„Kunst soll aufrütteln“ behaupten die Künstler. „Kunst soll ein Bewusstsein schaffen, was falsch läuft und Änderungen bewirken“. Nun, keiner wird einem Künstler oder jemandem, der sich dafür hält, abstreiten, dass er nicht auch die Probleme dieser Welt sieht. Aber Kunst bringt den Problemhinweis ja nicht direkt, dafür sind andere Leute da, die sich als Journalisten, Historiker, Soziologen oder was auch immer bezeichnen. Kunst verklausuliert ihn gewissermaßen als Gleichnis, und der Betrachter oder Hörer muss das interpretieren. Und da geht der Anspruch irgendwie schief.
Im Urbeispiel des Gleichniserzähler, eines gewissen Jesus von Nazareth, stellen die Schüler dem Meister eine Frage, und er antwortet eben nicht mit JA oder NEIN (dann wäre er nicht der Meister, sondern allenfalls ein Besserwisser), sondern mit einem verklausulierten Gleichnis. Das Grundprinzip dabei ist aber: die Schüler wissen vorher bereits um das Problem und holen nur eine weitere Meinung ein. Wüssten sie nicht ob des Problems, hätte der Meister beispielsweise nur eine nette Tiergeschichte über schnelle Nagetiere und gepanzerte Insektenfresser erzählt (ok, die Geschichte ist nicht von Jesus, aber sei es drum).
Und hier, liebe Künstler, geht euer Anspruch, der Welt den Spiegel vorzuhalten, irgendwie den Bach runter. Angefangen damit, dass abgesehen von euch selbst euch niemand für einen Meister hält, dem es zu folgen gilt. Und, eben noch wichtiger, in eurer verklausulierten Form könnt ihr nur den Leuten etwas erzählen, die es ohnehin schon wissen. Für die anderen ist es eine merkwürdige Geschichte.
Ich weiß ja nicht, wie es anderen geht, aber ich für meinen Teil bin durch das Tagesgeschäft eigentlich schon genug belastet. Ich brauche nicht zum Abschluss noch irgendeine tiefschürfende Belehrung durch einen Künstler, die in die gleiche Kerbe haut. Ich will Entspannung zum Tagesausklang, und in der Beziehung macht moderne Kunst, ob mit oder ohne große Ansprüche, ihre Sache häufig schon mehr als zu schlecht.