Wir leben ja nicht erst seit gestern im Informationszeitalter. Aber obwohl zu fast allen Themen Informationen zugänglich sind, wird immer weniger davon in Wissen umgesetzt. Gerade die lautstarken Exponenten unserer Gesellschaft, Politiker und Journalisten, sind nicht nur in einem Ehrfurcht erheischenden Ausmaß so dumm wie möglich, die meisten Leute bemerken das noch nicht einmal, und wenn doch, ist es ihnen anscheinend scheißegal. Es kommt nicht mehr darauf an, verschiedene Informationen zu Wissen zu verarbeiten, sondern bestimmte Informationen in einen Glauben umzusetzen. Aus Wissen ist Religion geworden.
Hauptgrund für diese Entwicklung ist die Zahl der Informationsschnipsel. Ihre Anzahl wächst derzeit noch exponentiell. In einem Jahr erscheinen so viele Artikel, die beispielsweise das Thema Klima abdecken wie bis zum Jahr 2006 insgesamt in allen Jahren vorher. Die Grafik ist nur eine von mehreren, die man finden kann, und vermutlich kennt keiner die genaue Zahl der Publikationen.
Das ist zu viel, um sich noch informieren zu können, selbst für Fachwissenschaftler. Sie sind gar nicht mehr in der Lage, alles zu verarbeiten, was letztlich dazu führt, dass sie nur noch die Sachen zur Kenntnis nehmen, die in das von ihnen persönlich bevorzugte Modell passen und kritische Beiträge mehr oder weniger ignorieren. Viele der Artikel sind noch nicht einmal sachdienlich, sondern streifen Nebenthemen oder erwähnen den Hauptbegriff nur deshalb, weil es gerade In ist, das zu tun. Selbst nach sorgfältiger Auswahl – ein Artikel von vielleicht 100, den man sich tatsächlich mal anschaut – bleibt oft nur einer von 10, der für die eigene Arbeit wirklich relevant ist.
Noch schwieriger wird es natürlich für denjenigen, der sich nur informieren will. Viele Artikel wird er sprachlich nicht verstehen, wenn er beispielsweise als Deutsch Sprechender auf einen US-Amerikaner stößt, der sich in seiner Sprache austobt, andere fachlich nicht, weil selbst Fachwissenschaftler nicht selten eine Darstellung verwenden, die anderen Fachwissenschaftlern so schwer zugänglich ist, dass diese auch nicht ausführlich lesen, sondern ebenfalls bei der Zusammenfassung verweilen. Auch weiß der Suchende oft nicht, wie genau die Frage an die Suchmaschinen formuliert werden muss, damit überhaupt das ausgeworfen wird, was er möchte. Vielleicht ist es dabei, aber an Position 143.771, oder es gibt die Information nur in Chinesisch, das gar nicht von der Suchmaschine erfasst wird.
Wenn man in Zukunft mehr vom Glauben weg hin zum Wissen möchte, wird man um den Einsatz der KI nicht herum kommen. Die ist nicht schlauer als die Menschen (zumindest nicht alle), kann aber wesentlich mehr Informationen verarbeiten. Stellt man einer Suchmaschine eine Frage, wird diese erst durch eine Heuristik, d.h. ein Satz von Regeln bearbeitet, um heraus zu bekommen, nach welchen Kriterien die Datenbank durchsucht werden soll. Eine Suchmaschine kann auf Fragen bereits eine beeindruckende Anzahl von Antworten liefern, aber die sind noch so unsortiert, dass man bei Religion statt bei Wissen landet. Verglichen mit den Fähigkeiten, die benötigt werden, bleiben die Fähigkeiten der heutigen Suchmaschinen aber höchstens im unteren einstelligen Prozentbereich.
Was ist notwendig? (1) Leistungsfähige Übersetzer. Die Information sollte dem Fragenden nicht nur in seiner Sprache präsentiert werden, der Suchvorgang selbst sollte ebenfalls in allen (relevanten) Sprachen erfolgen, damit nichts übersehen wird. (2) Heuristiken, die in der Lage sind, Suchanfragen zu verdichten, d.h. nicht nur nach Schlagworten alles aufzulisten, sondern nach Inhalt/Kontext die gefundenen Beiträge sortieren. (3) Heuristiken, die es erlauben, die Frage interaktiv zu präzisieren, um schließlich gezielt die Information in komprimierter Form zu präsentieren. Im Grunde läuft das alles darauf hinaus, dass man seinen Informationswunsch von einem Fachprofessor in einem angemessenen Komplexitätsgrad in einem Gespräch erfüllt bekommt, wobei dieser elektronische Fachprofessor über mehr Informationen verfügt als der menschliche. Die Antwort auf eine Frage wird dann mehr einer Seite in wikipedia ähneln als der Google-Trefferliste.
Ob das noch zentral funktioniert ist zu bezweifeln. Webseiten und andere Dokumente müssten dann nicht nur pauschal nach Schlagworten katalogisiert sondern der Inhalt müsste mehr oder weniger frageabhängig interpretiert werden. Denkbar sind KI-Analyseanwendungen auf den Rechnern der Nutzer, die sich zunächst die Suchmaschinenlisten laden, um anschließend die Einzeldokumente ebenfalls zu laden und zu interpretieren. Nach einiger Zeit würde der Rechner mit dem Ergebnis aufwarten, und der Nutzer kann fortfahren. Im Laufe der Zeit könnte das Analyseprogramm lernen, wie der Nutzer vorgeht, und dadurch schneller werden.
Kommen solche Techniken? Hoffentlich, denn wenn nicht, wird der Trend, dass sich selbst Fachleute Begriffe wie Leugner, Lügner und -faschist anstelle der Fakten um die Ohren hauen wie beim Thema Klima und Umweltschutz heute schon üblich eher zu- als abnehmen.