Journalismus-Mathematik

Wir leben ja bekanntlich/angeblich in einer Informationsgesellschaft. Das soll heißen, dass jeder freien Zugang zu allen öffentlich zugänglichen Informationen haben sollte, wie es das Grundgesetz vorsieht. Grundsetzlich kann man sich auch Zugang zu allen möglichen Informationen verschaffen, aber das ist teilweise recht kompliziert, und nicht jeder ist in der Lage, die Hürden zu überwinden. In der Praxis findet nämlich eine Filterung statt:

Was damit gemeint ist, ist sicher klar. Ein nicht ganz unerheblicher Teil der Gesamtinformation ist geheim und nur zugänglich, wenn sich jemand verplappert, und von den öffentlich zugänglichen Informationen kann man nicht von überall her zugreifen. In der Regel erfährt man in einem Land nur die „politisch zulässigen“ Informationen durch Rundfunk/Fernsehen/Medien. Die Zensurschranken kann man zwar überwinden, aber einfach ist dies oft nicht. Ein Teil der Informationen wird aber durch „alternative Medien“ zugänglich:

Dass auch hier diese Relationen gelten, liegt daran, dass alternative Medien sich als Korrektiv zu den Qualitätsmedien sehen, d.h. die offiziell übermittelten Informationen ergänzen wollen und dazu aus dem Pool auch nur die Informationen auswählen, die dazu notwendig sind.

Wenn A und B über etwas berichten, tun sie dass natürlich aus ihrer Sicht heraus, und man sollte erwarten, dass A zusätzliche Informationen zu denen hat, die man auch von B erfahren kann, und umgekehrt, also beide doch zu einen großen Teil deckungsgleich sind. Das wäre die Erwartungshaltung an einen ordentlichen Journalismus. Wenn man sich in den Qualitätsmedien umschaut (so weit möglich, manches ist ja nur noch bei Bezahlen zugänglich) und das mit dem vergleicht, was man in den Alternativmedien findet, spitzt sich die Gemeinsamkeit immer mehr auf eine leere Menge zu:

Berichten die nun völlig Unterschiedliches? Wenn man sich die Anmoderation in den Alternativmedien anschaut im Grunde nur in einem Teil der Fälle. Oft geht es darum, das zusätzlich zu verbreiten, was in den Qualitätsmedien nicht erzählt wird, d.h. der Informationsinhalt der Qualitätsmedien wird in vielen Fällen vorausgesetzt. Und die Ergänzung dieses Rückstands gilt selbst dann, wenn die Qualitätsmedien später berichten, quasi als Zwang durch das Vorpreschen der Alternativmedien, aber auch dann mit Teilinformationen aufwarten. Fragt man umgekehrt bei den Qualitätsmedien nach, ob das denn alles stimme, was da alternativ auf dem Markt ist, findet man

d.h. die Informationen sind in der Regel nicht falsch oder werden polemisch kommentiert, wobei das logische ODER gemeint ist, d.h. eine Polemik stellt den Wahrheitsgehalt nicht in Frage, auch wenn das verbal meist so ausgedrückt wird.

Das gesellschaftliche Problem liegt in der Auswertung der Informationen. Beide Seiten liefern natürlich ihre Interpretation, wobei die Interpretation natürlich um so schlüssiger sein sollte, je größer die Informationsbasis ist. Der Leser muss daraus seine eigenen Interpretation erzeugen. Die Gesellschaft ist inzwischen aber auch aufgespalten: ein immer noch großer Teil der Gesellschaft, vorzugsweise bei den jungen Leuten, die dazu erzogen wurden, nimmt nur die politisch korrekte Information und ihre Interpretation zur Kenntnis und ist nicht bereit, diese in Frage zu stellen. Unversöhnliche Lager sind die Folge.

Die Unbeirrbarkeit wirkt insbesondere dann unfreiwillig komisch, wenn die Qualitätsmeinung überholt wird: so durfte sich beispielsweise vor einigen Jahren Thilo Sarrazin als Rassist beschimpfen lassen, als er genetische Einflüsse bei der Intelligenz (was immer das auch sein mag) unterstellte – heute bringen mindestens ZEIT und FAZ seitenlange Artikel, nach denen weitaus mehr genetisch veranlagt ist als das Sarrazin behauptet hatte (der seinerseits aber ebenfalls nur andere Leute zitierte und sich das nicht selbst ausgedacht hatte). Also was stimmt denn nun? Und man darf wohl heute schon darauf gespannt sein, wie sich die Medien aus dem Sumpf winden, wenn sie feststellen, dass der heutige Teufel der politischen Landschaft, die AfD, nicht mitsamt 1/4 der Wähler auf Dauer ignoriert werden kann.