Kann man nicht argumentieren, dass Umwege und längere Fahrtzeiten zwangsläufig zu mehr Ausstoß von CO2, NOx und Feinstaub führen und nun auch die Anwohner bislang ruhigerer Straßen den Verkehrslärm ertragen müssen, insgesamt also die gesundheitliche Belastung zunimmt? Juristen interessiert diese Logik allerdings nicht. Wenn in einem Gesetzestext drin steht, man dürfe andere Leute nicht mit Holzknüppel erschlagen,dürfte man bei Verwendung einer Eisenstange juristisch auf der sicheren Seite sein und straffrei ausgehen. Man muss sich schon etwas anderes einfallen lassen.
Das Gerichtsurteil erlaubt zwar Fahrverbote, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Es muss mehr oder weniger der letzte Ausweg sein, wenn nichts anderes mehr nützt, und darf auch nur begrenzt gelten. Zudem müssen jede Menge Ausnahmen gemacht werden. Das erlaubt schon einiges an Einspruchmöglichkeiten:
- Die Fahrverbote sind statisch, d.h. es werden Schilder aufgestellt und man darf grundsätzlich nicht mehr fahren, d.h. auch in dem Fall, dass gar keine Überschreitung der Grenzwerte stattfindet. Im Grunde verlangt das Gerichtsurteil aber eine dynamische Regelung, wie sie auch in bestimmten Städten Frankreichs gilt: dort wird nur dann ein Fahrverbot verhängt, wenn die Werte hoch sind und die Wetterlage keine Besserung verspricht. Im Zweifelsfall – schwacher Verkehr, starker Wind – könnte man die Berechtigung des Verbots in Zweifel ziehen und einen Nachweis verlangen, dass tatsächlich zum Zeitpunkt des Fahrens hohe Werte vorlagen.
- Das Urteil sieht Ausnahmen für alle möglichen Gruppen vor, gibt aber nur Beispiele. Gehört man zu einer Gruppe, für die keine Ausnahme gilt, hat aber ein elementares Interesse, das Gebiet zu befahren, wäre dies ein Verstoß gegen die Gleichheit vor dem Gesetz. Die Verwaltungen könnten schnell in Schwierigkeiten kommen, Begründungen zu finden, warum ausgerechnet eine bestimmte Gruppe nicht fahren darf.
- Die Verwaltung muss zunächst versuchen, durch andere Maßnahmen den Verkehr so zu gestalten, so dass die Belastung abnimmt. Von einem entsprechenden intelligenten Baustellenmanagement abgesehen (Baustellen werden meist nach dem Prinzip größtmöglicher Behinderung über geologische Zeiträume hinweg eingerichtet) wären Geschwindigkeitsbegrenzungen (inzwischen oft so niedrig, dass mehr Schadstoffe die Folge sind) und Ampelsteuerung zu optimieren (in vielen Städten hat man grundsätzlich eine Rotphase, d.h. man steht vor der nächsten Ampel; durch den Einsatz von KI ließe sich vermutlich sehr viel verbessern). In der Regel wird aber außer dem Aufstellen von Schildern nichts unternommen, d.h. man kann auf Pflichtversäumnis und damit Unwirksamkeit des Verbots klagen.
- Ein Verbot wäre derzeit nur kontrollierbar, indem die Kennzeichen von sämtlichen Fahrzeugen, die die Strecke benutzen, notiert und ausgewertet werden, d.h. auch von den Berechtigten. Das setzt einen Abgleich in einer ganzen Batterie von Datenbanken voraus, was kaum datenschutzrechtlich zu kontrollieren ist. Wenn man an andere Stellen schaut, könnte sich daraus die Möglichkeit auf Klage gegen Verletzung des Datenschutzes ergeben.
- Ist ein Verbot in Kraft, besteht nach einiger Zeit auch die Möglichkeit, einen Nachweis der Wirksamkeit zu fordern. Stellt sich dabei heraus, dass die Werte sich nicht ändern, ist das Fahrverbot eine Diskriminierung, gegen die man sich wehren kann. Da ältere Fahrzeuge nach Messungen des ADAC weniger Schadstoffausstoß haben als neuere, aber von Fahrverbot betroffen sind, müssen die Werte nicht abnehmen. Die Einrede der Diskriminierung kann man ggf. auch unabhängig von Messungen der Schadstoffkonzentration verwenden, wenn die Laborwerte zugelassener Fahrzeuge schlechter sind als die der vom Verbot betroffenen.
Generell muss man wohl nicht davon ausgehen, dass die Verwaltungen in jedem Fall mit ihren völlig sinnlosen Fahrverboten vor Gericht durchkommen. In der Regel werden Verkehrsverstöße nur vom Amtsgericht verhandelt, aber hier kann man sich durchaus auch auf höhere Rechtsgüter berufen und sich in der Gerichtshierarchie hochhangeln.