Martin Luther und die Reformation

Jubeljahr 2017. 500 Jahre seit 1517 (so weit reichen die Mathekenntnisse bei den meisten noch), dem Jahr, als Dr. (so viel Zeit muss sein) Martin Luther seine 95 Thesen an ein Kirchentor nagelte. Festreden und Schwärmerei über Festreden und Schwärmerei, und mich macht das ganze aktuelle Gesülze, das Wesentliches verschweigt, zunehmend wütend.

Luther war ja nun nicht der erste Reformer, wenn man sie überhaupt so nennen darf. Da war beispielsweise Johannes Hus, den man unter Brechen sämtlicher heiliger Schwüre (heilig ist in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiges Wort) hingerichtet sprich möglicht bestialisch lebendig verbrannt hat. Auch Luther drohte diese Abrechnung des Establishments mit den gleichen ethischen Trickes – freies Geleit etc etc, wobei man das Holz schon aufschichtete – als ihn sein Landesherr kurzerhand entführen und in Sicherheit bringen ließ. Warum?

Luther wandte sich gegen den Ablasshandel und den Papismus und traf damit den Nerv vieler Landesfürsten. Immer größere Geldmengen, denen die Landesherren für das Führen ihrer ständigen Kriege ebenso nötig bedurften, flossen in Richtung katholischer Klerus und Papst ab. Das irgendwie zu bekämpfen war schwierig. Zu schnell war die Kirche mit einem Bann dabei, meist verbunden damit, den nächsten Nachbarn als neuen Herzog anzuerkennen, der in den seltensten Fällen zögerte, das Land mit Krieg zu überziehen und sich seinen neues Territorium einzuverleiben. Jemand wie Luther kam da gerade Recht: ein geachteter Kirchenmann, der mit der Religion im Rücken sagen konnte „Scheiß auf den Papst! In deinem Land hast du selbst das Sagen!“.

Und da haben wir den eigentlichen Grund für die Reformation. Vom Herzogtum Sachsen nordwärts bis zu den schwedischen Königen begriffen die Landesherren schnell, dass eine eigene Hoheit über kirchliche Angelegenheiten sehr viel mehr Gewinn brachte als die Vergabe einer Herzogwürde des fernen Papstes in Rom über ein Land, das er weder besaß noch kontrollierte. Der Glaube hat nichts damit zu tun.

Nun wird im Zusammenhang mit Luther auch immer von Toleranz und Freiheit gesprochen. Blödsinn! Dazu war Luther einerseits viel zu katholisch, andererseits viel zu abhängig von den Fürsten. Zur Beginn seiner Reformatorkarriere waren Bauernaufstände groß in Mode. Die wandten sich gegen ähnliche Missstände wie die, die Luther kritisierte: die ständige Bedrückung und Ausplünderung vorzugsweise durch die katholische Kirche, aber auch den kleineren Adel, aber in der Regel nicht gegen die Landesfürsten und auch nicht den Papst. Reformen wären sicher möglich gewesen, und die Bauern sahen in Luther sogar ihren Verbündeten auf diesem Weg. Böser Fehler! Luther ließ eine Reihe von Schriften vom Stapel, die dem Adel das Recht zusprachen, die Bauern mit allen Mitteln, also auch Betrug, nieder zu hauen (ja, nieder zu hauen, oder sie höchst christlich einfach in Massen zu töten). Auch hier kam bereits eine der Lieblingsvokabeln der Herrn Luther, der die deutsche Sprache maßgeblich geprägt hat, zum Einsatz: Bauersau oder auch Sau in jeder möglichen Variante, und die galt es eben, abzustechen. Entsprechend wurde verfahren, und Luther ist so höchstpersönlich dafür verantwortlich, dass Leibeigentum usw. noch einige Jahrhunderte länger in Betrieb blieben.

Toleranz und Glaubensfreiheit war bei Luther auch nur so lange angesagt, wie Toleranz ihm gegenüber gefordert wurde. War er irgendwo fest im Sattel, was Schluss mit Toleranz und Freiheit. Wem der vorgeschriebene Glaube nicht passte, musste das Land verlassen, wurde später auch unter Verlust seiner Habe einfach ausgewiesen. Auch das wurde von Luther so vertreten und war ja auch im Sinne der Fürsten, die die Papisten nur so endgültig loswerden konnten.

Aber nicht nur das! Neben Luther gab es ja auch noch andere Reformatoren. Als Beispiel nehmen wir Zwingli aus Zürich. In über 50 Punkten waren beide einig, in zwei Punkten, gewisse „Glaubensdetails“ betreffend, aber nicht – grundsätzlich nicht. Das hätte ja die eigene Reputation geschwächt. Zwingli war gewissermaßen noch authoritärer als Luther und setzte in Zürich, Bern, Schaffhausen und weiteren Städten bereits ein Terrorregime durch, das dem der Katholiken in nichts nachstand. Und natürlich trafen Lutheraner und Zwingianer aufeinander und nahmen bereits die üblichen Handlungsweisen der linken Gruppierungen vorweg: man schlug untereinander, obwohl verwandt, schlimmer aufeinander ein als auf den eigentlichen Gegner, die Katholiken. Lutheraner masskrierten Zwinglianer, Zwingliander wiederum Lutheraner, und das Ganze endete, ober besser pausierte schließlich damit, dass die Lutheraner Zwingli auf einem seiner Feldzüge gefangen nahmen, ihn folterten und verbrannten, wobei man, um besonders gründlich zu sein, einen Haufen Schweinescheiße gleich mit verbrannte, und die Asche schließlich in den nächsten Fluß warf. Luther fand das nicht unchristlich, und das war es ja auch nicht.

In Sachen Frau war Luther der typische Katholik, waren ja schon die ersten Heiligen und Kirchenlehrer überzeugt, die Frau sein „ein missratenes Männchen“, „kein richtiger Mensch“ usw usw. Auch er wetterte unentwegt gegen Frauen, hatte aber das Glück, dass seine eigene ziemlich geschäftstüchtig war und den Laden besser am Laufen hielt, als er das hinbekommen hätte. Obwohl er also mit seiner eigenen ganz gut auskam (es heißt auch, sie hätte im Grunde die Hosen angehabt und er wäre der Pantoffelheld gewesen), war sein Haß auf Frauen gepaart mit einer kaum zu glaubenden Abergläubigkeit deutlich krankhaft. Überall sah Luther Hexen, die für alles mögliche verantwortlich waren: schlechtes Wetter, Missernte, Schwierigkeiten bei Tiergeburten, ein Kater nach zu viel Saufen usw.  Ein besonderer Dorn im Auge waren ihm anscheinend Hebammen, wobei man vermutet, dass es hierbei um frauenspezifisches Wissen wie Empfängnisverhütung und ähnliches ging, das Männern damals noch verwehrt war. Empfängnisverhütung in einer Zeit, in der nichts so dringend wie Kanonenfutter gebraucht wurde, war natürlich nicht angesagt, und Leute, die etwas wussten, was Luther nicht besser wusste, das ging schon gar nicht.

Ob Luther den Hexenhammer kannte, ist nicht verbürgt, aber sein vorgeschriebener Umgang mit Hexen könnte dort abgeschrieben sein. Verdacht genügt, und man verbrannte die Hexe, nachdem sie eine Hexenprobe nicht bestanden hatte, was so viel heißt, dass sie nach der Probe tatsächlich noch lebte. Zu einer Zeit, als bei den Katholiken dieses Unwesen bereits wieder zurück ging, blühte das Hexenbrennen unter dem ach so christlichen Luther wieder auf, und die letzten Hexenverbrennungen im 19. Jahrhundert fanden nicht bei den Katholiken statt, sondern unter den „fortschrittlichen“ Reformierten.

Ähnlich auch sein Umgang mit Juden: anfangs noch als Judenbeschützer auftretend wandelte er sich zum schlimmsten Feind, um das Wort Alptraum zu vermeiden, der Juden, jenen „Säuen“, um mal wieder an die Bereicherung der deutschen Sprachen zu erinnern, die man verteiben, unterdrücken usw. solle. Wenn man nach Quellen für Hitlers Judenhass sucht, darf man sich außer bei Pius IX. (natürlich selig gesprochen) auch bei Luthers Nachfahren wie Hofprediger Stöcker umsehen, der sich natürlich auf das Original beziehen konnte. Allerdings zogen die Landesfürsten, die das Hexenbrennen vermutlich unter „notwendige Volksbelustigung“ verbuchten, beim „Judenbrennen“ nicht mit, da das nicht gerade den wirtschaftlichen Interessen entsprach. Lieber ließ man sie gewähren und schröpfte sie ab und zu (auch das eine alte christliche Tradition; Morde an Juden fanden seit dem Mittelalter in der Regel nur dort statt, wo die Landesherren die Kontrolle verloren).

Da haben wir den Luther im Ganzen. Wäre er Katholik, hätte er mit seiner Vita durchaus das Potential, Heiliger oder gar Kirchenlehrer zu werden, denn Mordbübeleien gehören bei allen Heiligen zu Geschäft. Religionskriege, den 30 jährigen Krieg als übelster Exponent an der Spitze, Imperialismus, der besonders durch die Briten betriebene Sklavenhandel und die fast vollständige Ausrottung der Ureinwohner Nordamerikas (in Südamerika haben sich die Katholiken betätigt, die, zählt man die Toten, die „Challenge“ sicherlich gewonnen haben), die Erfindung des Zeichens  $  für Gott – alles das sind keine Ausrutscher der Geschichte, alles das geht ursprünglich auf Luther und seine Reformatorenkollegen zurück. Das komplette Gedankengut und die Rechtfertigung für viele Verbrechen an der Menschheit sind bei ihnen angelegt. Und noch heute berufen sich die Politiker auf dieses „Christentum“, wenn sie anderen Leuten oder einander Bomben oder Schlimmeres an den Kopf werfen, immer unterstützt von Pfaffen, die die Waffen segnen oder zweifelnde Soldaten wieder auf den Weg des organisierten Mordens zurück bringen. Das dumme Volk wird parallel durch Sammlungen für mildtätige Zwecke unter herzzereißendem Gejammer über die selbst mit verursachten humanitären Katastrophen weiter verdummt.

Vergleicht man die historische Analyse, die glücklicherweise heute möglich ist (vor einiger Zeit hätte man auf dem Scheiterhaufe geendet, in ein paar Jahren endet man vielleicht unter dem Schwert eines Moslems, wenn es so weiter geht), mit dem, was einem in den Medien vorgesäuselt wird, bekommt man richtig Lust, extrem lange zu leben und im Jahr 2433 eine weitere mögliche 500-Jahr-Feier mitzuerleben. Ob die Bösewichte dann wohl immer noch Bösewichte sind?