Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD. Nun, das ist weiter kein Geheimnis, denn die Beobachtung aller möglicher Gruppierungen, darunter auch alle Parteien in den Parlamenten, ist seine Aufgabe.
Beobachtung heißt konkret, es werden passiv Daten gesammelt und zu Dossiers zusammen gestellt. Passiv sammeln bedeutet wiederum, dass öffentlich zugängliche Informationen sowie solche, die ohne Auftrag zugetragen werden, gesammelt werden. Der Verfassungsschutz darf aber nicht aktiv Daten sammeln, d.h. irgendwo einbrechen oder durch eingeschleuste V-Leute sonstige Manipulationen durchführen. Das darf er erst, wenn die Gruppierung zum Verdachtsfall wird.
Beobachtet wird erst einmal geheim, um weder die Bürger zu beunruhigen noch Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen. Beobachtungsdossiers sind daher interne Verschlusssache, auf die noch nicht einmal die Parlamentarier Zugriff haben, und zwar aus gutem Grund, wie sich jeder denken kann. Wenn bekannt gemacht wird, dass der Verfassungsschutz jemanden beobachtet, ist das eine Trivialität und eine Propaganda-Maßnahme, um den meist in den Details nicht bewanderten Bürger zu täuschen. Es geht also nicht darum, die Verfassungstreue von jemandem in Zweifel zu ziehen, sondern ihn grundsätzlich zu diskreditieren.
Wird so ein Dossier veröffentlicht, ist das eindeutig Geheimnisverrat. Das Beobachtungsgutachten über die AfD, das hier als PDF zu lesen ist, 1) ist also das Ergebnis einer kriminellen Handlung nach §353 StGB, die mit Gefängnis zu bestrafen ist.
Die Umstände des Geheimnisverrats sind dubios. Das Dokument wurde an die Presse durchgestochen, wobei anscheinend jedes kleine Käseblättchen darauf zurückgreifen und Kommentare dazu schreiben konnte. Insgesamt veröffentlicht hat es zunächst niemand, da aus dem Zusammenhang gerissene Kommentierungen beim Erreichen des politischen Ziels, die Gruppierung zu diskreditieren natürlich wesentlich besser sind als eine Komplettdokumentation, die jeder nachlesen kann. Entsprechend waren auch die Kommentare.
Folgen hat der Geheimnisverrat bislang offenbar nicht. Es wurde niemand öffentlich zur Rede gestellt. Ob amtsintern irgendetwas läuft, ist nicht bekannt, aber vermutlich eher nicht. Dazu muss man noch mal in §353 StGB schauen. Da steht „Die Tat wird nur mit Ermächtigung … vom Präsidenten des Gesetzgebungsorgans [verfolgt]„. Konkret: wenn der Präsident selbst der Verräter ist, passiert nichts. Deshalb ist der alte Präsident Maaßen auch relativ glimpflich davon gekommen, als er eine Rede mit „… linksextremen Kräften in der SPD …“ durchstach. Was im Übrigen zeigt, dass auch die Regierungspartei SPD unter Beobachtung steht und möglicherweise zumindest in Teilen kurz davor war, zum Verdachtsfall zu werden.
Maaßen wurde von der SPD wegen dieser Äußerungen sowie seiner Weigerung, gegen die AfD eine Propaganda-Aktion loszutreten, aus dem Amt entfernt. O-Ton SPD-Vize Stegner: „Dazu musste der unselige Maaßen gehen.„. Sodann berief man einen willigeren Präsidenten (zwar auch aus der CDU), der die Wünsche prompt in Szene setzte und mit ziemlicher Sicherheit die Durchgabe des internen Papiers an die Presse veranlasste. Inwieweit das Dossier noch mit dem übereinstimmt, das zu Maaßens Zeiten erarbeitet wurde, wird Maaßen als korrekter Beamter nicht sagen, aber vermutlich wurden noch eine Reihe Passagen eingeführt, um zumindest Teile der AfD auf die Schnelle zu Verdachtsfällen hoch zu stufen.
Der eigenartige Ablauf geht aber weiter: mit Bekanntwerden in den Redaktionen war das Dokument öffentlich. Es besteht damit rechtlich gar keine Handhabe, die Herausgabe eines bereits öffentlichen Dokuments aus öffentlich-rechtlicher Quelle an die AfD zu verweigern, wie erfolgt. Selbst den Parlamentariern sollten nur Auszüge zur Kenntnis gebracht werden, was nur Sinn im normalen Verfahren macht, d.h. das Dokument ist geheim und nicht öffentlich. Im Grunde ein weiterer Propaganda-Trick, um die AfD zu verunsichern.
Das kann natürlich nur so lange gut gehen, bis eine Redaktion beschließt, das Dokument zu veröffentlichen. Journalisten sind nicht an die Geheimniswahrung gebunden, es sei denn, sie werden vor der Kenntnisnahme zur Geheimhaltung verpflichtet. Bei der Verbreitung, die das Dokument anscheinend gefunden hat, kann man aber davon wohl nicht ausgehen. Die Redaktion von „netzpolitik.org“ hat sich zur Veröffentlichung entschlossen. Als Reaktion hieß es irgendwo, es werden „strafrechtliche Konsequenzen“ geprüft, was aber wiederum ziemlicher Blödsinn ist.
Eine Veröffentlichung darf nur dann nicht erfolgen, wenn Urheberrechte im Weg stehen (was bei staatlichen Dokumenten nicht der Fall ist), Geheimhaltungspflichten bestehen (siehe vor), Persönlichkeitsrechte einzelner Individuen betroffen sind (das trifft auf eine komplette Partei nicht zu) oder Volksverhetzung betrieben wird (das wäre interessant, denn dann hätte der Verfassungsschutzpräsident das Dokument zum Zwecke der Volksverhetzung durchgestochen). Die Drohung „strafrechtliche Konsequenz“ geht wohl nach hinten los, denn sie belegt, dass es sich bei der Aktion um eine Propaganda-Maßnahme handelt, die wohl zu früh aufgeflogen ist.
Wie dem auch sein, das Dokument ist jetzt bereits öffentlich und weit verbreitet, und deshalb stelle ich es ebenfalls online (siehe aber Fußnote). Welche Schlussfolgerungen aus dem Inhalt zu ziehen sind, kommt an anderer Stelle zur Sprache.
1) Das Gutachten stammt von der Seite „netzpolitik.org“, die es komplett veröffentlicht hat. Ich stelle es hier als PDF ein, weil der Konsum dieser Seite für Mainstream-kritische Leser vermutlich gesundheitsschädlicher ist als ein überschrittener NOx-Grenzwert von 750 ppm. Ob es sich tatsächlich um das Original handelt oder Änderungen darin vorgenommen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.