW … um 50% erhöht!“ auf, weil sich dort statt der 2 Missbildungen 3 fanden. Das ist aber normale statistische Variation und kein systematischer Gefährlichkeitsnachweis.
„An Grenzwerte muss man sich eben halten! Punkt!“ hört man meist, wenn man solche Themen anspricht, denn Denkfaulheit und Panik sind halt einfacher. Auch das Argument „dann muss man das halt genauer untersuchen“ ist nicht selten zu hören. Nee, Leute. An Grenzwerte sollte man sich zwar halten, zumindest so lange man strafzahlungsmäßig erwischt werden kann, trotzdem sollte man sich vergewissern, dass die Festlegung der Grenzwerte wissenschaftlichen und nicht meinungsschaftlichen Prinzipien gefolgt ist, und ggf. etwas gegen den Unfug unternehmen. Wenn hoch bezahlte CEO von Automobilkonzernen zu blöd sind, sich darum zu kümmern, müssen das eben andere tun.