Satte drei Jahre beschäftigt der Diesel-Skandal nun die Welt. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.
1. Die Rahmenbedingungen
Die Fahrzeughersteller müssen bestimmte Leistungswerte einhalten. Im Wesentlichen sind dies
- Kraftstoffverbrauch: flottenbezogen darf ein vorgegebener Gesamtverbrauch, ausgedrückt in CO2-Produktion nicht überschritten werden. Bei den heutigen Kraftstoffpreisen, die zu mehr als 2/3 aus Steuern bestehen, ist ein niedriger Verbrauch auch ein Kaufargument.
- Feinstaubausstoß: der darf pro Fahrzeug einen vorgegebenen Wert nicht überschreiten. Dies gilt ebenfalls für den
- Stickoxidausstoß.
Das Problem der Motorbauer: die Größen sind nicht unabhängig voneinander. Optimiert man einen Wert, läuft ein anderer möglicherweise aus dem Ruder.
Gemessen wird alles auf Prüfständen, nicht aber im laufenden Verkehr. Die Prüfstandsbedingungen haben aber nur bedingt etwas mit der Realität zu tun. Am auffälligsten ist das beim Kraftstoffverbrauch, der im Realbetrieb in der Regel deutlich oberhalb der angegebenen Zahlen liegt. So eine Sache ist die Geschichte mit dem Feinstaub: Bremsen und Reifenabrieb sowie andere natürliche Quellen dürften einen größeren Einfluss haben als die Motoren. Zusätzlich kommt es, und das wird in den Berichten grundsätzlich unterschlagen, auch auf die Chemie des Feinstaubs an.
2. Wer hat manipuliert?
Auf der Betrügerliste stehen im wesentlichen die deutschen Unternehmen VW (als Konzern mit mehr oder weniger allen Marken) und Mercedes-Benz. BMW ist bislang außen vor geblieben, ebenso die in Deutschland produzierenden, aber nicht deutschen Hersteller Opel und Ford. Die asiatischen Hersteller sind bislang komplett aus der Schusslinie. In Frankreich ist Renault unter Verdacht geraten, und in den USA wird auch GM und Fiat der Trickerserei verdächtigt, was aber bislang keine Auswirkungen auf den EU-Raum hat. Da man nach drei Jahren wohl Fahrzeuge jedes Herstellers einmal im ausführlicheren, d.h. nicht Prüfstand-Test gehabt haben sollte, scheint dort wirklich nichts Greifbares vorzuliegen. Der Dieselbetrug ist somit mehr oder weniger „Made in Germany“.
Betrug ist aber nicht gleich Betrug. Einzig VW scheint auf die Karte „ich erkenne den Prüfstand“ gesetzt zu haben, während MB an und für sich zulässige Abschaltungen auf der Straße zu großzügig ausgelegt hat. Ähnlich MB scheinen sich die anderen Unternehmen, die in den USA oder Frankreich aufgefallen sind, verhalten zu haben.
3. Warum wurde manipuliert?
Lediglich bei VW scheint die Ursache ziemlich eindeutig zu sein. VW hat anscheinend in der Optimierungsliste auf das falsche Pferd gesetzt und eine Motortechnik favorisiert, die besonders sparsam arbeitet. Da dabei höhere Temperaturen bei der Verbrennung zum Einsatz kommen, entsteht auch mehr NOx. Motorentwicklungslinien können aber nicht so schnell umgestellt werden, wie sich Gesetze und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ändert. Die Abgasreinigung kommt jedenfalls mit den Mengen nicht klar, und da auch das standardisierte Einrichtungen von Zulieferern sind, fällt dort eine Änderung ebenfalls nicht so leicht. Die Abhilfe besteht eben darin, den entsprechenden Test auf dem Prüfstand zu erkennen und die Motorkennlinie für die Testdauer so anzupassen, dass die Werte eingehalten werden. Natürlich stimmt dann alles andere nicht mehr, aber das wird ja auch nicht getestet.
Bei MB ist die Sache nicht so eindeutig. Aus technischen Gründen kann es notwendig sein, die Filter zeitweise abzuschalten oder einen Regenerierungslauf durchzuführen. Partikelfilter können sich beispielsweise zusetzen, wenn durch Kurzstreckenfahrten die notwendige Betriebstemperatur nicht erreicht wird, und die Motorsteuerung kann darauf mit einer zeitweise erhöhten Abgastemperatur reagieren, um den Filter wieder zu entladen. Für Stickoxidfilter gilt ähnliches. Es treten also Zeitfenster auf, in denen die Filter nicht in Betrieb sind. MB scheint diese Zeitfenster systematisch, also nicht nur auf dem Prüfstand, so sehr gedehnt zu haben, dass von der Filterleistung nicht mehr viel übrig bleibt. Über die „technischen Gründe“, die MB anführt, kann man nur spekulieren, aber vermutlich wurden die Filter im Verhältnis zu der Motoreinstellung zu klein dimensioniert.
4. Wie sieht die Abhilfe aus?
Hardwarenachrüstungen sind ein Problem, den ein Filterbauteil, der bei Fortbestehen der anderen Parametern die geforderte Leisung bringt, muss ja auch im Fahrzeug einbaubar sein. Im Fall von NOx betrifft das auch den AdBlue-Zusatztank, der größer dimensioniert werden muss. Folglich setzen die Unternehmen auf Software-Umstellung.
Im Fall VW sieht das so aus, dass die Motorkennlinie, die für den Betrug verwendet wurde, schlicht in Dauerschaltung gehalten wird. Damit stimmt nun zwar das NOx, aber da der Motor nun nicht optimal betrieben wird, steigen Verbrauch und Feinstaubausstoß an, während die Motorleistung und vermutlich auch die Lebensdauer zumindest einiger Bauteile sinkt. Zu diesen Änderungen werden die Besitzer vom KBA gezwungen, dass damit gleich einen weiteren Betrug an den Fahrzeughaltern in die Wege leitet: auf dem Prüfstand zeigt sich nämlich wenig von den Auswirkungen, weshalb die Erfahrungen der Fahrer offiziell schlicht als Hirngespinst bezeichnet wird. Nach dem Betrug mit den NOx-Werten werden die Besitzer nun mit schlechteren und schneller verschleißenden Fahrzeugen betrogen.
Beim MB hat man auch auf die Karte Software gesetzt. Da die Motoren aber einem anderen Bautyp angehören, dürften die Änderungen für den Fahrer nicht so unmittelbar sichtbar sein. Vermutlich trifft ihn aber auch das vorzeitige Ableben des einen oder anderen Bauteils, was bei den Preisen der Nobelmarke schon ins Geld gehen wird.
5. Fahrverbote
Trotz allem Hin und Her kommt es inzwischen zu Fahrverboten in Städten, was ziemlich schizophren ist. Die Luftverschmutzung ist im Vergleich zu den Zeiten der totalen Fahrverbote in den 1980er Jahren im Grunde nicht vorhanden, obwohl ähnliche Wetterlagen wie damals häufiger vorliegen. Wieso es für die Umwelt besser sein soll, wenn der Verkehr sich nun durch bislang ruhige Straßen quält und anstelle der gesperrten Strecke von 1 km nun einem Umweg von 4 km in Kauf nehmen muss, wird von den Grünen, die hinter dem Unfug stehen, nicht beantwortet, denn in Summe wird dadurch deutlich mehr an Abgasen aller Art in die Luft geblasen. Den Druck dafür liefert die (vermutlich von den Grünen finanzierte) Deutsche Umwelthilfe, deren Chef im großstadtfernen Bodenseebereich residiert und daher gar nicht persönlich betroffen ist, und die ganz offen die Geschichte vor Gericht „bis zum Aus für die Unternemen“ durchfechten will.
Dabei ist der Zusammenhang zwischen dem Einen und dem Anderen ebenfalls alles andere als systematisch durchdacht. Die Messergebnisse hängen nämlich von
- der Aufstellung der Messeinrichtung (Entfernung von der Straße, Höhe),
- der Anzahl der passierenden Fahrzeuge,
- dem Verkehrsfluss (Stop and Go oder gleichmäßig fließender Verkehr) und
- von der Wetterlage (Wind usw.)
ab, und die Grenzwerte werden mehr oder weniger willkürlich von der Politik immer wieder nach unten korrigiert. Also auch hier Laborwerte, die in der Realität nicht erfüllbar sein müssen, auch wenn die Fahrzeuge einen geringeren Ausstoß haben. Bei den Grenzwerten ist inzwischen die Situation entstanden, dass am Arbeitsplatz 950 μg für 8 Stunden/Tag und 5 Tagen/Woche medizinisch völlig unbedenklich sind, am Straßenrand aber stundenweise (nämlich zu den Stoßzeiten und bei schlechter Wetterlage) 50 μg, also 1/20 oder knapp 5% des MAK-Wertes, absolut tötlich. Grüne Logik eben, die man so umschreiben kann:
„Der Kuchenteig besteht aus 80% Mehl, 15% Zucker, 15% Eier und …“ – „Das sind aber schon mehr als 100%!“ – „Egal, dann nehme ich halt eine größere Schüssel.
– und in der haben Grüne anscheinend einen ordentlichen Sprung.
Zusätzlich sehen die Verbote vor, dass Euro-6-Diesel fahren dürfen, obwohl Tests inzwischen ergeben haben, dass ältere Euro-4-Diesel sogar weniger Stickoxide ausstoßen, weil die Motoren noch nicht in Richtung Leistungseffizienz=höhere Brenntemperatur optimiert waren. Der Schmutzige darf, der Saubere (aber vielleicht an einer anderen Stelle Schmutzigere) nicht – Grüne Logik eben.
6. Was lernen wir daraus?
Da sich alles auf Deutschland konzentriert (für andere Länder gibt es nicht so drastische Meldungen über Maßnahmen), lassen sich zwei Erkenntnisse gewinnen:
- Deutschland ist das Schlaraffenland für Betrüger, den Betrug ist hier fast ohne Konsequenz möglich (erst jetzt wird ja gegen den einen oder anderen CEO ermittelt). Zumindest hat der Betrug für den Betrüger keinerlei Folgen in Bezug auf den Betrogenen, denn aus dem Betrug entsteht anscheinend kein Anrecht auf Entschädigung. Im Gegenteil: der Staat setzt den Betrug fort.
- Deutschland ist das Schlaraffenland für Gehirnamputierte. Vorsätzliche Dummheit hat keinerlei Folgen, sondern im Gegenteil wird absoluter Schwachsinn auch noch gnadenlos umgesetzt. Allerdings scheint das tatsächlich demokratisch abzulaufen, denn die Mehrheit der völlig faktenresistenten Gesellschaft klatscht auch noch Beifall.