„Monstersturm“ Sabine und die Bahn

Breit angekündigt als „Monstersturm“ fiel das Tief Sabine um vergangenen Wochenende über Deutschland her. Erwartungsgemäß wurde der Bahnverkehr in großen Teilen eingestellt. Guten Ratschlägen der Art

Überlegen Sie sich, ob Sie zur Arbeit oder zur Schule gehen !

konnte ich allerdings von vornherein eine Absage erteilen, da ich als Pensionär weder das Eine noch das Andere mache und auch nicht einsehe, wegen ein bisschen Wind von meinen Gewohnheiten abzuweichen.

Energiemäßig sah das Wochenende so aus:

Also erwartungsgemäß viel Windstrom. Oder eigentlich eher nicht erwartungsgemäß, wenn man auf die Vorhersagen schaut. Denn die Anlagen hätten eigentlich ganz rechts in der folgenden Grafik operieren müssen:

Ganz rechts ist aber die Leistung 0, weil die Dinger abgeschaltet werden. Sie sind aber weitgehend durchgelaufen. D.h. mit dem „Monstersturm“ war es wohl doch nicht so monstrig wie angekündigt. Hier im Norden geht „Sturm“ jedenfalls auch deutlich heftiger.

Wenn der Sturm nicht so monstrig war, warum fielen dann trotzdem die Bahnen reihenweise aus? Na, weil Bäume auf die Gleise und Oberleitungen krachten. Und das tun sie auch schon bei mäßigen Stürmen, wobei einzeln stehende Bäume oft widerstandfähiger sind als kleine Wäldchen, wo zudem ein umfallender Baum auch noch andere mitreißen kann.

Das würde natürlich nicht passieren, wenn die Bäume etwas Abstand zu den Gleisen haben würden. Wie in der Schweiz beispielsweise. Da gilt ein Sicherheitsabstand von 60 m, und wenn dann ein Baum umkippt, kippt er auf das freie Feld. Deshalb kennt die Schweizerische Bahn auch so etwas wie sturmbedingte Verspätungen nicht. Hier gilt das nicht. Da stehen die Bäume bis wenige Meter an den Gleiskörper heran. Und wenn dann etwas umfällt …

Könnte man natürlich regeln. Dazu müsste die Bahn die Waldbesitzer natürlich irgendwie entschädigen. Die Erträge sehen in Bayern etwa so aus:

Das ist nicht viel, weil die Bäume ja ziemlich lange wachsen müssen, bis sie Ertrag abwerfen. Und die Summe brauchte die Bahn auch gar nicht bezahlen. Am Gleiskörper sind die Erträge nämlich wesentlich geringer, weil der Aufwand der Waldpflege deutlich höher ist. Bei Maßnahmen müssen nämlich Sicherheitsauflagen eingehalten werden. Beispielsweise müssen die Züge abgebremst werden, falls doch mal ein Zweiglein auf die Schienen fällt. Das bringt nicht nur den Fahrplan durcheinander, sondern es kommen auch erhebliche Stromkosten für die Beschleunigung hinzu, die dann alle dem Verursacher – dem Waldbesitzer – zur Last gelegt werden. Man könnte also nach genauem Durchrechnen mit relativ geringen Kosten für die Bahn Sicherheitszonen wie in der Schweiz gestalten.

In Deutschland geht man anders vor: selbst die Pflegemaßnahmen des gleisnahen Waldes bleiben dem Besitzer überlassen, was dann auch zu einer Rechnung für Bremsen und Beschleunigen durch die Bahn führt, wenn der seinen Wald pflegt. Naturgemäß hält sich dann die Pflege auch im minimalen Bereich – mit entsprechenden Folgewirkungen. Sparsamkeit an der falschen Stelle führt dann bei Stürmen zu Ausfällen, die nicht nötig sind und vermutlich höhere Kosten verursachen, als eingespart wurde.

Deutsche Gründlichkeit ! D.h. gründlich im Versauen.


Ergänzung in Sachen Hochwasserständen: die können auf zwei Arten eintreten. Die erste ist trivial: der Sturm drückt mehr Wasser auf die Küste als normal. Der zweite ist weniger trivial: der Sturm drückt das Wasser von der Küste weg. Bricht der Sturm dann in sich zusammen, schwappt die Welle wieder zurück, was je nach Umständen ähnlich wie bei einem Tsunami, den man weit draußen auch nicht bemerkt, sogar unangenehmer ausfallen kann.


Ergänzung zum Sturm: seit Montag Abend gehen hier reihenweise ganze Windparks vom Netz. Trotz normalem Arbeitstagbetrieb und Minimalbetrieb der konventionellen Kraftwerke kann der Windstrom auch auf den Spotmärkten nicht mehr abgesetzt werden, selbst wenn man dafür bezahlt. D.h. die Nachbarländer machen ihre Netze im Eigeninteresse dicht. Was bedeutet, dass es noch teurer für den Kunden wird, denn der Windstrom, der hätte eingespeist werden können, wird trotzdem bezahlt. Der Betreiber einer einzelnen Anlage mit 4 MW Leistung kassiert je nach Baujahr pro Stunde derzeit zwischen 172 € und 316 € für Nichts.