Der Mensch ist ein soziales Wesen, will heißen: man trifft in meist in Gruppen an, und wenn jemand in sichtbarer Not ist, wird in der Regel geholfen. Warum das nicht ausnutzen und sich übernational zusammentun? So die Grundidee der EU, und eine Menge Leute bemühen sich, so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa (USE) zu formen.
Allerdings gibt es im Kleinen bereits solche Probleme, dass man das Funktionieren einer USE mit Fug und Recht bezweifeln darf. Da ist nicht nur das allgegenwärtige Flüchtlingsproblem erst kürzlich Zugewanderter, da ist auch das hartnäckig verschwiegene Problem der schon länger hier Zugewanderter, die seit eh und je Parallelgesellschaften bilden, ohne dass sich über Jahre und Jahrzehnte etwas daran geändert hätte.
Nun kann man auch argumentieren, „das sind die Primitiven, die Probleme machen“, und sucht flugs Beispiele gelungener Integration. Und in der Tat gibt es ja auch viele „Südländer“, die mit den Weißbroten der Urbevölkerung abhängen, ohne dass man irgendeine Form der Ausgrenzung beobachten kann. Wird ein Südländer vielleicht beim ersten Kontakt noch argwönisch begutachtet, ändert sich das meist, wenn ein reguläres Gruppenmitglied „das ist mein Kumpel Mahmut“ verkündet und der neue Kumpel sich mit „Yep, wir kennen uns vom Sportverein und haben schon so manche Nacht zusammen durchgemacht“ zulegt. Also doch eine Chance?
Nicht wirklich. Der Mensch ist nämlich noch stärker als ein soziales ein kommunikatives Wesen, und da liegt das Problem. Im Urlaub mit Leuten anderer Nationen klarzukommen ist kein Problem, denn ein Brot kann man auch durch draufzeigen kaufen (obwohl die Probleme bereits da beginnen, wenn der deutsche Rentner ein Zigeunerschnitzel und kein NoComprendo essen will und das Verständigungsproblem offenbar nur an der Lautstärke liegt, mit der der Wunsch geäußert wird). Der Urlaub ist aber eine Sondersituation, das tägliche Leben etwas anderes. Eine Kommunikation kann nur funktionieren, wenn alle die gleiche Sprache sprechen. Und das tun sie eben nicht.
Im Kleinen fängt das dort an, wo eine Gruppe Türkisch, Arabisch oder sonst was schnackt und dabei auch noch aufgeheitert wirkt. Alle anderen, in diesem Fall die Biodeutschen, werden von der Kommunikation ausgeschlossen, und wenn man nicht weiß, um was es geht, bauen sich automatisch innere Widerstände auf. Machen die sich über mich lustig? Wollen sie mich gar anmachen? Diese Reaktion ist mehr oder weniger Basispsychologie und hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Man kann sich in der Beziehung auch mal einer Selbstbeobachtung unterziehen. Stößt man in der Öffentlichkeit auf eine Gruppe, deren Mitglieder aussehen wie man selbst, die aber Russisch quatscht, ist die Distanz sofort größer als zu einer Gruppe Südländer, die fröhlich Deutsch sprechend durch die Gegend zieht. Dabei geht es gar nicht darum, die Leute zu belauschen, sondern nur darum, rechtzeitig verstehen zu können, wenn sich etwas aufbaut. Das Fremde wird oft weniger am Aussehen als an der Sprache identifiziert, und Leute, die in Rostock über einen Markt marschieren und sich misstrauisch beobachtet fühlen, sollten sich einmal fragen, ob das tatsächlich an ihrem südländischen Aussehen liegt oder eher daran, dass sie lautstark Georgisch lamentierend über den Platz marschieren.
So weit zum Kleinen. Bezügliche der USE kommen noch viele unterschiedliche Nationalitäten und Mentalitäten dazu. Kernstück ist aber auch hier erst einmal die Sprache. Für die USE-Verfechter ist kein Problem in Sicht, wobei sie übersehen, dass sie permanent mit einem Knopf im Ohr durch die Gegend pilgern und ihnen ein Dolmetscher vorflüstert, was der Kollege aus Slowenien gerade gesagt hat. Mit so einem Babelfisch lässt sich natürlich leicht leben. Anders sieht das für den Normalbürger aus. Schließlich ist das Leben in der USE kein Urlaub, und man muss deutlich komplexere Sachverhalte ausdrücken als in der Boulangerie oder Charcuterie. Und da passiert es dann, dass man sich als Deutscher an die Zentralverwaltung in Brüssel mit einem Anliegen wendet und von dort die Antwort bekommt
„We are not able to process your request. Please send us your request in English or French“
bekommt. Was schon in zweierlei Hinsicht bemerkenswert ist: Deutsch wird, wenn man Österreich, die Schweiz und einige Minderheitsgebiete dazu rechnet, von annähernd 100 Mio. Menschen in der 500 Mio Einwohner zählenden EU gesprochen, und die Zentralverwaltung versteht das nicht? Und dann soll ausgerechnet Englisch geschrieben werden, wo doch die Briten gar nicht mehr in der EU sind (nun, ja, die Iren schon, aber sind die der Maßstab?).
Illusion EU, bzw. USE! Wie soll etwas funktionieren, wenn man als Bürger nicht in der Lage ist, seiner Zentralregierung klar zu machen, was man von ihr will? Selbst wenn es für Deutsche ginge, bliebe immer noch der Slowene und viele andere kleinere Nationen. Sollen die alle ausgegrenzt werden? Regiert von einer USE-Dikatatur, die sich Demokratie schimpft? Sorry, das kann und wird nicht funktionieren! Eine Gruppe Berufsbunter mag vielleicht in der Lage sein, so ein Gebilde zusammen zu zwingen, aber die Widerstände werden wachsen, und zwar aus ganz primitiven psychologischen Gründen: dieses Gebilde berücksichtigt nicht, dass der Mensch vorzugsweise eine kommunikative Spezies ist. Keine Kommunikation – aus die Maus. Es wäre wünschenswert, wenn die „Macher“ der EU sich nicht nur an ihren politischen Illusionen orientieren würden, sondern auch die Grundprinzipien menschlichen Zusammenlebens, und die EU auf das zurückfahren würden, was das übernationale Zusammenleben erleichtert. Aber so lange man nicht einsieht, dass Naturgesetze absolut undemokratisch und humorlos sind …