Grüne Agrarpolitik

An der grünen Agrarpolitik schaut man gerne vorbei, denn wer ist kein Tierfreund und möchte keine intakte Umwelt? Zudem haben die Grünen es einstweilen aufgegeben, den Rest der Bevölkerung in Sachen Ernährung Zwangs zu bevormunden, und rumoren nur noch im Untergrund (z.B. die rätselhafte Erzeugung von 42 kg CO2/kg Schweinefleisch aus dem Nichts), was ebenfalls beruhigend wirkt. Aber verlassen sollte man sich darauf auf Dauer nicht. Wer mit veganer Lebensweise ködert, aber veganes Gulasch, vegane Frikadellen und vegane Schweineschnitzel isst – natürlich alles geschmacksecht mit Fleischgeschmack –  hat nicht nur nicht alle Tassen im Schrank, er besitzt keinerlei Geschirr.

Wenn man sich um die Agrarwirtschaft Gedanken macht, muss man erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir inzwischen eine Agrar-Industrie haben, die genauso international vernetzt ist wie andere Teile der Wirtschaft. Den kleinen Universalbauernhof der Vergangenheit gibt es nur noch in den Gehirnen der Grünen. Die Höfe sind heute spezialisiert auf Furchtanbau oder Viehwirtschaft, letztere wieder unterteilt in Milch-, Eier-, Mast- und Zuchtbetriebe. Hinter den Erntemaschinen können sich inzwischen ganze Panzerbrigaden verstecken, und sie gehören auch nicht einzelnen Bauern sondern Lohnbetrieben, die in der Ernte- oder Pflugzeit im 24/7-Betrieb riesige Flächen bearbeiten und diese auch benötigen, um überhaupt wirtschaftlich und sinnvoll arbeiten zu können. Düngemittel und sonstige Agrarchemie werden nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern GPS-gesteuert genau dosiert angewendet, teilweise bereits durch Satelitten unterstützt. Bestimmte Agrarchemikalien wie RoundUp werden zukünftig dank autonomer Roboter mit hoher Sicherheit überflüssig. Kühe stehen heute zunehmend weniger auf der Weide sondern in weitgehend offenen Ställen, weil nur dadurch die für die Rentabilität notwendige Anzahl an Tieren überhaupt vom Betrieb bewältigt werden kann, angefangen bei der rationellen Grünfutterernte, der elektronisch gesteuerten Futtermischung und der Gülleentnahme bis zum vollautomatischen Melkvorgang. Die Kühe zur oder von der Weide treiben und von Hand melken, dazu fehlen zumindest im Flachland die Arbeitskräfte, die man ohnehin kaum bezahlen könnte. Gleiches gilt für Eierbetriebe sowie für Mastbetriebe für Geflügel und Schweine. Die Betriebe sind oft höher automatisiert als vergleichbare Industriebetriebe. Um ein Schweineschnitzel zu produzieren, liefern Eberbetriebe Samenflüssigkeit an Zuchtbetriebe, die wiederum die Ferkel an die Mastbetriebe weiter verkaufen, deren Futter zum Teil vom eigenen Hof kommt, andere Bestandteile des Futtergemisches aber aus dem weltweiten Handel stammen. Die Schweine landen schließlich in großen Schlacht- und Zerlegebetrieben, und während einige Schnitzel im Supermarkt landen, geht der Rest in Länder mit geringerem Schweinebestand und andere Teile, die man hier nicht so gerne mag, nach Fernost, Afrika oder Südamerika. Man produziert nicht nur für den heimischen Markt, sondern für den Weltmarkt. Deutschland kann gut Schwein und Geflügel, Australien und Neuseeland Schaf und Ziege, die USA Mais und Soja, usw.

Das muss man nun alles nicht Gut finden. Aber bevor man mit romantischen Vorstellungen ankommt, muss man berücksichtigen, dass die Landwirtschaft in dieses System hinein gezwungen wurde und manche Probleme von der Politik verursacht sind. Der Milchüberschuss, der die Preise verfallen lässt und damit zur Konzentration auf große Milchbetriebe, hat eine Wurzeln in der Russland-Politik. Die Russen haben vor der Krim-Übernahme sehr viel Milchprodukte importiert, waren dafür aber auf anderen Gebieten stärker. Mit den Russland-Sanktionen fiel der Markt für die deutschen Bauern weg, zusätzlich drängten Australier und Neuseeländer mit ihren Überschüssen, ebenfalls aufgrund der Sanktionen, auch auf die europäischen Märkte, und letztlich wird der Überschuss subventioniert in Afrika unter das Volk gebracht und ruiniert dort die romantische Landwirtschaft. Man kann hier zwar mit Bio-Landwirtschaft Reklame machen, aber das ist ein kleiner Markt und nicht für alle Bauern geeignet (obendrein oft ziemlich zweifelhaft, was den Begriff „bio“ angeht) und auch nicht in der Lage, 80 Mio Menschen zu ernähren. Wenn man nur noch Bio-Eier produzieren wollte, bräuchte man das komplette Land für die Hühner und hätte immer noch einen Fehlbestand. Bio-Eier sind natürlich ein Erfolg in den Supermärkten, aber was glaubt ihr wohl, was in Nudeln, Majonaise, Kuchen, Eierlikör und den 1000 anderen Nahrungsmitteln drin ist, in denen Eier als Zutat verwendet werden? Und wer vegetarische oder vegane Ernährung propargiert, sollte sich mal schlau machen, welche Feldfrüchte hier eigentlich zu welcher Jahreszeit wachsen und was von seinem Speiseplan aus Gewächshäusern, Spanien, Israel oder sonstwo von der Welt stammt. Auch das ist ein weltweites Geschäft, und Mangoplantagen habe ich in Bayern jedenfalls noch nicht gesehen. Umweltfreundlicher ist das jedenfalls nicht.

In diese weltweite Industrie hauen nun die Grünen mit ihren Vorstellungen rein. Ein paar Beispiele:

Überschüssige männliche Tiere (Hähnchen u.a.) sollen nicht mehr „entsorgt“ werden. 50% der Tiere sind nun mal Männchen und für das Eierlegen und die Mast nicht brauchbar. Derzeit werden die Tiere nach dem Schlüpfen sortiert. Die Wissenschaft arbeitet aber daran, schon am Ei erkennen zu können, was hinterher schlüpft, und ein Verfahren, das bereits die Eier aussortiert, ist auch für die Züchter wirtschaftlicher. Die Grünen regen sich also völlig umsonst auf.

Die Eberkastration (50% unkastrierter Eber erzeugen so unangenehm riechendes Fleisch, dass es keiner essen will) soll nur noch unter tierärztlicher Aufsicht oder gar nicht stattfinden. Außerdem soll das Kupieren der Schwänze verboten werden. Dadurch kommen erhöhte Kosten auf die Züchter und Mäster zu. Das Problem bei einem Verbot: die Zuchtbetriebe liegen zum größten Teil nicht in Deutschland sondern in Dänemark. Mäster können daher auch von vornherein die Tiere so „bestellen“, wie sie sie benötigen. Außer dass deutsche Zuchtbetriebe u.U. schließen müssen, wird nichts erreicht, so lange die EU nicht ausgehebelt wird.

Die Landwirtschaft soll kleinräumiger werden, um eine größere Vielfalt auf den Feldern zu gewährleisten. Wenn die großen Landmaschinen aber nicht mehr eingesetzt werden können, schließen die Betriebe. Außerdem sollen mehr Naturschutzgebiete ausgewiesen und entsprechend bewirtschaftet werden. Mit anderen Worten: es soll sich nicht die Natur entwickeln, sondern Grüne Schrebergärten sollen geschaffen werden.

Viehbetriebe sollen nur so viel Vieh halten dürfen, wie sie vom eigenen Land ernähren können. Auch das ignoriert die weltweiten Zusammenhänge der Futtermittelwirtschaft.

Grüne Agrarpolitik lässt sich zum großen Teil nur dann realisieren, wenn Deutschland die Grenzen dicht macht, und zwar schon gegenüber den EU-Nachbarn. Viele Betriebe dürften auch nicht mehr rentabel sein, zumal wenn sie in den letzten Jahren größer investiert haben und die Finanzierung noch 20 Jahre weiterläuft. Letztlich geht das in Richtung Vergangenheit: bestimmte Nahrungsmittel stehen dann vorzugsweise den Reichen zur Verfügung, während für die Ärmeren der im Moment reich gedeckte Tisch deutlich eintöniger werden dürfte.