Wir sollen wir den Krieg in der Ukraine beurteilen?

Anhand von Logik und Tatsachen oder Selenskys Kriegspropaganda?

von Dr. Hermann Hinsch

Natürlich übernehmen wir nicht Putins Behauptung, alles wäre nur eine „Militärische Spezialoperation“. Russland führt Krieg. Kann es aber so kommen, wie manche befürchten: „Putin wird sofort gegen die NATO zuschlagen, wenn er sich hierzu stark genug fühlt (Arnold Vaatz, Tichys Einblick 08/2022).

Dies Gefühl der Stärke wird bei Putin kaum aufkommen. Seine Armee wird nie so sein wie die Rote Armee. Die konnte beliebige Verluste ersetzen, die Sowjetunion hatte fast doppelt so viele Einwohner wie heute Russland, und es gab noch nicht den Rückgang der Bevölkerungszahl. Als man hier in Deutschland noch originale russische Wochenzeitschriften bekam, konnte man immer lesen, welche Sorgen der Bevölkerungsrückgang machte. Wie sollte man mit immer weniger Menschen das Riesenreich von Königsberg bis Wladiwostok zusammenhalten? Wenn russische Spinner von einer russischen Herrschaft von Lissabon bis Wladiwostok schwafeln, muss man Schiller zitieren: „Leicht wohnen beieinander die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.“

Oder die Wiederherstellung der Union der 15 Republiken? In besagten Zeitschriften wurde regelmäßig geschrieben, wie froh man über die Auflösung der Union sein konnte. Zwischen den 15 Republiken gab es einen Finanzausgleich. Nur Russland und Aserbaidschan zahlten ein. Wer war größter Empfänger? Die Ukraine.

Große Eroberungen kann Russland bei seiner heutigen demographischen Situation nicht planen. Putin muss bedenken: Wird ein russischer Soldat getötet, so war der sehr oft das einzige Kind seiner Eltern.

Ganz schlimm ist nach Arnold Vaatz die tatsächliche oder geplante Unterdrückung und zwangsweise Russifizierung des ukrainischen Volkes „Putin hätte dieses Land …. annektiert, alles Ukrainische bis hin zur Sprache ausgelöscht und aus ihm eine Kolonie des russischen „Herrenvolkes“ gemacht.“

Was sind Ukrainer überhaupt? Früher teile man Russland ein in Großrussland, Weißrussland und Kleinrussland. Auf dem Gebiet von Kleinrussland entstand das russische Volk. In Kiew residierten die ersten russischen Großfürsten. Kiew gilt als die Mutter der im Osten später entstandenen Städte. Die einzelnen Teile Russlands kamen alle für Jahrhunderte unter die Herrschaft verschiedener fremder Mächte und verloren den Kontakt untereinander. Da entstanden Dialekte, die heute als Sprachen gelten.

Die heutige Situation in Weißrussland ist eigentlich die gleiche wie in Kleinrussland, jetzt Ukraine genannt. Nur hat man dort genügend wirkliche Probleme und die Frage nach der Sprache und Nation wurde ganz nach hinten geschoben.

In welchem Land wohnen die Ukrainer, und wer hat dessen Grenzen festgelegt? Die Sowjetunion, und zwar sehr großzügig. Hätten die Sowjets entschieden, die Ukraine solle so weit reichen, wie die Bevölkerung überwiegend Ukrainisch spricht, so wäre das Land kleiner.

Die Russen sehen sich nach Arnold Vaatz als „Herrenvolk“. Sie haben Süd-Ossetien und Abchasien geholfen, sich von der Herrschaft der Georgier zu befreien, aber sie haben diese Länder nicht annektiert und führen sich dort nicht als „Herrenmenschen“ auf. Das tun sie auch nicht gegenüber den Völkern innerhalb Russlands. Das größte dieser Völker sind die Tataren, die meist in und um Kasan leben, über 5 Millionen Menschen. Tataren sind ein islamisches Turkvolk. Was machen die Russen mit denen? Sie leben mit ihnen in Frieden. Nie hat man von irgendwelchem Ärger gehört. Die tatarische Sprache ist als Amtssprache zugelassen.

Nein, als „Herrenmenschen“ führen sich die Ukrainer auf und unterdrücken alles Russische. Odessa liegt außerhalb des ukrainischen Sprachgebiets. Die Menschen sprechen russisch. Fragt man in Bussen und Straßenbahnen, wo man umsteigen oder aussteigen muss, wird einem das vom Personal oder anderen Fahrgästen freundlich erklärt, natürlich in russischer Sprache. Aber alle Hinweisschilder, überhaupt sämtliche öffentlichen Informationen, sind in ukrainischer Sprache, wie auch alle Lautsprecherdurchsagen. Das müssen die Bürger der Stadt jeden Tag ertragen.

Odessa hat Schlimmeres erlebt. Was ich jetzt wiedergebe, ist nicht die russische Version, sondern stammt aus WIKIPEDIA, LTO (Legal Tribune Online) und anderen westlichen Quellen. Die Bürger von Odessa hatten seit Mitte April 2014 auf einem großen Platz (Kulikowo Polje) eine Dauer-Demo eingerichtet gegen die zwangsweise Ukrainisierung. Ob als Organisatoren oder nur Mitläufer, jedenfalls waren Anti-Maidan/pro russische Aktivisten dabei. Man hatte Zelte aufgebaut.

Nun fand am 02. Mai 2014 in Odessa ein Fußballspiel zwischen Tschernomorez Odessa und Metalist Charkiw statt. Letztere Stadt liegt im ukrainischen Sprachgebiet, und von dort kamen etwa 2.000 Fans nach Odessa. Denen ging es aber nur nebenher um Fußball, vor allem wollten sie etwas gegen die russisch sprechenden Bürger von Odessa unternehmen. Sie marschierten durch die Innenstadt, zeigten antirussische Plakate und brüllten entsprechende Parolen. Die Leute der Bürgerdemo stellten sich ihnen entgegen. Von beiden Seiten wurde geschossen, bis zum Abend gab es 6 Tote. Gegen einen pro-ukrainischen Aktivisten wurden später Mordermittlungen durchgeführt, weiter kümmerten sich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht um diese Straßenschlacht.

Die Teilnehmer des Bürgerprotestes waren die Verlierer, sie zogen sich auf das Zeltlager zurück. Daraufhin griffen die pro-ukrainischen Fans das Lager an und setzten die Zelte in Brand. Viele Leute der Bürgerdemo liefen in ein Bürohaus und glaubten sich dort sicher. Aber, nach ukrainischer Version, ging das Gebäude „aus weiterhin nicht geklärten Umständen“ in Flammen auf. Im Feuer starben 32 Personen und weitere 10 verloren ihr Leben, als sie aus den Fenstern sprangen.

Die Polizei griff nicht ein. Erst nachdem sich die Lage beruhigt hatte, wurden etwa 100 Teilnehmer der Bürgeraktion festgenommen, also der Leute, die gegen eine zwangsweise Ukrainisierung protestierten. Keiner der in die Stadt eingeströmten pro-ukrainischen Aktivisten wurde festgenommen, denn diese hätten gegen keine Gesetze verstoßen und nur „bewaffnete Terroristen“, also die Teilnehmer der Bürgeraktion, bekämpfen müssen. So sagte es der Gouverneur des Regierungsbezirks Odessa.

Allerdings ließ man die Inhaftierten wieder frei, die meisten am 04. Mai. Einige blieben jedoch 3 Jahre in Untersuchungshaft. Allein einer aus der anti-ukrainischen Bürgerdemo wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Er war jedoch rechtzeitig entwischt und konnte nur in Abwesenheit verurteilt werden. Trotz 42 Toten: Mordermittlungen wurden nicht aufgenommen und die pro-ukrainische Seite blieb von Polizei und Justiz völlig verschont.

Für die pro-ukrainischen Nationalisten war die ganze Aktion also ein voller Erfolg, den russischsprachigen Stadttrotteln hatte man es mal so richtig zeigen können! Wie kommt es dann, dass bisher nirgends eine solche Aktion wiederholt wurde? Vermutlich, weil die Aktion im Westen gar nicht so gut ankam. Europarat und UN forderten die Ukraine auf, ordentliche Ermittlungen durchzuführen, was die Ukraine nie tat. Aber die Kritik aus vielen Ländern ließ die ukrainische Regierung doch nicht ganz unberührt.

Das würde anders, sollte Selensky den Krieg gewinnen. Dann bräuchten die ukrainischen Nationalisten auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen.