Eine Gedenkminute pro 1.000 Toten?

Also nicht generell für Tote. Da hätten wir ja ewige Ferien in irgendeinem Kloster mit Schweigegelübde. Nur Tote, an deren Ableben Schland durch völkerrechtswidriges Verhalten oder dessen Billigung beteiligt ist.

Das trifft natürlich einerseits auf die Ukraine zu, die in ruhigen Zeiten „nur“ etwa 2 Minuten pro Tag benötigt. Vermutlich auch ein paar mehr, wenn man russische Opfer berücksichtigt. Auch wenn man alles nachholen wollte, was man seit 2022 verquatscht hat, statt zu schweigen, wird das noch nicht nervenaufreibend problematisch werden.

Das trifft aber auch auf Israel zu, das im Rahmen des allgemeinen Antisemitismus-Geplärres vollständig aus dem Blick verschwunden ist. Immerhin wird das, was in Gaza und teilweise auch in den anderen palästinensischen Gebieten veranstaltet wird, ganz offiziell vom internationalen Strafgerichtshof als Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen bezeichnet, nebst internationalen Haftbefehlen für Netanjahu & Consorten.

Die offizielle israelische Absicht ist, Gaza und die anderen Gebiete vollständig dem Staat Israel einzuverleiben und die derzeitigen Bewohner zu vertreiben. Da aber kein Ziel außerhalb der Gebiete für die Vertreibung vorhanden ist, bleibt nur Vernichtung, wenn die Absicht erreicht werden soll. Und obwohl fast nirgendwo mehr berichtet wird, machen die Israelis auf dem Weg weiter: alleine am Sonntag sind bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen mindestens 66 Palästinenser getötet und 241 verletzt worden, fast alle Zivilisten, berichtet Aljazeera.

In Israels Krieg gegen den Gazastreifen wurden mindestens 39.324 Menschen getötet und 90.830 verletzt. In Israel wurden bei den Angriffen der Hamas am 7. Oktober schätzungsweise 1.139 Menschen getötet und mehr als 200 gefangen genommen. Das sind die offiziellen Zahlen. Inoffiziell sprechen UN-Organisationen und andere NGO von Zahlen, die um bis einem Faktor 10 darüber liegen, also bis 400.000 oder mehr Tote Palästinenser betragen, ein Großteil davon Kinder. Stimmen diese Zahlen, rückt Israel seinem Ziel näher, nicht nur militärisch. Die Versorgung wird trotz vieler Aufforderungen immer weiter zurück gefahren, die tägliche Anzahl an Kalorien liegt nach Angaben von Ärzteorganisationen bereits seit einiger Zeit unterhalb der Mindestgrenze. Was Bomben und Granaten nicht schaffen, schaffen Hunger und Krankheiten problemlos. Wäre es nicht in Schland justitiabel, könnte man über ein déjà vue spekulieren.

Das hat Auswirkungen bis in den US-Wahlkampf: Netanjahu hat kürzlich vor den Abgeordnetenhäusern gesprochen und mit seinem 4. Auftritt den bisherigen Rekordhalter Winston Churchill auf Platz 2 verwiesen. Erstaunlicher Weise glänzten fast 50% der Demokraten durch Abwesenheit, Kamala Harris, die Biden ersetzen soll, eingeschlossen (sie ist die offizielle Sitzungspräsidentin bei solchen Anlässen). Das hat seinen Grund. Besonders bei den jüngeren US-Bürgern ist Israel aufgrund des brutalen Vorgehens der IDF alles andere als beliebt und das Fehlen bei der Selbstlobhudelei Netanjahus eine kleine Notwendigkeit, wenn man für Harris noch genügend Stimmen bei der empörten Jugend sammeln möchte.

Trump will, wenn er gewinnt, den Ukraine-Krieg innerhalb eines Tages beenden. Die Russen sind da ziemlich misstrauisch, aber wenn der Geldhahn zugedreht wird, ist vermutlich ziemlich schnell Schluss, weil auch die Europäer pleite sind. Von Israel ist bei Trump allerdings keine Rede (Harris wird beide Kriege bis zum atomaren Holocaust eskalieren) und bislang ist auch nicht zu erkennen, dass die Nachbarn von Israel sich in größerem Maßstab einmischen würden. Vermutlich sind in den arabischen Ländern die 2,5 Mio Palästinenser bereits abgeschrieben worden und man wird sie allenfalls propagandatechnisch gegen Israel einsetzen.

Macht also, wenn der israelische Plan aufgeht, ca. 2.500 Schweigeminuten = 41,6 Schweigestunden = 1,74 Schweigetage. Das werden wir auch noch irgendwie aushalten, auch wenn des gewissen politischen Plaudertaschen schwer fallen wird.