In diesen Tagen sind die Benachrichtigungen zur Wahl des so genannten EU-Parlaments in die Haushalte geflattert, auf den Straßen machen sich nichts sagenden Sichtblenden breit und Wegelagerer überfallen jeden mit nervigen Parolen, der nicht böse genug guckt.
Soll man nun zu dieser Wahl hingehen? Zumal es sich um alles andere als ein Parlament handelt, wie Jo, anscheinend etwas frustriert, vor sich hin sinniert:
Halten wir noch mal fest: das EU-Parlament ist in keiner Verfassung verankert, hat nicht die Funktionen einen Parlaments und ist alles andere als demokratisch gewählt. Nicht nur dass die Stimmen von Bürgern kleiner Länder erheblich mehr Gewicht haben als das größerer, im „Parlament“ selbst gibt es Blöcke wie die EVP, die gewissermaßen als Fraktion auftreten, also einer Parteifraktion im Bummstag entsprechen, aber aus den Abgeordneten von Landesparteien der einzelnen Länder gebildet sind, d.h. der CDU aus Deutschland, Det Konservative Volksparti aus Dänemark usw. Also man wählt CDU und bekommt EVP. Wenn man z.B. die ÖVP wählen will (auch EVP), weil einem das Programm von Sebastian Kurz besser gefällt als das der CDU und man ihn durch die Wahl stärken will: geht nicht! Man kann nur CDU wählen, aber nicht eine Partei der EU, deren Programm einem gefällt. Mit Demokratie hat das nie und nimmer etwas zu tun – und soll es auch nicht. Wie soll eine sozialistische Kommission, zusammengesetzt aus Kommissaren, sonst an allen Völkern vorbei eingesetzt werden, um ohne Volksbeteiligung die EUdSSR zu regieren? Die ganze Konstruktion der EU hat nicht ohne Grund die Bezeichnungen, die auch im kommunistischen Block seit der Revolution Lenins galten.
Nun kann man auch von unseren Parlamenten nicht viel erwarten. Das merkt man schnell, wenn man sich einmal anschaut, wie sich der Parlamentarismus entwickelt hat. Lassen wir die ganz alten Kamellen weg und beginnen in Britannien im 12. Jahrhundert. Mit der Magna Charta wurde 1215 ein Abschluss der Auseinandersetzungen zwischen König und Baronen erreicht, der ein Parlament definierte. Der König regierte, das Parlament bewilligte ihm die dazu notwendigen Steuern. Der Haushalt ist gewissermaßen das Urrecht eines Parlaments. Der König kann wollen, was er will, ohne Geld lief schon früher nichts. Einen größeren direkten Einfluss auf die Exekutive besaß das Parlament allerdings nicht.
Das änderte sich erst Ende des 16. Jahrhunderts mit Cromwell und der Zeit danach. Das Parlament erweiterte sich um das House of Commons und eignete sich die Macht an, die Regierung wenn nicht zu bestimmen, so doch von sich abhängig zu machen. Damals entstand auch das heutige Mehrheitswahlrecht – mit einigen Brutalitäten in der Frühzeit: mit jeder Wahl wechselten die Mehrheiten, was dazu genutzt wurde, die Gesetze der vorhergehenden Periode rückwirkend für ungültig zu erklären, die alte Regierung des Hochverrats anzuklagen und kurzerhand hinzurichten, den König in einem Fall eingeschlossen. Erst langsam gewann die Krone wieder mehr Macht und das Ganze entwickelte sich zum heutigen Zustand.
In Deutschland entstand der Parlamentarismus erst mit dem Kaiserreich 1871. In Anlehnung an Britannien ein Zweikammersystem, allerdings mit strikter Trennung von Exekutive und Legislative. Der Kaiser ernannte den Reichskanzler, beide waren dem Parlament nicht verantwortlich, mussten sich aber an die Gesetze halten, und waren voneinander abhängig: Erlasse des Kanzlers wurden erst mit Gegenzeichnung durch den Monarchen gültig, der seinerseits ohne Zustimmung seines Kanzlers auch nichts machen konnte. Geteilte, sich gegenseitig kontrollierende Macht, was bis zum 1. WK recht gut funktioniert (über dessen Ausbruch und die Rolle Wilhelms II. auch jede Menge Unfug fabuliert wird). Minister im heutigen Sinn gab es nicht; das höchste bürokratische Amt war der Staatssekretär. Im Vergleich war das Deutsche Reich damit näher an der Magna Charta dran als die britischen Erben.
Meiner Ansicht nach ein sehr gutes Staatssystem: ein Oberhaus, dessen Mitglieder etwas zu verlieren hatten und entsprechende Verantwortung zeigten (Besucher attestiertem dem Haus, mit qualitativ äußerst hochwertigen Debatten und Beschlüssen zu glänzen), ein Unterhaus, das vom Volk gewählt wurden, dessen Parteiensumpf aber durch die Beschränkungen auf die Legislative nicht die heutigen Ausmaßen annehmen konnten, eine unabhängige Regierung aus Monarch und Kanzler, die durch gegenseitige Kontrolle nicht grenzenlos ausufern konnte und sehen musste, ihre Gesetze auch durch zu bekommen.
Mit der Verfassung von 1919 wurde ein anderer Weg gewählt: die Regierung war nun vom Parlament abhängig, so dass die Grundzüge des heutigen Systems gelegt waren. Der Reichspräsident hatte zwar eine starke Stellung und konnte Auswüchse des Parteiensumpfs bis zu einem gewissen Grad in Schach halten, aber ein guter Teil des Scheiterns von Weimar ist auch darauf zurück zu führen, dass die Parteien lieber ein heftiges Intrigenspiel untereinander betrieben als sich um das Land zu kümmern. Graduell durch den starken Präsidenten etwas weniger Parteienherrschaft als heute und dem französischen Regierungssystem nicht unähnlich. Zusätzlich zum größeren und unheilvollem Einfluss der Parteien auf die Exekutive (die Grenzen zwischen Exekutive und Legislative begannen sich aufzulösen) entfiel auch die Kontrolle durch die Doppelspitze in der Exekutive, was letztlich Hitler zur Macht verhalf (wir kommen ganz unten auf das Prinzip zurück). Fazit: ein weniger gut funktionierendes System, das aber dem einzelnen Bürger ein Mehr an Mitbestimmung, d.h. Demokratie vorgaukelte (allerdings nur vorgaukelte).
Bei unserem heutigen System hat man versucht, einige Fehler von Weimar zu beheben. Schauen wir uns die heutige Praxis an: man wählt eine Partei, was im besten Fall bedeutet, man wählt den Parteivorsitzenden oder Kanzlerkandidaten zum Führer der Exekutive. Wird der nicht Kanzler, kommt aber in die Regierung, hat man zumindest jemanden gewählt, der theoretisch in der Lage ist, den Kanzler zu zügeln. Kommt der Gewählte aber nicht mal in die Regierung, hätte man seine Stimme auch gleich im Klo runterspülen können, wie man speziell am Beispiel der AfD sieht. Man wählt nämlich nicht nur die Regierung, sondern auch die Legislative, und die hat heute nicht mehr die Funktion, Regeln für die Exekutive aufzustellen, sondern dient als Absegnungsorgan von Regierungsbeschlüssen. Vermutlich 4/5 aller Gesetze sind als Gesetz völlig überflüssig und könnten auch durch administrative Verordnungen der Regierung erlassen werden. Die sollte das Parlament eigentlich kontrollieren und ggf. die Gesetze anpassen, um Unfug zu vermeiden. Gesetze sind eigentlich Langzeitregeln, heutige Gesetze besitzen aber oft nur eine Halbwertszeit von ein paar Monaten, die so genannte Verfassung (das Grundgesetz) eingeschlossen. Die Aufgabe der Legislative ist heute mehr oder weniger, der Willkür der Exekutive einen legalen Anstrich zu geben.
Damit die Aufhebung zwischen Legislative und Exekutive auch funktioniert, sind ein paar Tricks eingebaut. Der erste Trick steht bereits im Grundgesetz und in den Landesverfassungen und hebelt die Demokratie bereits vollständig aus. Demokratie heißt ja formal Mitbestimmung, d.h. man wählt einen Vertreter, der im Sinne des Wählers agieren soll. In den Verfassungen steht aber „der Abgeordnete ist ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet“. D.h. man wählt mit einem absoluten Freibrief für den Gewählten. Unsere Wahlen zu Parlamenten sind keine Demokratie, sondern eine absolute Verhöhnung des Volkes. Kontrollinstrumente wie Volksbegehren existieren nur auf der lokalen Ebene und werden trotzdem in der Regel von den Parlamenten sabotiert, indem man sie trotz der notwendigen Stimmenzahl nicht zulässt oder schlicht ignoriert (in der Schweiz läuft das etwas anders). Das war aber nur der erste Trick.
Der zweite Trick ist die so genannte Fraktionsdisziplin, auch Fraktionszwang genannt. Dabei wird vorab in der Fraktion ein Beschluss gefasst, und im Parlament stimmen später alle Abgeordneten im Sinne der Fraktion ab, auch wenn sie eine andere Meinung haben. Offiziell gibt es den Fraktionszwang natürlich nicht, weil die Abgeordneten ihrem Gewissen folgen sollen. Inoffiziell hat das eine mir bekannte Abgeordnete einmal so ausgedrückt: „als Abgeordnete bin ich nur meiner Wiederwahl verpflichtet [und nicht etwa dem Gewissen]“. Und die steckt in der Zweitstimme bei Wahlen, in der die Partei und nicht eine Person gewählt wird.
Über die Zweitstimme gelangen die Abgeordneten über eine Liste der Reihe nach ins Parlament. Meist sind auch die Direktkandidaten auf der Liste, was weitere Steuermöglichkeiten ergibt. Auf die Liste gelangt man über ein mehrstufiges parteiinternes Wahlverfahren: man wählt Vertreter, die wählen Vertreter, die wählen Deligierte, die haken die Listen der Parteivorstände ab. Die Mehrstufigkeit sorgt dafür, dass der Wille der Parteiführung sprich des Kanzlerkandidaten wesentlich mehr zur Geltung kommt als der Wille der Basis. Kein Parteiführer, der mit 95% oder mehr gewählt wird, hätte dieses Ergebnis erhalten, hätten alle Mitglieder abgestimmt. So ziemlich alles auf Parteiebene ist ein Intrigenspiel mit gezinkten Karten, und wer sich nicht als treuer Parteisoldat des Führers bis in den Tod erweist, hat seine Wiederwahl = guter Listenplatz verwirkt.
Die Parteimitglieder wissen das meist und sind aus anderen Gründen in der Partei als für die Politik. Wird bei lokalen Wahlen nicht selten eine allgemeine Wahlbeteiligung von 35% nur knapp erreicht, zeigt ein Blick hinter die Parteikulissen, dass dort interne Wahlen zu den Kandidaten der öffentlichen Wahl manchmal mit Beteiligungen von etwa 20% ablaufen – von Leuten, wohl gemerkt, die sich politische Betätigung auf die Fahne geschrieben haben.
Halten wir mal als Bilanz fest: unser politisches System ist allenfalls pseudodemokratisch (die Sicht ist mithin noch wesentlich pessimistischer als die, die Jo schon in Richtung EU-Parlament geäußert hat). Man wählt den Diktator für die nächsten Jahre, und wenn man Glück hat, hat man den gewählt, der es dann wird. Was der in der Zeit macht, ist allerdings seine Sache. Er kann machen, was er will. Formal muss er sich zwar an Regeln halten, aber gerade im Zusammenhang mit der EU dürfte inzwischen jedem klar sein, das Gesetze inzwischen nicht mehr als unverbindliche Empfehlungen sind. Man kann sich daran halten, wenn sie passen, muss das aber nicht, wenn einem nicht danach ist, kann auch ganz offen Positionen vertreten, die allen bestehenden Regeln widersprechen, und kann sich inzwischen sogar einigermaßen sicher sein, dass die letzte Kontrollinstanz, die Gerichte, sich darauf beschränken, festzustellen, dass die Gesetze nicht mehr gelten, oder sich auf die Suche nach EU-Regelungen begeben, die zwar den Verfassungen widersprechen, aber aus irgendeinem Grund trotzdem Vorrang haben.
Wer wissen will, wie weit der Vorrang von EU-Regeln, lediglich Verträge zwischen Staaten und formal unterhalb der Verfassungsebene, geht, kann sich mal die besagten EU-Verträge anschauen. Das EU-Recht, das sämtliche Verfassungen aller Mitgliedsstaaten bricht, sieht beispielsweise ausdrücklich die Todestrafe, in jeder Verfassung wiederum ausdrücklich verboten, bei Aufständen vor:
Das ist nicht nur Theorie! Macron hat gegen die Gelbwesten bereits das Militär „mit einem robusten Mandat“ aufgeboten. Glücklicherweise haben die Proteste soweit abgenommen, dass die Polizei unter Einsatz größtmöglicher Brutalität die Lage noch unter Kontrolle halten konnte. Macron hätte auch den 17. Juni 53, den 56-Aufstand in Ungarn oder den Prager Frühling von 68 mit Panzern und Maschinengewehren wiederholen können. Nach geltendem EU-Recht wäre die massenhafte Ermordung von aufständischen Bürgern rechtens und von den anderen Staatschefs zu unterstützen.
Wir haben also nicht nur keine wirkliche Demokratie mehr, wir sind auf der Straße zur sozialistischen Diktatur bereits wesentlich weiter als die meisten Bürger das glauben. Und wer meint, das Landesmilitär spielt nicht mit, der hat eine andere Truppe nicht berücksichtigt, den Europeen Gendarmerie Forces EUROGENDFOR, die mutmaßlich bereits in Griechenland und in Frankreich eingesetzt worden sind. Während die USA Söldnertruppen noch mieten, hat die EU bereits eigene aufgestellt.
Zurück zur Ausgangsfrage. Soll man an der Wahl teilnehmen? Jo hat insofern Recht, als man eine Institution, die man nicht will und die nirgendwo existiert, gewissermaßen legitimiert. Aber wenn man sich den Status quo anschaut, ist das völlig Wumpe. Selbst wenn nur 5% der Bürger zur Wahl gehen, wird dieses so genannte Parlament als legitim gewählt in der Presse gehandelt. Was kann man also tun?
Im Grunde bleibt nur noch der Schicklgrubersche-Weg, so lange der überhaupt noch offen ist. Vermutlich ist das ohnehin nur noch kurze Zeit der Fall. Man kann die Euro-Faschisten nur noch durch faschistische Methoden bekämpfen, d.h. den legalen Weg wählen und EU-kritische Parteien wie die AfD, Rassemblement National (ehemals Front National) oder Partij van de Vrijheid wählen. Das EU-Parlament hat zwar wenig zu sagen, aber trotzdem einen kleinen Einfluss.
Noch trauen sich die sozialistisch Parteien nicht, die Sau komplett rauszulassen. Das wird sich möglicherweise bald ändern. Einzelne Grüne sind bei der Bayernwahl bereits mit Sprüchen über Umerziehungslager hausieren gegangen, Enteignung ist für ihre Führer kein Problem und mit alpha-Kevin Künert von der SPD liegt schon jemand auf der Lauer, der noch weiter gehen will. Vielleicht ist es schon zu spät und wir Norddeutschen dürfen in Kürze Rollenspiele in Neuengamme übernehmen. Also vielleicht doch lieber wählen, so lange es überhaupt noch geht?