Der Krieg in der Ukraine hat etwas Merkwürdiges an sich, angefangen mit der möglichen Strafbarkeit öffentlich geäußerter Gedanken zu Ursachen und Hintergründen. Die falschen Schlussfolgerungen können nämlich leicht zu „einer Billigung von Verstößen gegen das Völkerrecht“ führen, die von einigen deutschen Gerichten inzwischen nach dem Strafrecht geahndet werden.
Auf der anderen Seite wird mehr oder weniger bedingungslose „Solidarität und Unterstützung für die Ukraine“ eingefordert. Dummerweise kursierten in den sozialen Netzwerken Videos über Folterungen und Ermordung russischer Soldaten und ukrainischer Zivilisten durch Männer in ukrainischer Uniform. Ebenso Videos über die Folgen von Artillerieangriffen auf Zivilgebiete im russisch besetzen Bereich und offenbar sehr gezielte Angriffe auf Gefängnisse mit ukrainischen POW in Donezk. Noch nicht einmal die westliche Presse hat sich bislang getraut, das den Russen in die Schuhe schieben zu wollen.
Wohl aber Angriffe auf ein Atomkraftwerk, das zwar im russisch kontrollierten Gebiet liegt, aber weiter von der ukrainischen Mannschaft bedient wird und Strom in die Ukraine liefert. Russische Angriffe wären zwar völlig gegen jede Logik, aber hier kann man mit dem Urteil noch etwas warten, weil die Gutachter die IAEA inzwischen anscheinend gegen den ukrainischen Widerstand doch auf dem Weg an den Ort des Geschehens sind. Dann wird es offizielle Berichte geben.
Völlig klar ist nach Berichten westlicher Reporter, dass die ukrainische Armee ihre Stellungen auch in zivilen Gebieten aufbaut, also Zivilisten als Schutzschild missbraucht. In Summe: „Solidarität und Unterstützung für die Ukraine“ in der öffentlich geforderten Form läuft darauf hinaus, Verstöße gegen das Völkerrecht zu billigen. Schlechte Verstöße ./. gute Verstöße?
Entgegen nahezu allen anderen Kriegen gibt es anscheinend keinen „embedded journalism“, wenn man mal davon absieht, dass deutsche Spitzenpolitiker in Kiew in Ruhe ein paar Glas Champagner schlürfen. Manchmal erscheinen von russischer Seite ein paar Berichte, von ukrainischer Seite habe ich noch keinen gesehen. Krieg im Geheimen offenbar. Man kann also nur spekulieren, wie es in den Kriegsgebieten wirklich aussieht.
Es gibt auch keine Berichte über Verluste. Die Russen behaupten zwar regelmäßig, ganze ukrainische Brigaden aufgerieben zu haben, mir sind aber weder Dementi dieser Berichte bekannt noch irgendwelche anderen Berichte über russische Verluste, weder von der einen noch von der anderen Seite. Aus westlicher Sicht wenig begreiflich, es nicht in den hiesigen Medien zu bringen, wenn wieder einmal ein russisches Regiment aufgerieben wurde. Nach der Logik bisheriger Kriege: nicht gebracht – nicht passiert.
Die Front scheint irgendwie festzustecken – bei allerdings anscheinend stetigem leichten Vorrücken der Russen. Umgekehrte Erfolge werden in den westlichen Medien nicht gemeldet: nicht gebracht – nicht passiert (?) Nach russischer Darstellung läuft alles planmäßig: zur Vermeidung eigener Verluste und – so die Darstellung – von Zivilverlusten auf ukrainischer Seite besteht die Strategie im Herausbomben der Ukrainer aus ihren Stellungen, aber Vermeidung irgendwelcher verlustreicher Frontalangriffe. Zumindest scheint die Handlungsinitiative nicht auf Seiten der Ukrainer zu liegen (wer selbst mal schauen möchte: die Stichtworte „ukraine war map“ liefern eine Menge Webseitenlinks, die sich damit beschäftigen). Englischsprachige Medien erinnern ein wenig an Karl Lauterbach: „an diesen Stellen könnten die russischen Streitkräfte verwundbar sein“ – während die an anderer Stelle intensiver auftreten, weil die Ukrainer dort ihre Stellungen für eine (bislang angebliche) Offensive ausgedünnt haben.
In Kauf genommen wird anscheinend der weitere Beschuss im Donezker Gebiet mit zivilen Opfern. Kann man als „die Russen stecken fest“ interpretieren oder als minimierten Bodycount bei gleichzeitig propagandistischer Wirkung.
Die „Waffenversorgung“ der Ukraine durch den Westen ist unzureichend. Überwiegend werden Ladenhüter der Waffenhersteller abgeschoben, die hier seit mehr als 10 Jahren nicht mehr im Einsatz sind. Was auch logistische Probleme bei der Munition und den Ersatzteilen mit sich bringt. Auf der anderen Seite stehen die USA, die hochmoderne Waffen zugesagt haben, anscheinend vielfach so hochmodern, dass sie noch in der Entwicklung stecken und bestenfalls in etlichen Monaten ausgeliefert werden können. Ebenfalls absehbar mit entsprechender Problematik im Einsatz. Die ukrainische Regierung ruft inzwischen sogar offiziell dazu auf, neue oder experimentelle Waffensysteme in der Ukraine zu erproben. Aber egal wie: da tröpfeln einzelne Panzerchen, vor denen sich zuvor auch noch Selbstdarsteller Scholz ablichten lässt. Hier ein kleiner Ausschnitt aus einer solchen Inspektion:
Ich weiß zwar nicht, welche Qualität die russischen Waffen haben, aber viel gehört wohl nicht dazu, auch hier besser zu sein.
Zu den ebenfalls merkwürdigen Auswirkungen des Krieges gehören die Schäden, die er anrichtet. Klar, in Frontnähe ist alles zerschossen und muss wieder aufgebaut werden. In Frontferne herrscht anscheinend „business as usual“, wenn man mal von den angeblichen Rekrutierungsmethoden der Ukrainer absieht, die eher an mittelalterliche Methoden oder Shanghaien erinnern, wenn die Berichte stimmen. Die größten Schäden werden allerdings in der EU angerichtet: normalerweise boomt die Wirtschaft nicht vom Krieg betroffener Länder durch Waffenlieferungen – hier ist die Wirkung inzwischen kaum anders als während der Raids der Briten im 2. WK, teilweise noch schlimmer. Zwar nix kaputt, aber pleite.
Ursache: die ausschließlich gegen sich selbst gerichteten Sanktionen. Kein Gas von Russland, dann lieber keine Wirtschaft mehr. Auch hier sind die Begründungen recht abenteuerlich: die Gaspipelines werden nicht in Betrieb genommen, obwohl das das Chaos beenden würde, weil – Trommelwirbel! – der Russe dann jederzeit die Lieferungen einstellen könnte. Toll, oder? Man nimmt nichts, weil der andere vermutlich dann liefern würde und man mit seinem Vermutungen, er würde das nicht tun, blöd dasteht. Sinnvoll wäre es doch, das wenigstens auszuprobieren, oder? Wenn er dann wirklich nicht liefert, hätte er sich geoutet.
Drôle de Guerre!