Sehr geehrter Bundespräsident Steinmeier,
Sie haben sich überaus positiv über die Protestaktion Friday-4-Future geäußert. Solche Aktionen haben wir, nebenbei bemerkt, während meiner Schulzeit in den 1960er Jahren auch durchgeführt und die gesamte Innenstadt lahm gelegt, allerdings außerhalb der Schulzeit, wie es sich gehört. Es ist verwunderlich, dass Sie wie der Rest der Nation beim Lob aufhören und keine klaren Worte darüber hinaus finden.
Egal wie man nun zur Klimafrage steht, zwei Punkte sollten eigentlich jedem klar sein:
- Man kann die Lebensbedingungen von 80 Mio Menschen oder 8 Mrd im größeren Rahmen (die deutsche Bevölkerung macht ja gerade mal knapp 1% der Weltbevölkerung aus) nicht von heute auf morgen ändern, wenn man überleben will, Klima hin oder her. Ein radikaler Umbau innerhalb weniger Jahre ist nicht möglich.
- Egal welche Änderungen durch einen Klimawandel eintreten, man kann ihnen am Besten auf hohem technischen Niveau entgegentreten, und dazu braucht es Bildung.
Eigentlich – denn gerade der Posten „Bildung“ wird durch eine 4-Tage-Schulwoche bei vollem Zensurenausgleich nun nicht gerade gefördert. Aber genau an der 4-Tage-Variante arbeiten nun Politik und Presse mit vollem Einsatz. Ich war über 20 Jahre Hochschullehrer, und ich darf Sie versichern: ich weiß, welche gravierenden Bildungsmängel die junge Generation auch ohne einen zusätzlichen freien Tag aufweist. Und die von Grünen und anderen Parteien betriebene Deindustrialisierung Deutschlands und Verteufelung der Technik ist ebenfalls alles andere als hilfreich, wenn es um Techniken geht, die helfen sollen, Änderungen der Lebensbedingungen zu bewältigen. Warum fehlt jeder Hinweis von Ihrer Seite auf diese wichtigen Zusammenhänge?
Was bei näherer Betrachtung auch schnell deutlich wird: weder Greta noch die gesamte Jugendbewegung noch die sich nun flankierend aufstellenden 12.000 Wissenschaftler können irgendeinen Plan vorweisen, und schon gar keinen funktionierenden. In diesem Sinn handelt es wohl eher um 12.000 Scharlatane. Eigentlich sollte auch das jedem klar sein: es sind zunächst einmal technische Probleme, die gelöst werden müssen. Beispielsweise wieviel elektrische Energie brauchen wir bis zum Jahr X, und wie können wir sie produzieren? Erst dann, aber auch erst dann, kann man fordern, beispielsweise Kohlekraftwerke still zu legen. Wie soll man aber zu technischen Lösungen kommen, wenn in den Kommissionen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen, vorzugsweise Soziologen, Juristen und Politologen sitzen, die selbst zugeben, keine Ahnung von Technik zu haben? Warum weisen Sie nicht auf diese elementaren Vorgehensweise in der Technik hin?
„Konventionelle Kraftwerke stilllegen“ – so lautet eine der zentralen Forderungen. Kurzfristig geht es um eine Handvoll. Derzeit sind weltweit 1.400 – in Worten: eintausendvierhundert – konventionelle Kraftwerke im Bau oder geplant, in den meisten Fällen Kohlekraftwerke. Und hier soll ohne wirklichen Plan mit gigantischem Aufwand 1-2% dieser Anzahl stillgelegt werden? Ersatz durch Gaskraftwerke bis 2030 – lieber Herr Bundespräsident, als Politiker wissen Sie selbst, dass unabhängig von der technischen Ausführung in dieser Zeit schon alleine aufgrund der Genehmigungsprozesse kein einziges gebaut werden wird.
Warum, Herr Bundespräsident, geht kein einziger dieser Gesichtspunkte in die Diskussion ein? Warum, Herr Bundespräsident, lassen sie ideologische Politiker und Journalisten so in wirklich unverantwortlicher Weise tatsächlich mit der Zukunft der nächste Generationen herumspielen? Warum, Herr Bundespräsident, hat rationales und pragmatisches Denken zur Zeit überhaupt keine Chance?
Mit ziemlich pessimistischen Blick in die Zukunft