Twitter

Ich bin nicht bei Twitter. War ich mal, konnte damit aber nichts anfangen. Das Gleiche gilt für andere (a)soziale Netzwerke. Es gibt bessere Möglichkeiten, seine Zeit zu verschwenden. Aber vielleicht fehlt mir ja nur die richtige Anleitung dazu. Aber so als rein Außenstehender ist Twitter irgendwie schon genial.

170 Buchstaben oder so hat man, um etwas zu sagen, einen oder mehrere Hashtags eingeschlossen. Früher hieß das noch Schlagwort, aber das war zu den Zeiten, als „Nickerchen“ noch mit einem „F“ vorne geschrieben wurde. 170 Buchstaben klingt nicht viel, genügt aber vermutlich für die meisten Leute, ihre Kenntnisse über die Erdgeschichte seit der Verdichtung aus einer Gaswolke umfassen zu beschreiben, und vermutlich wären dann noch genügend Zeichen übrig, um den ihnen bekannten Lebensweg Beethovens zu skizzieren.

Anders für Meister des Nichtssagen, gemeinhin als Politiker oder Journalisten gekannt. Politiker schaffen es ja problemlos, in einem Interview oder einer Rede vor einem Parlament oder einem Parteitag mit mehr als 5.000 Worten absolut nichts zu sagen. Und Journalisten verstehen es, aus einem 170-Zeichen-Twitter-Beitrag über die Erdgeschichte ebenfalls 5.000 Worte zu machen, ohne ein Detail hinzu zu fügen.

Irgendwie scheint es aber alles andere als einfach zu sein, mit 170 Zeichen nichts zu sagen, selbst wenn man diese Kunst mit 5.000 Worten perfekt beherrscht. Politiker sind Herdenwesen, und zwar von der Grasfresser-Sorte. Für’s Grasfressen braucht man keine Intelligenz, weil Gras eben nicht wegläuft. Für’s Fleischfressen schon, denn sonst erwischt man das veredelte Gras nicht. Unsere Politiker sind meist Veganer, mehr Erklärung ist eigentlich nicht nötig, falls man kein Grasfresser ist. Seit ein Leitbulle (Donald Trump) Twitter nutzt, macht es die Herde ihm nach. Wobei es nun wieder so eine Sache mit der fehlenden Intelligenz ist: während der Leitbulle vorne das frische Gras frisst, wundern die sich hinten noch nicht mal, dass es dem vorne schmeckt, während sie statt frischem Grün nur braun gesprenkeltes fressen.

Politiker twittern neuerdings was das Zeug hält, und Journalisten verbringen ca. 50% ihrer Zeit damit, die 170-Zeichen-Tweets auf 5.000 Worte aufzublasen. Trump scheint das noch halbwegs methodisch zu machen: ein Tweet ist mehr oder weniger ein unverbindlicher Versuchsballon, und wenn sich keiner so richtig aufregt, kann man seine Idee so durchziehen, andernfalls muss man halt ein wenig Modifikation anbringen. Für unsere Politiker ist das problematischer. Die sagen in 5.000 Worten nicht etwa deshalb nichts, weil sie was verheimlichen wollen, sondern weil es nichts zu verheimlichen gibt. Aber in 170 Zeichen kann nicht einfach nichts sagen. Man muss schon konzentrierte Dummheit von sich geben, sonst liest es keiner. Und so erzählen uns unsere Politiker in 170 Zeichen in der Regel mehr über ihren Geisteszustand als in 5 Interviews oder Parteitagsreden. Twitter zeigt uns explizit, wie blöd diese Leute wirklich sind (zumindest den Nicht-Veganern; die anderen merken davon weniger, siehe braun Gesprenkeltes). Absolut genial!

Eigentlich könnte man sich damit mindestens die Hälfte der ganzen Presseberichte sparen. Mir fehlt nur noch eine passende Bedienungsanleitung, um aus dem 170-Zeichen-Wust irgendetwas Interessantes zu destillieren.