Der Mensch ist so veranlagt, dass er zunächst einmal auf Ratschläge anderer hört. Das ist oft durchaus sinnvoll. Wenn jemand sagt „Geh da nicht hin! Da ist ein Rudel Löwen!“, hat der schon mal schlechte Karten, der das einfach ignoriert und prompt als Hauptgericht zum Dinner eingeladen wird.
Andererseits ist der Mensch auch auf Widerspruch gepolt. Was, wenn da gar keine Löwen sind, sondern die 72 Jungfrauen aus dem Moslem-Paradies, die der andere für sich alleine haben will? Das nennt man nicht Misstrauen, sondern Neugier, und so fassen trotz der Warnung viele Kinder doch die heiße Herdplatte an, wenn die Eltern nicht mehr hinschauen, nur mal so als Test.
„Diese Mauer steht auf dem Ende der Welt!“ lässt nach einiger Zeit zu, drei Gruppen zu unterscheiden:
- Die tumben Nachbeter, die jegliche Neugier verloren haben und ebenfalls behaupten „Diese Mauer steht auf dem Ende der Welt!“, ohne das wirklich zu wissen.
- Die Neugierigen, aber strohdoofen, die über die Mauer hüpfen, um festzustellen, was dahinter ist und natürlich prompt vom Krokodil gefressen werden. Diese Gruppe wird im Laufe der Zeit kleiner.
- Die Neugierigen, die schon genügend Situationen überlebt haben, um über Werkzeuge und Methoden verfügen, auszuschließen, dass hinter der Mauer ein Krokodil lauert (z.B. ein Mitglied der Gruppe 2 überreden, zuerst rüber zu springen). Neugier + Methoden nennt man Forschen.
Zum Forscher zu werden setzt allerdings eine zeitlichen Nähe von Tat und Folge voraus. Wenn der Schmerz der an der heißen Platte verbrannten Hand das Gehirn erst nach 2 Stunden erreicht, bringt das Gehirn beides nicht mehr in einen logischen Zusammenhang und man hat nichts gelernt. Lernen ist somit ein Kombination aus Tat und den Folgen der Tat.
So weit die natürliche Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, bei denen die Typen der Gruppe 1 die große Mehrheit darstellen und einige wenige der Gruppe 3 dafür sorgen, dass sich alles ein wenig weiter entwickelt, und seien es auch nur unnütze Dinge wie kleine flache Kästen, die man in der Gesäßtasche herumtragen kann, um Fotos oder Fingergymnastik zu machen oder Musik zu hören oder – neueste Erweiterung dieser Geräte – sogar mit Menschen an anderen Orten sprechen kann, ohne wissen zu müssen, wo die wirklich sind. Gruppe 1 sollte weitgehend den Empfehlungen der Gruppe 3 folgen, weil das die Macher sind (Macher muss man nicht auf Kästchenkonstrukteure beschränken; gemeint sind alle Visionäre). Nur leider klappt das heute immer weniger. Die entscheidende Stelle – der Zusammenhang von Tat und Folge – wird immer mehr durch „moderne“ gesellschaftliche Normen gekappt.
Um einmal hinten anzufangen: statt den FFF-Kids die Konsequenzen ihrer Schulschwänzerei aufzuzeigen werden sie auch noch darin bestätigt. Die Quittung, dass sie trotz eines erfolgreich abgeschlossenen 12-semestrigen Studiums als Telefonhörerdesinfizierer keinen Job bekommen, kommt erst viele Jahre später. Wenn eine Bande 12-14-Jähriger eine Frau überfällt, misshandelt und vergewaltigt und danach die komplette Staatsmacht absolut hilflos dasteht – an die Kinder darf man nicht ran, die Eltern verweigern die Kooperation, Ausweisung geht nicht – ist der einzige Lerneffekt: hat Spaß gemacht und keine Folgen, also demnächst wieder. Und selbst bei Kleinkindern fordern die „modernen Erziehungsmethoden“, dass nicht die Eltern den Kindern Grenzen aufzeigen, sondern umgekehrt die Eltern stets zu springen haben, wenn das Kind auch nur „piep“ sagt. Waren früher die ersten Worte, die ein Baby lernte, „Mama“ und „Papa“, sind es heute meist Konstrukte wie „ICH WILL …“ und „DU MUSST …“. „Ich bring mal eben Florian ins Bett“ führt heute in nicht wenigen Familien dazu, dass Mama und Papa von 19:30 Uhr bis 21:45 Uhr verschwunden sind und die Gäste nur hoffen können, dass die Vorräte an Bier, Wein und Chips für diese Zeit eingeplant sind.
Letztlich führt das dazu, das Lerneffekte, vielleicht mal abgesehen von der heißen Herdplatte, ausbleiben und Neugier eigentlich unnötig wird. Es genügt, für sich einfach festzulegen, wie die Realität aussieht, und wer nicht so gepolt ist, trotzdem zu fragen, ob das stimmt, für den ist damit alles erledigt. Mit gravierenden Konsequenzen. Hat man sich daran gewöhnt, dass die eigene Vorstellung keine Konsequenzen hat (zumindest keine, die man rechtzeitig spürt), muss man auf andere nicht mehr hören oder eingehen. Neugier? Nicht nötig. 2*2 ist Neune, widewidewitt, ich bau‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Erstaunlicher Weise (oder eigentlich nicht) sind Leute, die zu keinem logischen und konsequenten Denken mehr fähig sind, diejenigen, die sich für die intelligentesten und wichtigsten halten. Sie studieren sogar meist: da sie sich frei im Geist irgendetwas ausdenken, nennt man das Geisteswissenschaften, wobei Geistlose Wissenschaften dem näher käme und Geschwätzwissenschaften das übliche Verhalten dieser Leute kennzeichnet. Neugier? Fehlanzeige, sie wissen schon alles. Logisches Denken? Nicht nötig, sie wissen schon alles, und zwar besser. Im Grunde sind diese Leute intellektuell auf der Stufe unsozialisierter Kleinkinder stehen geblieben und haben lediglich gelernt, ihr Unwissen hinter komplizierten Wortschöpfungen und Satzkonstruktionen zu verbergen. Und so werden diejenigen, die sich Neugier und Systematik bewahrt haben, von Leuten, die absolut keine Ahnung von naturwissenschaftlichen Denkprozessen haben, darüber belehrt, was natur- und ingenieurwissenschaftliche Wahrheit ist.
Damit hätten wir bereits eine große Gruppe der heutigen Gesellschaft abgehakt: Journalisten, Politiker, Geschwätzwissenschaftler aller Art, Medienschaffende, FFF-Kids und -Studenten. Äußerlich sehr heterogen, insgesamt aber mit religiösem Sendungsbewusstsein und absolut unbelehrbar oder lernfähig und darüber hinaus auch meist extrem aggressiv. Über Themen wie Klima, Energie, Luftverunreinigung und anderes kann man mit diesen Leuten nicht reden oder diskutieren, weil sie nicht zuhören (wollen). Sprache mag ihre Ohren erreichen, Bilder die Netzhaut ihrer Augen – im Gehirn kommt davon absolut nichts an, was nicht mit dem vorhandenen Hirninhalt identisch wäre. Leute, die diskutieren wollen (Gruppe 3), haben im Grunde keine Chance, weil sie auf Aggression treffen. Ein Angriff auf ihr Weltbild ist ein Angriff auf sie persönlich und führt zum sofortigen harten zurückschlagen. Dummerweise haben diese Leute deshalb heute die Macht, die zu glaubende Realität vorzugeben, obwohl sie es nicht ist.
Eine Mehrheit der Gesellschaft gehört zum Typ 1, dem Nachbeter. Sie hören zwar vielleicht noch zu, aber es interessiert sie nicht. Über manche Materie müsste man nachdenken. Zu anstrengend, zu kompliziert. Versteh‘ ich nicht. Ich glaube der Einfachheit lieber das, was alle glauben. Letztlich scheitert man am Phlegma dieser Gruppe. Statt persönlicher Beleidigungen wie aus der religiös-fanatischen Gruppe hört man ein freundliches „ja-ja“ mit dem unausgesprochenen „interessiert mich nicht, schleich dich!“. Wach werden diese Leute erst, wenn sie was aufs Maul bekommen, aber dann ist es oft zu spät.
Ein wenig rätselhaft sind die Teilversteher: man kann tatsächlich über Fakten sprechen und sogar Einigkeit erzielen, es scheitert aber daran, Fakten zusammen zu führen. Windkraftanlagen erzeugen nur Strom, wenn Wind weht – korrekt. Schwankt stark, weil mit der 3. Potenz der Windgeschwindigkeit – d’accord. Strom muss in dem Augenblick erzeugt werden, in dem man ihn braucht – weiß doch jeder. Stromspeicher in der notwendigen Größe gibt es nicht – stimmt. Windkraft kann die Versorgung nicht übernehmen – NA, DAS STIMMT ABER SO NICHT! Wie kann es sein, dass sämtliche Teile einer Faktenkette vollständig korrekt erkannt werden, die daraus folgende zwangsweise Schlussfolgerung aber negiert wird?
Schließen wir den Kreis: Handlungen haben im Rahmen der Erziehung bis zum Erreichen des Erwachsenenalters kaum noch Konsequenzen und führen nicht zu Lerneffekten. Diskussion wird nicht als Suche nach einer Wahrheit, sondern als Mittel der aggressiven Durchsetzung der eigenen Meinung verstanden. Versuche denk- und diskussionsfähiger Menschen, Fehler in den willkürlichen Meinungsmodellen aufzuzeigen und alles in sinnvollere Bahnen zu lenken, sind daher inzwischen mehr oder weniger sinnlos. Katastrophen sind eigentlich nur noch dadurch zu verhindern, dass man sie eintreten lässt.