Wenn man eine beliebige Qualitäts-Zeitung zur Hand oder einen Qualitäts-Nachrichtenkanal einschaltet, stößt man nach einiger Zeit unweigerlich auf folgende Mitteilung:
Wir sind bemüht, eine möglichst breite Palette von Meinungen zu Wort kommen zu lassen.
Was ja nun prinzipiell nicht schlecht ist. Ob man nun mit den Saudis, Mullahs oder Putin Geschäfte machen möchte, darüber kann man ja nun wirklich anderer Meinung sein. Man kann auch die Aufrüstung ins Nichts begrüßen oder alternativ der Meinung sein, dass es besser wäre, diesem Drecksack von Nato-Generalsekretär Stoltenberg und vielen anderen Rüstungs-Idioten kurzerhand den Schädel einzuschlagen. Das ist Meinung, von der man für einige Zeit tatsächlich noch eigene Reste haben darf.
Kritischer ist die Sache mit der eigenen Meinung bei naturwissenschaftlichen Angelegenheiten. Da gibt es zwar auch vieles, was nicht durch eine strenge Theorie beschrieben wird oder sich gar der Berechnung grundsätzlich entzieht wie etwa das Wetter. Bei den Voraussagen kann man zwar sicher sein, dass das Wetter tatsächlich so eintrifft, aber wo das nun sein wird, wird mit größer werdenden Voraussageintervall immer unbestimmter.
Modelle kann man natürlich schon machen und versuchen, irgendwelche Voraussagen mit vorhandenen Messdaten zu untermauern. Dummerweise gibt es eine ganze Menge verschiedener Messdaten, und noch dummerweisiger kann man damit einander völlig widersprechende Modelle konstruieren. Typische Beispiele sind die Klimakatastrophe oder die Gesundheitsgefährdung durch jeweils gefährliche, in homöopathischen Mengen vorhandene essentielle Giftstoffe.
Halbwegs seriöse Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, solche Daten zu sammeln und zu verbinden, um bessere Modelle oder Voraussagen zu erhalten. Fakten und Modellvoraussagen spiegeln sich auch in den Formulierungen wider, die wahlweise auf den Imperativ oder den Konjunktiv zurückgreifen. In den Medien sollte sich das auch widerspiegeln, in dem etwa so genannte Wissenschaftsjournalisten diesen Sammelprozess für die Allgemeinheit abbilden und zwischen Fakten und Spekulation differenzieren. In der Realität muss man allerdings beobachten, dass genau der gegenteilige Prozess stattfindet. „… breite Palette von Meinungen …“ bedeutet beispielsweise beim SPIEGEL Schlagzeilen wie
Meeresspiegelanstieg Maximal 2,38 Meter bis zum Jahr 2100
Beitrag vom 29.5.19
Wenn nicht schnell gehandelt wird, könnten Millionen Menschen ihre Heimat verlieren, prognostizieren Forscher. Denn der Wasserspiegel der Meere steigt nach ihren Aussagen mehr als doppelt so hoch, wie bislang erwartet.
Nasa-Studie Gletscher in Grönland wächst plötzlich wieder
Beitrag vom 29.3.19
Über Jahrzehnte ist der Jakobshavn-Gletscher in Grönland geschrumpft. Nun nimmt seine Eisdecke auf einmal wieder zu. Forscher sind dem Rätsel auf die Spur gekommen.
Zwar wird der zweite Beitrag intern relativiert, indem mehr oder weniger behauptet wird, der Gletscher (und andere) wachsen, weil sie schrumpfen, aber prinzipiell passen die Meldungen nicht zusammen, da sie gegenteilige Aussagen generieren. Irgendwie miteinander verbunden wird das nicht. Bei politischen Meldungen ist es meist Usus, den Informationen die komplette Vorgeschichte bis hin zur Kindheit der Betroffenen hinzu zu fügen, bei wissenschaftlichen Beiträgen wird nicht einmal darauf hingewiesen, dass andere Fakten oder Interpretationen überhaupt existieren.
Noch schlimmer: wenn man sich die beiden Meldungen anschaut, wird zwischen eindeutigen Beobachtungen und wilden Spekulationen überhaupt nicht differenziert. Im Gegenteil: Spekulationen werden als Fakten präsentiert:
… der Wasserspiegel der Meere steigt nach ihren Aussagen …
Man achte mal darauf, wo der Konjunktiv benutzt wird. „Millionen von Menschen könnten ihre Heimat verlieren …“ gegen den strikten Imperativ „…der Wasserspiegel steigt …“, obwohl das bei dem Zeithorizont 2100 ähnlich abenteuerlich ist wie die Ansage „Die Lottozahlen in drei Wochen lauten ….“.
Die Medien betrügen damit nicht nur den Leser, sie provozieren damit sogar wildeste Spekulationen. Hätten die so genannten Forscher einen Anstieg von 23,8 cm vorausgesagt (was sicher einige tun), wären sie gar nicht erst in den SPIEGEL gekommen, auch nicht mit 100 cm, denn die Zahl kursiert ohnehin schon in den Fake-News. Ändert man seine Berechungen aber so ab, dass etwas Spektakuläres herauskommt, dann klappt das.
Leider ist das noch nicht alles. Es wird obendrein vorsätzlich gefälscht. Die Wissenschaftler selbst sind in den seltensten Fällen so dumm, die Formulierung so zu wählen, wie sie die Schlagzeile von sich gibt, und die Artikel sind in der Regel deutlich länger als die Zusammenfassung der Medien. Was dabei heraus kommt, kann man selbst an IPCC-Aussagen ablesen. Heißt es im Originalbericht beispielsweise
The increase of temperature is suspected to be man made [der Temperaturanstieg wird vermutlich durch menschliche Aktivität verursacht]
In den Medien, den Verlautbarungen der Regierung und der Umweltämter, die eigentlich zumindest exakt übersetzen müssten, heißt es allerdings übereinstimmend
Der Temperaturanstieg wird durch menschliche Aktivitäten verursacht.
Beim Übergang von der Wissenschaft wird der Konjunktiv, der immerhin noch Raum für Gegenargumente zulässt, durch einen Imperativ ersetzt, der jede Kritik als Leugnung dastehen lässt. „The facts are settled“, wie es so schön heißt, was aber im Grunde auf „The fakes are settled“ bedeutet.
„The facts/fakes are settled“ bedeutet aber leider inzwischen auch, dass man Fakten nicht mehr zur Kenntnis nehmen muss. Ja, man kann sogar wie die unterirdisch verblödeten Abgeordneten der Standardparteien in den Parlamenten in infantiles Gelächter ausbrechen, wenn jemand versucht, anhand einer Grafik nachzuweisen, dass etwas nicht stimmt. „Deutschland hat die höchsten Strompreise!“ – „Hahahaha!“. „Deutschlands Anteil am gesamten CO2-Kreislauf macht 0,09% aus.“ – „Hahahaha!“. „Fast 1000 Studien haben keine krebserregende Wirkung von Glyphosat gefunden.“ – „Hahahaha, das ist nur noch nicht genügend untersucht.“ Dabei passt in Wirklichkeit nichts zusammen und jeder Schuss geht nach hinten los.