Die Bevölkerung Israels, das sind diejenigen und deren Nachfahren, die sich bei Staatsgründung innerhalb der international anerkannten Grenzen aufgehalten haben (also ohne diejenigen in den später „besetzten Gebieten“), besteht zu ca. 70% aus Juden, 25% Muslime (also formal Araber, wie es im israelischen Verständnis heißt) und 5% Christen. Sie ist also nicht rein jüdisch und homogen.
Ein Nichtjude, auch ein formaler Israeli, wird als Goj bezeichnet. Der Wortstamm tritt interessanter Weise auch bei den Zigeunern (also allen Stämmen und nicht nur den Sinti oder Roma) und Japanern (Gaijin) auf; ob es noch mehr gibt, habe ich nicht recherchiert. Das bedeutet in allen Fällen nichts Freundliches und ist Vergleichbar mit der Bezeichnung „Jude“ im NS-Staat, „Nigger“ im alten Süden der USA oder „Kaffer“ im Apartheits-Südafrika. Und entsprechend sind auch nicht alle Einwohner Israels gleichberechtigte Bürger.¹⁾
Man lässt es die Gojim fühlen, dass sie keine Juden sind. Selbst im israelischen Pass wird dieser Makel vermerkt, da es eine israelische Staatsbürgerschaft als solche nicht gibt (auch wenn ein Pass ein Zugeständnis an internationale Regeln sein muss). Israel definiert sich durch die jüdische Religion oder besser das Judentum als ethnischer Begriff, und jeder israelische Goj hat politische Rechte nur insoweit, als er diese religiös-ethnische Staatsdefinition nicht in Frage stellt. Zumindest vor einiger Zeit wurden die Nichtjuden auch im täglichen Leben schräg angesehen, was aber zunehmend problematischer wird, da ihre Geburtenrate (wie hier) höher ist als die der jüdischen Israelis. Lediglich auf einem Gebiet sind sie voll gleichberechtigt: sie werden wie jeder andere zur Armee eingezogen.
Tatsächlich definiert sich die israelische Staatsbürgerschaft nicht daran, wo man geboren ist, sondern am Begriff „Jude“. Jeder Jude auf der Welt ist per Definition israelischer Staatsbürger und bekommt auf Antrag auch jederzeit einen israelischen Pass, um auch international-rechtlich zum israelischen Bürger zu werden. Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn jeder Staat, der mehrfache Staatsbürgerschaft verbietet, hat so die Möglichkeit, jüdische Mitbürger jederzeit mit Verweis auf die israelische Zwangsbürgerschaft auszubürgern. So geschehen in NS-Deutschland mit den bekannten Folgen, auch wenn Israel damals nur ein hypothetisches Konstrukt war.
Jude ist nun wiederum jeder, der eine jüdische Mutter hat. Dabei ist es ziemlich egal, ob er nun den jüdischen Glauben, den christlichen oder einen anderen oder gar keinen praktiziert (Atheisten gibt es im israelischen Diktus übrigens nicht, was zu komischen Glaubensbezeichnungen wie „polnisch“ in offiziellen Dokumenten führen kann, falls man kein Jude ist; Juden haben offiziell unabhängig von ihrem tatsächlichen Glauben die Religionszugehörigkeit „jüdisch“). Israelische Wissenschaftler haben sich mit einigem Erfolg sogar darum bemüht, ein „jüdisches Gen“ zu identifizieren. Dabei handelt es sich um ein Stück mitochondrialer DNA (Spermien enthalten keine Mitichondrien; die werden ausschließlich über die Mutter vererbt), das allen Jüdischstämmigen gemeinsam sein soll, und insbesondere in den USA setzte zeitweise ein ziemlicher Run auf die Genlabore ein, um als „gesichert jüdisch“ gelten zu können.
Um gekehrt gilt das nicht: ein Kind eines jüdischen Vaters ist nicht automatisch Jude, wenn die Mutter nichtjüdisch ist. Das führt zu der paradoxen Situation, dass ein israelischer Goj oder ein solches Kind in einem ziemlich aufwendigen und nach Meinung vieler erniedrigenden Verfahren konvertieren müssen, um als Juden anerkannt zu werden (er muss sozusagen ein 150%-iger Gläubiger sein), während der praktizierenden Muslim mit jüdischer Mutter automatisch als vollwertiger Jude gilt.
Jude im Sinn der israelisch-zionistischen Doktrin zu sein berechtigt nicht nur zum israelischen Pass, sondern auch zum Wohnen und Siedeln in Israel. Der mit Blick auf die Details nicht minder merkwürdige Gott³⁾ hat das Land Israel ja den Juden als Besitz geschenkt, was in der Praxis bedeutet, dass ein neu Hinzugezogener fragen kann „Gehört diese Stück Land einem israelischen Bürger?“²⁾, und wenn die Antwort „Nein“ lautet, fortfahren kann „dann gehört es jetzt mir“ und er es für sich eintragen lässt.
Nun klappt das auf dem offiziellen israelischen Staatsgebiet natürlich nicht, da das Land schon verteilt ist. Aber es gibt ja noch die „besetzten Gebiete“, die international als Land eines Palästinenserstaates (oder benachbarter Staaten wie Syrien) betrachtet werden, aus israelischer Sicht aber Bestandteil eines international noch anzuerkennenden Groß-Israels sind. Auch wenn manchmal ein paar Zentimeter zurück gerudert wird, nehmen „Siedler“ auf diese Weise Land in den besetzen Gebieten in Besitz (dass es Palästinensern oder Arabern gehört und von diesen bewirtschaftet wird, ist unerheblich), bauen einen Zaun, um die früheren Eigentümer auszuschließen, und schießen auch schon mal, wenn die das nicht einsehen. Aus „Sicherheitsgründen“ muss die Armee anschließend die Zäune verstärken und Kontrollpunkte aufbauen, damit die bekloppten Palästinenser endlich kapieren, dass sie entschädigungslos enteignet sind und zusehen sollen, wie sie überleben.
Man erkennt unschwer, dass die israelische Regierung sehr daran interessiert ist, auf diese Weise Neubürger als Siedler zu gewinnen. Es vergrößert das Staatsgebiet und vermehrt die Bevölkerung, um sich gegen die feindlichen Araber zu wehren. Und sollte es wirklich dazu kommen, dass einmal ernsthaft über einen Palästinenserstaat verhandelt wird, kann die israelische Regierung darauf verweisen, dass die israelischen Siedler ja nun auch nicht einfach wieder enteignet werden können, haben sie sich da doch schon was aufgebaut, wozu die Palis zu doof waren. Vom Palästinenserstaat bleibt größenmäßig um so weniger übrig, je länger das Hickhack dauert, und die USA sind alles andere als daran interessiert, hier zu einer Lösung zu kommen und ihren Festlandflugzeugträger beim Aufmarsch gegen die Araber, Iraner und andere zu gefährden.
Das lief und läuft immer noch so im besetzten Westjordanland. Im zerbombten Gaza werden die Trümmergrundstücke bereits jetzt an israelische „Investoren“ vergeben, d.h. auch hier läuft dieses Spiel bereits. Inzwischen wird unter dem Bombenhagel auf Beirut auch die Besetzung des Südlibanon in Angriff genommen und ein führender israelische General hat bereits verkündet, wie weit das gehen soll und dass man so schnell auch nicht wieder ginge. Das Problem für Israel besteht dann wohl vorzugsweise darin, genügend neue Siedler zu finden. Bei der Geschwindigkeit, mit der Juden besonders in europäischen Ländern das Leben schwer gemacht wird (viele „Vertriebene“ kommen hier hin und leben verständlicher Weise ihren Hass auch aus, soweit es geht), ist zumindest einiges an Siedlerpotential vorhanden.
Wie weit dieses merkwürdige Staatsverständnis hier mitgetragen wird, lässt sich leicht an der Wortwahl erkennen. Weltweit gibt es ca. 16.7 Mio Juden, davon leben 6,1 Mio, also nur ca. 37%, in Israel. Begründet wird aber die Unterstützung stets mit einer „Verpflichtung den Juden gegenüber“, von Israel oder gar Israelis ist nie die Rede. Auch ist jede Kritik an der israelischen Politik automatische Antisemitismus und Judenhass und wer sich für einen palästinensischen Staat ausspricht – immerhin eine internationale Forderung fast der gesamten UN, die nur aufgrund es US-Vetos keine Chance hat – läuft Gefahr, sich wegen Volksverhetzung vor einem Gericht wieder zu finden. Wie viele Juden gegen diese Entwicklungen sind – allein in Israel sind es mehr, als sich hier trauen, AfD zu wählen – wird weder gefragt noch kommuniziert.
¹⁾ Ich beziehe mich hier auf israelische Quellen, die allerdings schon 10 – 15 Jahre alt sind. Ich glaube aber nicht, dass sich inzwischen grundsätzlich etwas geändert hat.
²⁾ Immerhin „israelischer Bürger“ und nicht „Jude“, denn sonst wären die 30% Gojim auch betroffen.
³⁾ Was es mit „Gott“ auf sich hat, habe ich vor längerer Zeit schon einmal beschrieben: