Gib Gas, Nawalny!

Der Skripal 2.0 heißt Alexej Nawalny. Wie Skripal wurde er (angeblich) mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet, natürlich (angeblich) wieder von Putin.

Bei den Parallelen können wir uns vermutlich kurz halten: hier wie dort liegen die Laborbefunde, dass es sich um das exotische und angeblich kaum nachweisbare Nervengift Nowitschok handelt, bereits vor, bevor die Blutzuckerwerke ermittelt wurden, gerade so, als gehöre ein Test auf diesen Kampfstoff zum Standard in allen Kliniklaboren. Gleichzeitig mit dem Laborergebnis für die Blutzuckerwerte werden die Russen für einen versuchten Giftmord verantwortlich gemacht, Aufklärung gefordert und Sanktionen angedroht. Wobei irgendeine Zusammenarbeit, die zu einer Aufklärung führen könnte, natürlich nicht erfolgt.

Nun ist Putin als KGB-Mann sicher kein Waisenknabe, aber trotzdem sollte man wohl eine gewisse Logik erwarten. Was macht es für einen Sinn, einen unbedeutenden Systemkritiker (der Mann ist im Westen mutmaßlich besser bekannt als in Russland selbst), von dem keinerlei Gefahr für das Regime ausgeht, zu vergiften, ihn noch in Russland in einem Krankenhaus zu behandeln und anschließend in einen Flieger nach Deutschland zu setzen, und das noch zu einem Zeitpunkt, zu dem er ohnehin ständig unter Beschuss steht und das eine oder andere Geschäft mit dem Westen am Laufen hat? Aus Sicht von Putin sicher nicht, aus Sicht der CIA schon deutlich eher, denn erwartungsgemäß ist NordStream II schon im Gespräch, bevor nach den Blutzuckerwerten auch die Gamma-Globulinwerte vorliegen.

So trommelt denn die deutsche Politik, allen voran mal wieder der Staatspropagandesender ZDF, für ein AUS für die Pipeline, der nur noch ein paar Kilometer fehlen, bis sie fertig ist. Über die Konsequenzen wird allerdings kaum berichtet. Da wäre zunächst einmal das Geld. Die Pipeline kostet ca. 9,5 Mrd €, wovon die Hälfte auf deutsche Unternehmen fallen (den Rest trägt Gazprom). Hinzu kommt sicher noch ein Milliärdchen für die Terminals auf deutscher Seite. Macht also in Summe so um die 5,5 – 6,0 Mrd €, die deutsche Unternehmen damit in den Sand gesetzt hätten. Die wären erst einmal weg. Jedenfalls kurzfristig, denn hinter der Pipeline stecken auch Verträge, die gebrochen werden müssen, d.h. in 10 Jahren oder so holen sich die Unternehmen das Geld von Steuerzahler als Entschädigung wieder zurück. Bis dahin wird aber erst mal der Gaspreis kräftig steigen, zum einen, um die Verluste abzufangen, zum anderen weil US-Gas, wenn es denn im notwendigen Umfang überhaupt geliefert werden kann, teurer ist. Und nicht zuletzt wird auch Gazprom Mittel und Wege finden, die Verluste auszugleichen, durch Prozesse oder höhere Gaspreise.

Zum anderen wird das Gas gebraucht. NorthStream II wurde nicht aus Jux und Dollerei gebaut und auch nicht ohne Grund nicht durch die Ukraine oder Polen und die baltischen Staaten, denn da hat man bereits unangenehme Erfahrungen machen müssen, sondern direkt durch die Ostsee. Deutschland schaltet munter die eigene Energieversorgung durch Atom- und Kohlekraftwerke ab und irgendwie müssen die Fehlmengen kompensiert werden. NorthStream II war da schon fest eingeplant und selbst mit NorthStream II sieht es dürftig aus: das offizielle Energiemonitoring des Wirtschaftsministerium geht um 2030 von einer Unterversorgung bei Strom im Fall von Dunkelflauten, also wenn Sonne und Wind nicht liefern, von ca. 40% aus. Man kann nur hoffen, dass es bei der Wärmeversorgung besser aussieht. Elektromobilität und die neue Wunderwaffe Wasserstofftechnologie tauchen in den Berichten des Wirtschaftsministeriume gar nicht auf, obwohl sie bei der Stromrechnung eine Rolle spielen müssten.

Also Atom weg, Kohle weg, Wind und Sonne nur bei gutem Wetter und nun auch Gas weg? Und das wegen einer Intrige, die so löchrig und unlogisch ist wie nur möglich? Ich habe oben Putin unterstellt, dass er mutmaßlich logisch handelt. Irgendeine Logik kann ich bei unseren Politik- und Medienfritzen aber nicht erkennen. Aber vielleicht versteht man das auch nur falsch, so wie inzwischen einige Juden der Ansicht sind, dass die Behauptung von Heiko Maas, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen, weniger mit der Scham über den Holocaust als mit der aus iranischer Sicht … aber lassen wir das besser.

Ganz schlaue munkeln inzwischen sogar, Deutschland könne auch wieder in die Atomenergie einsteigen. Dumm nur, dass Deutschland kurz nach 1990 aus der Sache ausgestiegen ist und nun mindestens 25 Jahre hinterher hinkt. Eigentlich kann man nur hoffen, dass der Windkraftausbau zügig weiter geht. Beobachtungen auf dem Mars haben ergeben, dass dort zur Zeit ein globaler Staubsturm wütet. Auf die Erde übertragen besteht daher durchaus die Möglichkeit, in Norddeutschland viel mehr Windenergie zu erzeugen wie bisher. Falls jetzt jemand Probleme hat, dem Argument zu folgen: es folgt der gleichen Logik wie die Zusammenhänge bei Nawalny/NorthStream II.