Die Bahn fährt Grünstrom!

Wenn man mit der Bahn fährt, erfährt man, dass die bereits jetzt zu fast 2/3 mit EE-Strom fährt – was technisch nicht so richtig geht.

So ein ICE zieht beim Anfahren ca. 9 MW und die großen Güterzugloks haben vergleichbare Leistungen. Wenn die Züge einmal rollen, ist es natürlich anders, aber die Masse muss man ja erst einmal zum Rollen bringen, die Fernzüge auch auf über 250 km/h, was einiges an Leistung erfordert. Die Taktung zumindest der ICE ist so, dass viele Züge gleichzeitig irgendwo ein- und auch wieder ausfahren. Nehmen wir mal an, zwischen 50 und 100 Züge fahren so getaktet an, dann liegt der Leistungsbedarf bei 500 MW oder vielleicht sogar darüber. Die Leistung muss minutengenau zur Verfügung stehen, und da ist Wind- und Sonnenstrom etwas überfordert. Wenn die Bahn tatsächlich 2038 nur mit Windstrom fährt, dürften Fahrpläne der Vergangenheit angehören. Die Bahn kommt – nur wann, ist eine andere Frage.

Wenn man wissen will, wie die Bahn es hinbekommt, mit Strom zu fahren, mit dem sie eigentlich nicht so richtig fahren kann, schaut man am besten nach Island. Auf der Karte sieht das so aus:

Island versorgt sich zu 100% aus Wasserkraft und Geothermie. Die Insel verfügt weder über AKW noch über Kohlekraftwerke und die Kabel zum Festland eigenen sich nur zur Übertragung von Gigabytes, aber nicht Gigawatt. Trotzdem produziert Island formal die Hälfte des Stroms aus Kohle, zu einem Drittel aus Kernkraft und nur zu 1/10 aus Wasserkraft. Also alles schmutzige Energie. Und aus schmutziger Energie produzierte Güter werden ja bekanntlich mit Strafzahlungen belegt. Das musste auch ein Aluminiumproduzent bemerken, der trotz Nutzung von Strom aus Wasserkraft zur Kasse gebeten wurde.

Des Rätsels Lösung ist einfach: Island verkauft virtuellen EE-Strom in Form von Zertifikaten ins Ausland. Die Bahn kauft dann beispielsweise Zertifikate aus Island (ob sie es tut, weiß ich nicht, könnte aber sein) und kann dann darauf verweisen, dass eine entsprechende Menge an EE-Strom nachweislich produziert und verbraucht worden ist. Im Gegenzug verkauft der isländische Stromproduzent dann eine entsprechende Menge Kohlestrom der Bahn an den Aluminiumproduzenten. Bilanzmäßig stimmt alles: der EE-Strom ist in Island produziert und hier genutzt worden und der Kohlestrom wird hier produziert und betreibt in Island eine Aluminiumhütte, und freundlicherweise haben beide Seite im Interesse der Umwelt darauf verzichtet, die Strommengen zwischen den Ländern durch Seekabel auszutauschen, weil das ja hohe Verluste mit sich bringen würde.

https://www.nzz.ch/wirtschaft/island-verkauft-erneuerbare-energien-und-importiert-dreckigen-strom-ld.1542975

Der Aluminiumproduzent kann sich natürlich jetzt chinesische Zertifikate kaufen, wenn die Chinesen ihre Windkraft zu Gunsten von AKW aufgeben. Der EE-Strom wird dann günstig in China produziert und in Island verbraucht, weil isländischer Strom ja in Europa verbraucht wird. Und vielleicht kommen die Russen und Amerikaner irgendwann auf die Idee, virtuelle Durchleitungsgebühren für den Strom zu fordern, damit alles seine Richtigkeit hat.