Die Struktur im Trumpschen Chaos

Raus aus dem Ukraine-Krieg, rein in den Ukraine-Krieg. Diese und andere Kehrtwendungen scheinen willkürlich zu sein und lassen Trump chaotisch und unberechenbar erscheinen. Erweitert man den Blickwinkel, wird aber einiges durchaus plausibel und logisch, wenngleich auch vieles natürlich Spekulation bleiben muss.

Das große Ganze

Trump hat nur noch diese Amtszeit, weil die US-Verfassung in weiser Voraussicht mehr als zwei Amtszeiten verbietet. Wer kommt danach? Tunlichst ein Kronprinz, der die Arbeit des scheidenden Königs fortführt und dem man den Staffelstab am Ende der Amtszeit übergibt. Dazu muss man aber jemanden haben, der obendrein noch gewählt wird.

Der Kronprinz ist mutmaßlich J.D.Vance, mit 40 Jahren vergleichsweise noch ein Jungspund, aber mit Charisma. Ob er öfter in den Medien auftritt als seine Amtsvorgänger, sei einmal dahin gestellt, aber seine burschikose und direkte Art lässt ihn im Gedächtnis bleiben und bringt ihm Punkte beim Wählervolk. Und seine Auftritte beispielsweise in der NATO oder gegenüber Selenski sind sicher keine Unfälle, sondern mit Trump abgestimmt.

Hinter Vance stehen die einflussreichen Tech-Milliardäre Musk als Frontmann und Thiel als Backgroundplayer. Eine weitere graue Eminenz ist R.F.Kennedy jr. Mit Pete Hegseth, Marco Rubio, Tulsi Gabbard u.a. ist da ein außerordentlich junges Team aufgestellt, dass altersmäßig durchaus in der Lage ist, die USA für die nächsten 12 Jahre zu übernehmen. Interessant auch, dass viele dieser Player erst in der letzten Zeit offiziell zusammen gefunden haben, was ebenfalls auf solche zeitlich sehr weit reichenden Pläne deuten könnte. Jetzt muss nur noch dafür gesorgt werden, dass Vance in 3,5 Jahren auch gewählt wird.

Stolperstein Epstein

Dazu muss Trump zunächst einmal seine Wahlversprechen umsetzen, als da unter anderem wären

  • Migrationsproblem lösen,
  • Abrechnung mit dem alten Establishment durch DOGE und Freigabe der Epstein-Akten,
  • weitgehende Beendigung der Kriegsbeteiligungen und deren Finanzierung.

Beim Migrationsproblem kann er weitgehend erfolgreich agieren, weil selbst die Gouverneure der Einzelstaaten dem Potus hier nicht großartig reinreden können.

Problematisch wird es aber beim zweiten Thema. Musk leitet zwar die DOGE (Department of Government Efficience), musste aber nach einigen Anfangserfolgen doch zurückstecken, weil er nach eigenen Berichten auf erhebliche Widerstände in einflussreichen Netzwerken der Verwaltung stieß. Ähnlich erging es anscheinend Trump selbst mit den Epstein-Akten, die für die US-Wähler ein Symbol für das korrupte Establishment sind und deshalb eine für europäische Verhältnisse ungewohnte Beachtung und Bedeutung haben. Neben wenigen juristischen Hindernissen, die aber durchaus kommunizierbar wären, stößt anscheinend selbst der Potus auf Machtstrukturen, die vermutlich weit in die internationalen Räume reichen und an denen er nicht so einfach vorbei kommt.

Fazit: er kann nicht oder nur teilweise liefern, was bei vielen Wählern zum streichen des „r“ in liefern führt und sie weglaufen. Für die für die nächste Präsidentschaft wichtigen Mid-Terms-Wahlen könnte das ein Problem für den Kronprinzen und damit für den Gesamtplan werden. Und hier sind wir beim ersten Chaospunkt angekommen.

Musk hat erheblich in Trumps Wahlkampf investiert und in der ersten Zeit entstand den Eindruck, die beiden seien auch in Regierungspositionen ein Herz und eine Seele. Dann kam Trumps „Big Beautiful Bill“, die Subventionsstreichungen für E-Mobile mit sich bringt und außerdem eine weitere Verschuldung des Staates nach sich ziehen würde. Von einem Tag auf den anderen gingen sich die beiden an die Gurgel, was schließlich darin endete, dass Musk seine eigene Partei gründete. Chaos pur.

Und wenn das Chaos gar keines ist? Logisch ist so eine 360°-Baerbock-Kehre eher unwahrscheinlich. Die Folgen für Tesla verursachen zwar einige Schmerzen, sind aber alles andere als kritisch. Tesla (und damit Musk) kann das wegstecken. Das Gesetz dürfte auch kaum als Idee auf dem Klo entstanden sein, das noch vor dem Händewaschen umgesetzt wird. So etwas braucht Vorlaufzeit. Es ermöglicht Trump zudem die Umsetzung einiger eigener Projekte, ohne jedes mal beim Kongress nachfragen zu müssen. Wozu also das Theater bis hin zur Gründung einer neuen Partei?

Die neue Partei bringt zwar etwas Aufregung in das US-2-Parteinsystem, hat aber letztlich keine Chance, zumal Musk aus geborener Ausländer nicht Präsident werden kann. Schlussfolgerung: da haben ein paar Oscar-verdächtige Schauspieler ein grandiose und echt wirkende Show abgezogen, an deren Ende eine neue Partei steht, die mögliche Wählerverluste aufgrund nicht erfüllbarer Wahlversprechen durch geschicktes taktisches operieren ausgleicht und die Sache für Vance bei den Midterms wieder ins Lot bringt.

Zugegeben, das ist reine Spekulation und vielleicht etwas gewagt, aber den Protagonisten durchaus zuzutrauen. Man muss nun weiter beobachten, wie sie DOGE, Epstein und das „Zerwürfnis“ entwickeln, um Klarheit zu bekommen.

Stolperstein Ukraine

Dem US-Wähler ebenso ein Dorn im Auge wie den europäischen: das bodenlose Fass Ukraine. Während im eigenen Land immer weniger geht, wird Milliarde auf Milliarde dort versenkt. Rein formal war das meiste kein Geschenk, sondern ein Kredit (ähnlich wie in den Weltkriegen), nur ist so etwas den Wählern schlecht zu vermitteln und außerdem besteht die nicht kleine Gefahr, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und der Kredit abgeschrieben werden muss.

Trump versprach, den Krieg schnell zu beenden, musste aber feststellen, dass seine Versuche von Selenski und den EU-Staaten torpediert wurden, wobei vermutlich auch starke Interessengruppen in den USA, vertreten u.a. durch verschiedene Senatoren, beteiligt waren. Das Problem:

  • Er muss seinen Wählern etwas liefern.
  • Er muss sich mit dem Senat arrangieren, der den Krieg weiter führen will.

Also Umschwenk (als scheinbares Chaos): es wird weiter an die Ukraine geliefert, allerdings nur, wenn die Europäer die Waffen direkt bezahlen. Für die Wähler: es fließt kein Geld mehr ab und es werden Arbeitsplätze gesichert. Für den Senat: der Krieg geht weiter. Zusätzlich wird damit auch die Koalition der Kriegswilligen im Senat und in Europa aufgebrochen: die einen bekommen den Krieg und verdienen daran, die anderen bekommen den Krieg und müssen ihn bezahlen.

Womit das Chaos aber noch nicht zu Ende ist: Frankreich, Italien, Polen und die Tschechei stellen fest, dass sie gerne weiter unterstützen, aber durch Verkauf eigener Waffen und nicht durch Kauf von US-Waffen. Spanien und Portugal haben andere Probleme und werden sich ebenfalls nicht beteiligen. Bei den Briten bleibt es bei der Zusage eines Truppenkontingents, das mehr oder weniger selbst in Großbritannien nicht existiert. Bleiben hauptsächlich Deutschland und ein paar Skandinavier, die das aber mit Sicherheit nicht stemmen können.

Weiterer Umschwenk: ein 50-Tage-Ultimatum an Russland, nach dessen Ablauf es dann richtig zur Sache gehen soll bezüglich der Beteiligung von US-Waffen. Jetzt fängt wieder die spekulative Phase an, denn auch das ist mutmaßlich ein Scheinmanöver. Fassen wir die bekannten Fakten zusammen:

  • Jeder weiß, dass Russland nicht auf ein Ultimatum eingeht, wenn seine Interessen nicht berücksichtigt sind. Russland ist bewusst der falsche Adressat für das Ultimatum. Außerdem können in 50 Tagen beim derzeitigen Kriegsablauf noch deutlich bessere Positionen erreicht werden.
  • 50 Tage ist vermutlich die zeitliche Untergrenze, um überhaupt die erste Lieferung anlaufen zu lassen, sollten die Europäer doch die Kosten übernehmen. Trump braucht daher gar nicht erst weiter in Vorleistung zu gehen und kann die 50 Tage aussitzen.
  • Wie in Europa sind die Magazine leer und die US-Streitkräfte müssen selbst erst einmal wieder auf genügend Reserven kommen. Lieferungen ins Ausland sind da ohnehin problematisch. Das hat auch mit den US-Strategien zu tun, die darauf beruhen, irgendwo auf der Welt schnell und unangekündigt zuzuschlagen, alles zu zerstören und sich dann wieder aus dem Staub zu machen. Dazu braucht man nur begrenzte Vorräte. Für einen Monate dauernden Konflikt ist die Strategie nicht ausgelegt, was auch das Verteidigungsministerium offen zugibt. Zudem sind die US-Waffen überzüchtet und enthalten viel Schnickschnack, der vielfach überflüssig ist, aber sie extrem teuer macht (bis zum doppelten Preis gegenüber europäischen Waffen) und gleichzeitig die Produktionskapazität begrenzt. Selbst wenn voll geliefert werden wollte, es ginge nicht, da die Kapazitäten bei allem unter dem Bedarf des eigentlich immer noch als Regionalkonflikt anzusehenden Ukraine-Kriegs liegen. Sie zu steigern ist ebenfalls ein Problem, da vieles von Rohstofflieferungen aus China abhängt, was günstigstenfalls innerhalb von 5 – 10 Jahren zu beseitigen wäre.

Das Ultimatum ist keine drei Tage alt, da wird ein regierungsinternes Memorandum durchgestochen: der stellvertretende Verteidigungsminister teilt dem Verteidigungsminister mit, dass die USA nicht in der Lage sind, drei Konfliktherde (Ukraine, Israel und die zunehmenden Spannungen in Fernost) zu bedienen. Man solle zwei schließen und sich auf den wesentlichen Schauplatz (= China) konzentrieren.

Womit, wenn diese Spekulationen stimmen, das 50-Tage-Ultimatum klar ist: nach dieser Frist wird Trump den Kriegssenatoren eine immer aussichtslosere Lage in der Ukraine, eine russische Weigerung und das Memo vorlegen und damit den schwarzen Peter weitergeben. Ukraine weiter beliefern anstatt sich auf China zu konzentrieren? Ich wollte das nicht, aber der Senat zwingt mich dazu. Oder die Ukraine auslaufen lassen? Prima, dann habe ich ja mein Wahlversprechen gehalten. Auch hier muss man also erst noch ein paar Tage warten, ob es tatsächlich zu einer weiteren Eskalation kommt oder die Sache eher mit ein paar symbolischen Kraftakten, die alle Seiten (außer den Europäern und den Ukrainern) aussitzen können.

Nebenbemerkung: den Europäern ist es gelungen, neben den Chinesen nur auch die Inder nachhaltig zu verärgern. Das betrifft zwar die Amerikaner weniger, schränkt aber doch die Handlungsoptionen, weiterhin den „großen Max“ zu spielen ein.

Stolperstein Israel

Bezüglich Israel besteht ein ähnliches Problem wie mit der Ukraine: während die Machtzirkel des Establishments auf unbegrenzte kritiklose Unterstützung von Israel setzen, gärt es auch hier bei den Wählern, was zu einem zunehmenden Antizionismus und im weiteren zu Antisemitismus führt. Trumps Wählerproblem sind aber weniger die Juden als die christlichen Evangelikalen, die aus endzeit-ideologischen Gründen auf eine bedingungslose Unterstützung Israels setzen. Er muss also zwei Wählergruppen mit unterschiedlichen Interessen bedienen. Zu berücksichtigen ist auch eine zunehmende weltweite Kritik am israelischen Völkermord an den Palästinensern, der mit immer perfideren Methoden in Szene gesetzt wird.

Beim Versuch, erst einmal mit dem Iran Ruhe zu schaffen, stößt er auf ein ähnliches Problem wie in der Ukraine. Torpedieren dort die Europäer seine Bemühungen, ist es hier Netanyahu, mutmaßlich ebenfalls von einflussreichen Kreise des Establishments unterstützt, was Trumps Möglichkeiten beschränkt.

Beim israelischen Überfall auf den Iran mitten während laufender Verhandlungen, mutmaßlich maßgeblich durch die Europäer durch logistische Unterstützung in Szene gesetzt, haben sich gravierende militärische Probleme gezeigt. Offiziell sind natürlich die Israelis Sieger, aber Satellitenauswertungen einer amerikanische Hochschule, mit denen die israelische Zensur umgangen wird, zeigen, dass die Iraner nicht nur große Zerstörungen angerichtet haben (es werden alleine drei Militärbasen als stark beschädigt identifiziert, die offiziell keinen Kratzer abbekommen haben), sondern nach dem 12. Tag, an dem der Konflikt erst mal auf Eis gelegt werden konnte, mehr oder weniger freies Schussfeld gehabt hätten. Der Iron-Dome existierte durch Auslaugung schlicht nicht mehr (das hätte man sich eigentlich denken können, nachdem die USA vergleichbare Erfahrungen mit den Huthis machen durften und ihre Schiffe abzogen). Es spricht einiges für die Spekulation, dass die US-Angriffe mit den Iranern abgestimmt waren, um den Israelis den Arsch zu retten und Ruhe in die Situation zu bringen (zu dem Preis, dass nun niemand den Iran mehr daran hindern kann, zu einem Nordkorea zu werden, wenn er es darauf anlegt).

Inzwischen scheint sich da Frust in der US-Regierung breit zu machen. Netanyahu lässt weiterhin in der Nachbarschaft herum bomben und führt den Völkermord an den Palästinensern fort, was inzwischen möglicherweise zu einem echten Problem werden kann: ein US-Bürger zu Besuch bei seinen palästinensischen Verwandten im Westjordanland ist von israelischen „Siedlern“ erschlagen worden, ohne dass dies irgendwelche Folgen hätte. In den USA ist die Nachricht anscheinend noch unter Verschluss, aber man kann sich leicht vorstellen, wie die amerikanische Seele reagiert, wenn das breiter bekannt wird. Ein US-Beamter des Weißen Hauses erklärte, dass man Netanyahu zunehmend für einen nicht mehr kontrollierbaren Verrückten hält. Spekulationen, wie Trump diese Kuh vom Eis bekommen will, sind aber noch zu früh.

Chaos Zölle

Das Hauptproblem der USA ist die ungeheure Verschuldung. Zu nahezu keinem Land der Welt haben die USA eine ausgeglichene Handelsbilanz und leben trotz der Betonung „größte Volkswirschaft der Welt“ auf Kosten anderer. Der Amerikaner sieht und konsumiert und zückt bei der Frage nach der Bezahlung einen Dollarschein mit der Bemerkung „hier, frisch gedruckt“. Das geht immer weniger gut, da sich viele Länder immer mehr dem BRICS-Konzept zuwenden.

Das Problem ist dadurch zu beseitigen, dass zunächst einmal die Waren in den USA hergestellt werden, statt sie auf Pump im Ausland zu kaufen. Dazu muss aber erst einmal die Produktion anlaufen, was Investitionen erfordert und hohe Preise zur Folge hat. Zölle machen ausländische Produkte teurer und ermöglichen eine inländische Produktion zu akzeptablen Preisen. Das dauert natürlich und führt zu höheren Inlandspreisen oder leeren Regalen – beides keine Werbung bei den Wählern.

Auch das scheint ein – diesmal aber bewusst chaotisch wirkender – Eiertanz zu sein. Welcher Lieferant wehrt sich am wenigsten? Welche Einschränkungen sind bei den eigenen Leuten durchsetzbar? Letztlich eine langwierige Geschichte, in der mal hier, mal da Duftmarken gesetzt und je nach Reaktion modifiziert werden.

Fazit

Letztlich scheint die Politik auf eine sehr langfristige Perspektive ausgelegt zu sein, in der die Maßnahmen kontrolliert werden sollen (Kronprinz-Prinzip). Sie ist mutmaßlich darauf ausgelegt, die USA wieder mehr wettbewerbsfähig zu machen (Trump ist Geschäftsmann und nicht Ideologe), weil selbst militärische die Führungsrolle angekratzt ist. Dazu passt auch der Aktionismus in Fernost, wo sich beide Seiten – auch das aber wieder Spekulation – letztlich damit zufrieden geben werden, dass Taiwan zu China gehört, aber die Werkbank Taiwan eher von den USA kontrolliert wird. Das Chaos entsteht eher dadurch, dass Trump sich auch gegen inneren Widerstand des alten Establishments durchsetzen muss.

In Bezug auf Deutschland/Europa ist anzumerken, dass auch bei einer AfD-Regierung mit solchen Effekten zu rechnen ist, da das ideologische Establishment zu tief in den Strukturen verankert ist (Hinweise dazu gibt es aus Italien, wo auch nicht alles so rund läuft, wie vom Wähler gewünscht). Man kann aber auch davon ausgehen, dass die hiesigen Ideologen weder etwas verstehen noch etwas verstehen wollen und die EU-Staaten komplett unter die Räder geraten.

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