Die Bundesregierung hat ein Gesetz zu Reduzierung der Bürokratie beschlossen – und demonstriert damit, dass sie offenbar keine Ahnung hat, wie der Laden läuft.
Wie entsteht Bürokratie? Der Gesetzgeber beschließt ein Gesetz. Das ist ganz allgemein formuliert – oder sollte es zumindest sein. Das verursacht auch noch keinerlei Bürokratie. Meist ist es so formuliert, dass man auch nicht so genau weiß, was man damit nun genau anfangen soll. Um das klarzustellen, verfassen die zuständigen Ministerien Kommentare zum Gesetz, die erklären, was mit dem Gesetz anzufangen ist. Das ist aber bereits die Regierung und nicht mehr der Gesetzgeber. Der Umfang dieser Kommentare liegt meist beim 3-8-fachen des Gesetzestextes. Damit wissen jetzt die Behörden und Ämter, was sie zu tun haben, und teilweise sind hier auch schon bürokratische Vorgehensweisen definiert. Behörden und Ämter definieren nun die einzelnen Handlungsvorschriften und damit auch das, was die Betroffenen leisten müssen. Die echte Bürokratie entsteht erst auf dieser Stufe und hängt unmittelbar vom Gesetz ab.
Ein Gesetz zur Reduzierung der Bürokratie ist damit völliger Blödsinn, denn wenn den Betroffenen weniger Arbeit gemacht werden soll, sind die ministeriellen Kommentierungen und die nachfolgenden Ausführungsbestimmungen zu überarbeiten, ggf. auch das Gesetz zu ändern. Ein separates Gesetz kann jedoch gar nichts bewirken, es sei denn, man meint damit eine neue Bürokratie, die sich nun mit der alten Bürokratie auseinander setzt, also eine Bürokratie auf der Bürokratie.
Wie um das zu demonstrieren werden gleichzeitig mit dem Gesetz zur Verminderung der Bürokratie zwei neue bürokratische Monster geschaffen.
(a) Unternehmen sollen nun dafür haften, dass ihre Auftragnehmer die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsrechts befolgen. Wenn man einen Subunternehmer hat, wird man so gezwungen, eine Bürokratie aufzubauen, um die Verwaltung seines Subunternehmers zu kontrollieren. Das ist nicht nur vom Aufwand her Wahnsinn, sondern verstößt auch gegen prinzipielle Wirtschaftsprinzipien. Die Subunternehmen sollen sich in die Bücher schauen lassen, also ihr eigenen Unternehmertum dem Auftraggeber offen legen.
(b) Unternehmen werden vom so genannten EU-Gerichtshof gezwungen, die Stechuhr wieder einzuführen. Jede Arbeitshandlung soll dokumentiert werden, also auch das Lesen eine Email abends zu Hause. Nicht nur ein völlig irrsinniger und in 99% aller Fälle unsinniger Aufwand, sondern auch eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit besonders kleinerer Unternehmen. An die Seite der Kontrolle der Arbeitszeit tritt auch eine Kontrolle der Ruhezeit. Es müssen nämlich auch Mindestruhezeiten eingehalten werden. Wer im 23:00 Uhr noch etwas aufarbeitet, muss mindestens 11 Stunden Pause einhalten, darf also am nächsten Tag nicht vor 10:00 Uhr mit der Arbeit anfangen. Stoßzeiten mit hohem Arbeitsaufkommen dürfen dann nicht durch zeitweise Überarbeit, die später ausgeglichen wird, abgewickelt werden, sondern das Unternehmen muss die Aufträge notfalls abbummeln. Und glaube mal ja niemand, dass der Staat nicht parallel zur Arbeitszeiterfassungsbürokratie eine noch größere Arbeitszeiterfassungskontrollbürokratie aufbaut und jeden Betrieb mit Ordnungsstrafen überzieht, der bei irgendeiner Kleinigkeit erwischt wird.
Vermutlich ist das schon der nächste Schritt. Viele Länder der EU sind ja schon von Industrieländern zu Dienstleistungsländern verkommen, und da mit Dienstleistungen nichts geschaffen wird, lassen sich die Dienstleistungen nach einer Weile nicht mehr verkaufen. Wenn man allerdings ein Bürokratieland daraus macht, hat man wieder gewonnen. Bürokratie muss niemandem verkauft werden und kann völlig sinnfrei beliebig hohe Reibungsverluste verursachen, notfalls auch durch eine Bürokratiekontroll-und-Verwaltungsbürokratie.