Corona und die Unmöglichkeit, Strichlisten zu führen

Gestern hab es einen Artikel, in dem Dr. Wolfgang Wodarg zu Wort kam, nach dessen Ansicht die derzeitigen Maßnahmen völlig überzogen sind. Natürlich melden sich auch andere zu Wort, die eine andere Ansicht vertreten. Teilweise sind dies ebenfalls Leute vom Fach, teilweise allerdings auch Berufspolitiker und Leute wie Stefan Rahmstorf vom PIK. Ähnlich wie ein Jurastudium scheint ein Studium der Klimafantasie jemanden zu einem Fachmann in allem zu machen.

Eigentlich sollte es in Sachen Covid-19 noch einfacher sein als in der Energiewirtschaft, Zahlen zu liefern, an denen man sich orientieren kann. Leider Fehlanzeige, angefangen bei den Fallzahlen. Da meldet die zentrale Sammelstelle der WHO knapp über 7.000 Fälle für Deutschland und legt mit einem Tag Verspätung auf die 8.200 nach, die das Robert-Koch-Institut ausweist. Derweil zählt Tichys Einblick direkt bei den Bundesländern und kommt auf fast 11.000, merkt aber an, dass Brandenburg fast 3 Tage lang keine Updates gemacht hat. In Zeiten der Echtzeitdatenverarbeitung für jedermann ist das Durcheinander unverständlich. Anscheinend verstehen die Behördern den Begriff „Echtzeitdaten“ in der Form „jetzt wird es echt Zeit, Daten zu aktualisieren“.

Aber mal der Reihe nach, damit das Chaos deutlicher wird. Allgemein als Grippe-Viren bezeichnete Virengruppen vagabundieren Jahr für Jahr durch die Bevölkerung. Typischerweise heißen sie auch „Erkältungskrankheiten“, nur mal so als kleiner Wink an die Leute, die meinen, wenn es tatsächlich ein wenig wärmer wird, gehe die Welt unter. Da die Stämme unterschiedlich heftig zuschlagen, werden die Grippewellen von den Gesundheitsämtern beobachtet, um zu prognostizieren, welche Stämme in der nächsten Saison gefährlich werden könnten, um danach die Impfungen zu gestalten. Im Fachchinesisch liest sich das beispielsweise so:

https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2019_2020/2020-11.pdf

Insgesamt läuft eine Saison so ab, dass die meisten Leute mit geringen Symptomen gar nicht erst erfasst werden. Sie gehen zur Arbeit, weil ein Schnupfen nicht der Rede wert ist, bleiben einen Tag zu Hause und sind dann wieder einsatzbereit oder retten sich übers Wochenende. Ein weiterer Teil ruft den Hausarzt an, der nach kurzer Begutachtung den gelben Schein ausstellt. Allein für die 11. KW 2020 sind das ca. 290.000 Arztbesuche, die da zusammen gekommen sind.

Um zu aussagekräftigeren Daten zu gelangen, nehmen ausgewählte Arztpraxen an Studien teil (es wird eine Zahl von 550 genannt), d.h. man beschäftigt sich genauer mit den Patienten und teilt die Ergebnisse den zuständigen Behörden mit. Bei schwereren Erkrankungen müssen alle Ärzte Meldungen erstatten und man bemüht Laboruntersuchungen. In dieser Saison sind das bislang 165.036 und für die 10. KW alleine 17.241, in denen Influenza diagnostisch bestätigt wurde. In 12% dieser Fälle ist ein Krankenhausaufenthalt notwendig. Insgesamt sind bislang 265 Menschen an Influenza gestorben.

So weit dazu. Was allerdings fehlt, sind Daten über Fälle, in denen es sich NICHT um Influenza handelt.

Seit dem Februar wird nun auf Covid-19 getestet. Die Lageberichte gibt es hier:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html

Getestet wir allerdings erst, nachdem das Virus mutmaßlich bereits 1 Monat unterwegs war, in welcher Form auch immer. Der geschätzte Infektionsbeginn geht bis zum 23.1.20 zurück. Verstecken sich unter den Influenza-Fällen auch Corona-Fälle? Und auch hier fehlt wieder die Angabe, wie viele Tests insgesamt gemacht wurden. Eigentlich sollte es doch nicht so schwer sein, eine Excel-Tabelle zu erstellen, in dem die Zahl der Patienten, die Zahl der Tests (nebst dem Typ des Tests) und die Zahl der positiven Tests aufgelistet sind. Strichlisten eben.

Ein Ergebnis des Corona-Hypes ist auch, dass viele Menschen verunsichert sind und sich bereits mit einer roten Nase beim Arzt melden, was sie in einer normalen Grippesaison nicht gemacht haben. Viele wollen eben auch einen Test haben, aber inzwischen werden anscheinend die Testkapazitäten knapp, so dass vielfach bereits Tests nur noch dann durchgeführt werden, wenn das Krankheitsbild danach aussieht. Das ist aber die gleiche Vorgehensweise wie bei der Influenza: zu viele Tests sind wohl möglicherweise negativ verlaufen, nun werden im Gegenzug viele Corona-Erkrankungen möglicherweise nicht mehr sicher erkannt, denn die Ähnlichkeit der Symptome zu anderen Virenerkrankungen ist einfach zu hoch. Auch das wäre aber eine Strichliste wert: wie viele Leute gehen zum Arzt, wie viele werden getestet, wie viele der nicht getesteten erkranken schwer und erweisen sich doch als Corona-Patienten?

Worüber es ebenfalls keine Strichliste gibt: wie viele der Patienten sind inzwischen wieder gesundet?

Wie man es auch anfasst, ein Teil der Zahlen, die für eine Gesamtbewertung interessant wären, steht nicht zur Verfügung. Bei den zur Verfügung stehenden Zahlen kommt man ohne Taschenrechner nicht aus, wenn man sie zu einem relativen Gesamtbild zusammen setzen möchte. Und das fehlt derzeit irgendwie. Die Art, in der derzeit die gesamte Wirtschaft in den Sumpf gefahren wird, kann noch wesentlich schlimmere Auswirkungen haben als die Corona-Epidemie. Hier eine Open-End-Parole des Shutdown auszugeben, wie dies derzeit die Politik macht, zeugt von noch größerer Planlosigkeit als die Reaktion auf das Virus.