Etwas spät bemerkt

Seit dem 1.1.2020 gelten neue Abgasgrenzwerte für die Automobilflotten der Konzerne. 95 g CO2/km darf die Fahrzeugflotte, das sind die gesamten von einer Marke im Jahr zugelassenen Neufahrzeuge, emittieren.

Neu ist das nicht. Die EU-Kommission ist schon 2009 auf den Gedanken gekommen. Damit war sie allerdings alleine, denn auf den Gedanken, einmal nachzurechnen und sich zu beschweren, sind die Konzernchefs trotz aller Wirtschaftsmacht nicht gekommen.

Das Erreichen des Wertes ist gar nicht so einfach. Nach einer Untersuchung einer Automobilzeitschrift im letzten Jahr schafften es von 18 berücksichtigten Kleinwagenmodellen gerade einmal 3, unterhalb dieser Schwelle zu bleiben. Beträgt der Wert des besten Fahrzeugtyps beispielweise 90 g/km, der des Kundenlieblings jedoch 110 g/km, muss der Hersteller pro Kundenliebling 3 der Kleinwagen verkaufen, um der Strafe zu entgehen.

Als Mogelpackung taucht in dieser Rechnung das E-Auto auf, das mit dem Emissionswert NULL berücksichtigt wird. Das ist natürlich Betrug, denn selbst ohne Dust-2-dust-Analyse liegt die Emission von E-Autos über 150 g/km, weil jede Kilowattstunde zwangsweise aus konventionellen Kraftwerken kommen muss. Die Milchmädchenrechnung mit dem Energiemix, in dem die EE ca. 1/3 des Strombedarfs übernehmen, drückt die Werte zwar in etwa auf das, was die Benzindackel auch produzieren, nimmt aber gleichzeitig anderen Verbrauchern die günstige Bilanz weg.

Nach den Vorstellungen der Bumsregierung sollten in diesem Jahr bereits mehr als 1 Mio E-Autos die Straßen bevölkern. Erreicht wurden bis Ende 2019 anscheinend knapp 100.000, also weniger als 1/10. Würde man für jedes E-Auto, das man auf der Straße sieht, 5 € bekommen – das Sammeln von Plastikflaschen wäre nach wie vor lukrativer. Noch desaströser sieht es mit den Lademöglichkeiten aus: dort, wo ein E-Auto sinnvoll eingesetzt werden könnte, nämlich in den Großstädten, existiert nach wie vor keinerlei Konzept zur Schaffung ausreichender Lademöglichkeiten für größere Anzahlen von E-Autos.

Selbst VW-Chef Diess musste ganz offiziell feststellen: „Der Kunde will kein E-Auto.“ Seine Kollegen der anderen Konzerne zogen bei der Erkenntnis nach, allerdings ohne die Konsequenz zu ziehen und der Trulla in Berlin qua gesammelter Wirtschaftsmacht mal den Marsch zu blasen (eher tendieren sie dazu, ihr in den Arsch zu blasen). Der Blick nach China wurde inzwischen auch stark eingetrübt: die chinesische Regierung verfolgt das E-Auto-Konzept inzwischen mehr oder weniger nur als Ergänzung (!) in den 20 Mio-Metropolen, setzt aber ansonsten eher auf sehr saubere Diesel, deren Entwicklung hier ja gerade eingestampft wurde. So ein Pech! Derweil wirft VW seine E-Autos zum Carsharing auf Berliner Straßen und verschifft mit den anderen konventionelle Fahrzeuge über Emden ins Ausland, weil die dort erstaunlich gut laufen. Hier sammeln sich die Fahrzeuge eher auf Halden an; die 2018-Produktion wird anscheinend inzwischen zu Dumping-Preisen angeboten.

Zurück zu den 95 g/km. Die deutschen Hersteller haben die Probleme:

  1. Sie sind hier die Platzhirsche, verkaufen also hier besonders viele Autos.
  2. Sie produzieren aus bekannten Gründen vorzugsweise schwere luxuriöse Modelle.

Schließlich will, wer einen Mercedes kauft, auch, dass seine Nachbarn sehen, dass er einen Mercedes hat. Mercedes-Modelle im Fiat 500-Verschnitt haben bei deutschen Käufern wenig Chancen. Gegen Ende des letzten Jahres haben es tatsächlich auch die deutschen Konzern-Bosse gerafft:

  • Der Kunde meidet die E-Autos wie einen Hundehaufen auf dem Gehweg.
  • Wenn er ein deutsches Auto kauft, muss das groß und PS-stark sein.
  • Wenn er einen Kleinwagen kauft, nimmt er lieber einen Asiaten, denn der kostet teilweise nur die Hälfte dessen, was VW und andere für klapprige Straßenflusen haben wollen.

In hektischen Verhandlungen haben die Konzernchefs die Politik zwar auf 105 g/km für ihre Flotten hochgehandelt, aber das nützt nicht viel. Hätten sie schon 2009 damit angefangen, lägen die Grenzen vermutlich bei 120 g/km und ein Problem würde nicht bestehen. Nun sind also so oder so Strafzahlungen fällig. Die betragen 95 €/g über dem Grenzwert. Das hört sich moderat an, ist es aber nicht.

Um den Wert zu ermitteln, wird am Ende des Jahres nachgezählt, wieviel Fahrzeuge von welchem Typ verkauft wurden und daraus der Gesamtwert an Emission berechnet. Davon wiederum zieht man das Produkt des Grenzwertes mit der Gesamtanzahl der Fahrzeuge ab und multipliziert diesen Wert mit 95 €. Das ist äußerst kompliziert und man benötigt in Deutschland inzwischen ein mehrjähriges Studium der „Angewandte Grundrechnenarten zur Berechnung der Emissionen von Automobilflotten“, das nur an 2 Exzellenz-Universitäten angeboten wird und das sich bei Berücksichtigung der Genderaspekte noch verkomplizieren dürfte, aber noch gibt es Abiturienten, die nicht aus Bremen oder Berlin kommen und das Studium schaffen können.

Nach den bisherigen Verkaufszahlen dürften sich die Zahlungen für die deutschen Autokonzerne oberhalb von 1 Mrd. € belaufen (VW: 1,4 Mrd. €), und das nur, weil die bekloppten Kunden nicht die richtigen Autos kaufen. Da VW im Jahr 2018 ca. 10 Mio Autos weltweit verkauft hat, kann man sich leicht ausrechnen, dass ein Auto ca. 140 € teurer werden müsste, wenn für den Konzern das gleiche Ergebnis herausspringen soll. Nur sind die Hobel ohnehin schon teuer genug. Statt 39.990 € nun 40.130 € macht den Braten zwar auch nicht fetter, ist aber trotzdem unschön.

Die neueste Idee der Bosse: sollen sich doch die Händler darum kümmern, dass die richtigen Modelle verkauft werden! Die bekommen nämlich Rabatte, wenn sie viele Autos verkaufen, womit sie dann durch günstige Angebote wiederum Kunden für die Marke gewinnen können. Verkauft ein Händler zukünftig nicht genügend E-Autos oder Kleinwagen, sondern große Modelle, werden ihm die Rabatte zusammen gestrichen. Anders ausgedrückt, der Konzern versucht erst einmal, sich schadfrei zu halten und das Problem bei anderen abzuladen. Das Modell ist aus der Medizin gut bekannt: als chronisch kranker Mensch mit Medikamentenbedarf sucht man sich am Besten einen Arzt, dessen Kundschaft im Schnitt höchstens 35 Jahre alt ist, sonst kann es passieren, dass keine Rezepte mehr ausgestellt werden, weil der Arzt sein Verschreibungslimit erreicht hat und er weitere Medikamente aus der eigenen Tasche bezahlen müsste.

Beim Arzt geht das, aber geht das auch bei Autos? Wie reagiert ein Kunde, der vor einem aufgemotzten AMG-Benz steht, den Bargeldkoffer in der Hand, und dann vom Händler hört „den kann ich Ihnen erst verkaufen, wenn Sie zuvor 3 Citroen C1 oder 2 E-Autos gekauft haben“? Zumal der Händler das Geschäft mit dem großen Wagen auch im Anschluss an den Verkauf über die Wartung macht.

Wie geht das Schießen weiter? Abwehrmaßnahmen gegen den EU-Blödsinn sind nicht zu beobachten. E-Autos werden absehbar nicht laufen, allen Beschönigungen zum Trotz. Konventionelle Autos sollen nicht weiter entwickelt werden. Neben den Entlassungen in der Produktion wird es wohl auch zu einer Schließungswelle bei den Händlern kommen. Heute werden Gebrauchtfahrzeuge nach Osteuropa exportiert. Lohnt sich bald der umgekehrte Weg, d.h. Import aus diesen Ländern? Oder liegt die Zukunft gar im Mietwagen, zugelassen in Weißrussland oder der russischen Föderation, weil man hier anders nicht mehr an das Fahrzeug kommen kann, das man gerne fahren möchte? Sinnvolle Entwicklungen sollte man jedenfalls nicht erwarten.