Vom Rechtsstaat zum Totalitarismus

Das Bundesverfassungsgericht hat über die Jahre immer wieder die freie Meinungsäußerung als eines der wichtigsten Kriterien der Demokratie herausgestellt. Inzwischen sind allerdings 2/3 – 3/4 der Bürger der Ansicht, man solle seine Meinung besser für sich behalten, wenn sie kritisch ist, sonst droht Besuch vom Staatsanwalt.

Ich habe schon mehrfach darüber referiert, trotzdem hier noch mal eine Zusammefassung:

§15 StGB legt fest, dass nur vorsätzliches Handeln, von ein paar Ausnahmen der Fahrlässigkeit abgesehen, strafbar ist. Im Klagefall muss die Staatsanwaltschaft also den Vorsatz plausibel machen. Nach §160 StPO muss sie dazu den Sachverhalt erforschen und auch für den Beschuldigten sprechende Fakten sammeln. Zusammen mit Art 5 GG folgt insbesondere für Symbol- und Verbaldelikte daraus, dass der komplette Sachverhalt aufgeklärt werden muss und sich daraus der Vorsatz ergeben muss. Einzelne Phrasen herausgreifen verstößt gegen Art 5 GG, da sonst gar keine freie Meinungsäußerung möglich ist, müsste dann man jedes einzelne Wort oder jede Geste auf Doppeldeutigkeiten abklopfen.

Staatsanwaltschaften unterliegen gemäß §146 GVG den Weisungen aus den Ministerien. Was sie allerdings als Beamte nicht davor befreit, sich nicht an das Gesetz halten zu müssen, das Vorrang hat. Gegen rechtswidrige Anordnungen besteht nach §36 BeamStG eine Remonstrationspflicht, d.h. der Beamte hat zu protestieren und notfalls die Handlung zu verweigern. §146 GVG hat zudem die Nebenwirkung, dass nach einer Entscheidung des EUGH vom 27.5.2019 deutsche Staatsanwaltschaften international nicht geschäftsfähig sind, da nicht sicher gestellt ist, ob eine Handlung juristisch oder politisch bedingt sind. Eine dicke Ohrfeige für das überhebliche deutsche Rechtssystem.

In der Regel funktioniert das Rechtssystem trotzdem, weil es schlecht möglich ist, sämtliche Staatsanwaltschaften politisch zu kontrollieren. Im Rahmen der Corona-Maßnahmen ist die Politik allerdings ins Hintertreffen geraten, so dass sie sich spezielle Staatsanwaltschaften geschaffen hat, die sie kontrollieren kann: die Zentralstellen für die Verfolgung von Hasskriminalität. Relativ verharmlosend heißt es dazu auf der Webseite der brandenburgischen Zentralstelle:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, einen Beauftragten gegen Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg zu bestellen. Zur effektiven Verfolgung von Hate-Speech-Delikten und digitaler Gewalt sollen das Fachwissen und die erforderlichen Ressourcen zentral gebündelt werden. Neben der Koordinierung der Zusammenarbeit bei überregionalen Verfahren im Bereich der Hassgewalt wird der Beauftragte gegen Hasskriminalität mit der Aufgabe der Beratung der Staatsanwaltschaften in fachspezifischen Fragen betraut. Dabei soll auch die juristische Aus- und Fortbildung an veränderte Herausforderungen des strafbaren Hasses im Netz für die Strafverfolgung angepasst werden.Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und Personalstellen des Ministeriums der Justiz



https://staatsanwaltschaften.brandenburg.de/sta/de/gsta/zentralstelle-zur-bekaempfung-von-hasskriminalitaet/

Tatsächlich sieht es so aus, dass die Staatsanwaltschaften, die in normalen Zeiten mehr als 90% der Strafanzeigen schlicht abweisen, angewiesen sind, Fälle, in denen Politiker involviert sind, nicht zu bearbeiten, sondern an die Zentralstelle abzugeben. Und die weist in der Regel eben nicht ab, sondern zieht das komplett bis zum Strafbefehl durch, egal worum es geht.

Nun ist Hass genauso wenig eine Straftat wie Liebe, Abneigung, Fußpilz oder Pickel, d.h. der Titel ist bereits eine Irreführung. Der ist aber in gewisser Hinsicht notwendig: §143(4) GVG erlaubt die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für außergewöhnliche komplizierte Sachlagen, und dazu musste der strafrechtlich nicht existierende Begriff „Hass“ herhalten. Allerdings spricht §143 GVG von Sachlagen als Rechtfertigung, während in der Realität die Zentralstellen für bestimmte Gruppen von Leuten (Politiker) zuständig sind und für alle Sachlagen, die diese Gruppe betreffen. Die Zentralstellen entsprechen somit nicht den Anforderungen des GVG und sind darüber hinaus auch verfassungswidrig nach Art 3(3) GG, das Bevorzugung aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit verbietet.

Damit sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt: wenn ein Politiker einen Bürger wegen welchen Verbaldelikts auch immer anklagt, er macht das nicht, weil er sich beleidigt, bedroht oder sonst was fühlt, wie der StaSiAnwalt steif und fest behaupten wird, er nutzt ganz einfach ein selbst geschaffenes Werkzeug, um Kritiker verfolgen zu lassen.

Das Werkzeug wird seinem Auftrag in der Regel dadurch nachkommen, dass es nach einigen Formalia, die aber inhaltlich ignoriert werden, einen Strafbefehlsantrag erstellt. Der geht an das zuständige Amtsgericht, das nach Prüfung (oder auch nicht) gemäß §408 StPO den Strafbefehl erlässt oder das verweigert. Ziel ist natürlich, dass ein Strafbefehl erlassen wird. Das erreicht die StaSiAnwaltschaft meist durch eine stark verkürzte, den Rechtsprinzipien nach §15 StGB, §160 StPO und Art. 5 GG widersprechende Version der Handlung liefert. Beispielsweise kann ein Richter beim Foto einer Person mit erhobenem ausgestreckten Arm+Hand nicht entscheiden, ob da jemandem zugewunken wird, der Betreffende nur gerade seinen Pullover angezogen und den Arm durch den Ärmel gesteckt hat oder ein Hitlergruß gezeigt wird. In der Regel wird er sich auf die Versicherung des StaSiAnwalts verlassen, dass da ein Hitlergruß gezeigt wurde, und einen Strafbefehl erlassen. Wer jetzt keinen Einspruch erhebt und auf die Erfassung der Gesamthandlung besteht, hat verloren. Vermutlich zahlen die meisten und schweigen fortan.

Welche Ausnahme das inzwischen angenommen hat, zeigt die Prägung des Wortes „Strafanzeigeritis“ in verschiedenen Medien. Manche Politiker wie Chebli oder die Kriegsindustrielobbyistin Flak-Zimmermann kommen in ihren besten Zeiten auf bis zu 200 Anzeigen pro Monat.

Wer mit so einem Strafbefehl belastet wird, sollte (sofern er nicht wirklich Scheiße gebaut hat) Einspruch einlegen. Endet das Verfahren mit einem Freispruch, hindert das die StaSiAnwaltschaft nicht, weiter Druck durch eine Berufung zu veranstalten. Die muss das folgende Gericht allerdings nicht annehmen, wenn es keine Aussicht auf Erfolg sieht. Falls doch, geht es weiter, womit der Beschuldigte aufgrund des Anwaltzwangs ab bestimmten Instanzen auf jeden Fall geschädigt ist, denn die Anwälte arbeiten in der Regel nicht zu den Tarifen, die der Staat bei Freispruch ersetzt. Recht bekommen und trotzdem 5000 € ärmer kann durchaus Realität sein. Allerdings gibt es am Ende des Weges, sofern man sich immer noch im Recht sieht, noch die Möglichkeit, eine Verurteilung vor dem BVerfG anzufechten, da die Einrichtung „Zentralstelle“ mit hoher Sicherheit verfassungswidrig ist und eine solche Institution aus formalen Gründen gar nicht klagen darf (Formfehler).

Ich hoffe, das nützt dem einen oder anderen Opfer etwas.