Politiker rektal zu verorten ist eine schwere Beleidigung und wird daher zu Recht als eine der wenigen noch verfolgten Straftaten geahndet. Aber ist das wirklich so einfach?
Zunächst einmal ist zu überprüfen, ob wirklich der Politiker gemeint ist. Das muss ja nicht sein, aber die Entscheidung setzt schon einige Sprachverständnisfähigkeiten voraus, die erst einmal vorhanden sein müssen. Geht man nach den bekannten Anekdoten sprachlicher Ausdrucksweise mancher Politiker, muss das nicht unbedingt der Fall sein.
Unbedenklich sollte es eigentlich sein, in einem Betrag auf biologische oder medizinische Themen im Zusammenhang mit dem ring- oder schließmuskelbewehrten Enddarmausgang am unteren Rumpfende hinzuweisen. Da sowohl die umständliche Umschreibung aufgrund der Anzahl der notwendigen Worte als auch das lateinische Wort Anus auf Unverständnis stoßen könnte, bietet sich eben die Bezeichnung „Arschloch“ als allgemein gebraucht und verständlich an, allerdings leider mit dem Problem, nun von den Angesprochenen syntaktisch nicht mehr in den korrekten Zusammenhang gebracht werden zu können, weil der Rest zu kompliziert formuliert ist. Auf jeden Fall ist Vorsicht geboten und sehr einfache Sprache angesagt.
Problematischer wird es bereits, wenn ein anderer als der Angesprochene gemeint ist. Wenn man gegenüber einem CDU-Mann argumentiert, dass der Grüne … ein Arschloch ist, könnte das schief gehen, weil die beiden vielleicht noch kopulieren koalieren wollen. Das könnte so enden, dass sich der Angesprochene an ein Denunziationsportal wendet und sich mit dem Anustitulierten anschließend das Bußgeld teilt. Unbedenklich ist es aber auf jeden Fall, AfD-Mitglieder so zu bezeichnen. Und wenn sich alle einig sind, dass es sich auf jeden Fall um ein Arschloch handelt, dürften Folgen auch weitgehend ausbleiben.
Klar scheint die Sache, wenn man „Der … hat das … gesagt. So ein Arschloch!“ schreibt. Aber auch das täuscht, hauptsächlich deshalb, weil sprachliche Feinheiten bei der Übertragung ins Schriftliche leider verloren gehen. „So ein Arschloch!“ kann nämlich durchaus Bewunderung ausdrücken, wenn der Betreffende einen (oder jemand anderen) auf geschickte, aber eher harmlose Weise ausgetrickst hat. Sprachlich am Tonfall leicht zu erkennen. 100 Tagessätze, weil man jemanden bewundert? Kann einem heute durchaus passieren.
Auch kann sich die Bezeichnung auf eine ganz bestimmte Handlung beziehen, in der der Betreffende einen elementaren vermeidbaren Fehler gemacht hat, auf den man ihn möglicherweise bereits zuvor hingewiesen hat und den man nun wieder ausbügeln muss. „So ein Arschloch!“ ist dann mithin die Umschreibung für „Wie blöd kann man eigentlich sein?“ und strafbar sind heute beide Formulierungen, selbst wenn sie gar nicht als Beleidung gemeint sind, sondern nur korrekt eine bestimmte Situation beschreiben.
Zu weiteren Irritationen kann es führen, wenn sich alles im LBGTQIASHOUWJZWD+ – Umfeld abspielt. Sexuelle Handlungen sind in dem Bereich ja häufig genug „für den Arsch“ und die gängige Bezeichnung eines „Rands mit nichts drin“ als Loch bietet sich in diesem komplexen Handlungsraum der biologischen Fehlkonstruktion, das Lustzentrum in unmittelbarer Nähe des Entsorgungsbetriebs anzulegen, geradezu an. Da Politiker durch einen legasthenischen Irrtum LBGTQIA+ als einen Bezug auf eine Buchstabensuppe oder einen aktuellen Gesetzestext verstehen können und dann die Lochbezeichnung fälschlicherweise auf sich selbst beziehen, droht auch hier eine größere Menge Tagessätze.
Erst wenn alle diese Missinterpretationen ausgeschlossen sind, bleibt als Schluss, dass tatsächlich der betreffende Politiker als Arschloch bezeichnet wird. Wobei das zugegebenermaßen in den meisten Fällen nicht nur der Fall sein dürfte, sondern auch zutrifft.