EINBLICKE EINES INSIDERS: MANAGEMENTVERSAGEN UND VERKOMMENE PRAKTIKEN IN GROßKONZERNEN

von Klaus Rißler

Vor etwa 25 Jahren fiel mir während einer Fahrt mit dem ICE eine dort ausgelegte Broschüre des Jahresgeschäftsberichts der BASF in die Hand. Bereits auf der ersten Seite standen belanglose Worte etwa des folgenden Inhalts: „Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes konnten wir unsere bisherige Marktposition behaupten…”, bla, bla, bla, und so weiter und so fort. Ich hatte dabei ein regelrechtes déjà-vu, rieb mir verdutzt die Augen und musste spontan an völlig identische Phrasen meines eigenen Brötchengebers denken: Denn auch in dessen Jahresgeschäftsberichten konnte man sich alljährlich dieselbe nichtssagende Phrasendrescherei zu Gemüte führen. Was mich spontan zur Vermutung veranlasste, dass sich viele Firmen entweder womöglich desselben Unternehmensberaters bedienen – oder schlicht und ergreifend einfach nur die entsprechende Formulierung aus den Geschäftsberichten anderer Firmen abkupferten. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich noch allzu gut an die halbjährlichen Ansprachen zur “Orientierung” des Leiters eines Konzerngeschäftes, der stets mit der törichten Floskel schloss: „Let’s look forward, because we are the best“. Und fast alle klatschten Beifall, dem ich mich als einer der wenigen Anwesenden (vielleicht war ich aber auch des Englischen nicht sonderlich mächtig) allerdings stets enthielt. Nur, dass in anderen Firmen dieselben dummen Sprüche hinausgeblasen werden und natürlich auch dort alle “die Besten“ sind. Gibt es dann überhaupt noch weniger Gute oder gar Schlechte? In dem Kontext sei noch erwähnt, dass sich derselbe Chef bereits zuvor bei der Leitung eines anderen Geschäftsfeldes nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte, allerdings daraufhin keinen freien Fall hinlegte, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, sondern man ihn einfach nur „parallel“ verschob.

Obwohl mein Zuständigkeitsbereich immer derselbe blieb, gehörte ich in einem solchen Großkonzern insgesamt vier Geschäftseinheiten – oder, etwas vornehmer ausgedrückt, „Business Units“ – an. Im Rahmen unserer für diese „Business Units“ als interne Dienstleister verantwortlichen analytischen Untersuchungen war ich als Sachgebietsleiter „Analytische Dienstleistung“ innerhalb unserer Gruppe für analytische Methodenentwicklungen zuständig. Einerseits hatte ich das große Glück, nicht nur meinen Traumberuf ergriffen, sondern auch meine Traumaufgabe gefunden zu haben. Als negative Elemente dieser auf den ersten Blick verheißungsvollen Aussage spielten andererseits aber auch Neid, Missgunst und sich quasi permanent über diese ganze Zeitspanne hinziehendes Mobbing eine nicht unwesentliche Rolle, welche die hehre, anfänglich positive Einschätzung bald kompromittierten und oft genug die persönlichen Befindlichkeiten außerordentlich beeinträchtigten. Davon soll hier unter anderem berichtet werden; allerdings erlaubt der vorliegende Beitrag über das persönliche Schicksal eines Insiders nur eine winzige Momentaufnahme in das Geschehene (oder vielmehr Erlittene) – denn allein die Auflistung aller Niederträchtigkeiten könnte ein Buch mit hunderten Seiten füllen.

Neid und Missgunst bei Vorgesetzten

Bis zum Eintritt in das Unternehmen, damals einer der größten Chemiekonzerne weltweit, war ich ausnahmslos in der Forschung tätig gewesen: Zunächst in der vielstufigen organischen Synthese, danach in der biomedizinischen Analytik, bevor ich dann mit dem Eintritt in die Analytik industrieller Produkte das Metier wechselte. Als zeitlebens forschungsorientierter Mitarbeiter wurde es mir sozusagen in die Wiege gelegt, bei analytischen Neuentwicklungen (und derer gab es im Lauf der Jahre hunderte) jede der Aufgaben aus einem forschungsorientierten Blickwinkel anzugehen, und dieser Ansatz erwies sich fast immer als der richtige. Demzufolge wurde auch prospektiv gedacht und stets untersucht, ob und inwieweit es möglich wäre, ein jeweils aktuell neu entwickeltes Verfahren auch auf künftige und womöglich in naher Zukunft auf uns zukommende analoge Aufgaben anwenden zu können. Doch in dieser Herangehensweise erkannten sowohl mein unmittelbarer Vorgesetzter als auch dessen Chef in ihrer einbahnstraßenartigen Sichtweise keinerlei Sinn; so wurde ich inständig gebeten, stets nur das zu tun, was vom Auftraggeber in erster Näherung verlangt wurde. Allerdings waren diese eben keine Spezialisten, so dass dem Sachbearbeiter stets die verantwortliche Aufgabe zufiel, oftmals abweichend vom Wunsch des Auftraggebers Modifikationen durchzuführen, um dem Kunden das von ihm erwartete Ergebnis auch wirklich liefern zu können. Wäre ich der Direktive der Vorgesetzten gefolgt, was jedoch klammheimlich nicht geschah, hätten wohl reihenweise analytische Projekte entweder umso länger gedauert oder wären gar undurchführbar gewesen. Mit den so ergriffenen Maßnahmen gelang es, ein nicht zu unterschätzendes und im Bedarfsfall jederzeit zur Verfügung stehendes Polster an Erfahrungen zu sammeln, um damit den Raum für dringend erforderliche analytische Neuentwicklungen bereitzuhalten.

Natürlich ergaben sich daraus immer wieder Ansätze zu Publikationen, die leider gar nicht gerne gesehen wurden, obwohl sie eigentlich der Firma zur Ehre hätten gereichen sollen. Stattdessen wurde mir vorgeworfen, mein eigenes wissenschaftliches Süppchen auf Kosten der Arbeit meiner Kollegen kochen zu wollen; ein Vorwurf, den ich entschieden zurückwies und der sich durch meine jederzeit messbare Leistung erfolgreich widerlegen ließ. Mit absoluter Sicherheit spielten dabei Neid und Missgunst beim Vorgesetzten auch deshalb eine so maßgebliche Rolle, weil ich erstens älter war als er und ich zweitens eine qualifiziertere Ausbildung verweisen konnte – was bei ihm, obwohl ihm gegenüber niemals ein Gefühl der Überlegenheit zum Ausdruck gebracht wurde, jedoch permanente Schübe von Verfolgungswahn auslöste litt. Mein Credo galt stets ausschließlich der Sache und weder Personen noch irgendwelcher persönlicher Beweihräucherung.

“Speditives” Denken

Oft genug wurde ich mit dem, man sollte es kaum glauben, völlig irrwitzigen Vorwurf konfrontiert, dass meine analytischen Resultate viel zu schnell vorlägen, ich demgemäß nicht ausgelastet sei und mir deshalb wohl zu viel Zeit für meine wissenschaftlichen “Spielchen” zur Verfügung stünde. Als ich meinen Vorgesetzte sowohl auf den mit zahlreichen zu bearbeitenden Proben beladenen Labortisch hinwies als auch auf den Reputationsgewinn für unsere Firma durch meine (wohlgemerkt rein in der Freizeit ausgeübte) publizistische Tätigkeit, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ wortlos das Labor. Dass ich nicht nur der älteste, sondern auch erfahrenste seiner Mitarbeiter war, von dem man sehr wohl auch erwarten konnte, dass er im Gegensatz zu manch anderem jüngeren Kollegen Zeichen erkennen konnte und zu selbständigem kreativem Denken in der Lage war und somit, wie man sich im Unternehmen auszudrücken pflegte, ”speditiv” dachte, fand offensichtlich keinen Eingang in sein Spatzengehirn. Bemerkenswert dabei war, dass bei externen Besuchen dann immerzu meine intern oft genug gescholtene wissenschaftliche Qualifikation hervorgehoben wurde, die allerdings – kaum waren die Kunden oder Gäste aus dem Raum – erneut mit Füßen getreten und mit unqualifizierten, dummdreisten Sprüchen vergolten wurde.

Als dem Unternehmen gegenüber stets loyaler und jederzeit an ihrem geschäftlichen Wohlergehen interessierter Mitarbeiter setzte ich mich allerdings entschieden dagegen zur Wehr, wenn mir – wie unzählige Male der Fall – von völlig inkompetenten Personen ständig besserwisserisch in meinen Kompetenzbereich hineingeredet wurde. Das war auch mein gutes Recht, denn für eine von hohem Sachverstand geprägte Bearbeitung anspruchsvoller Aufgaben war ich ja schließlich eingestellt worden, nicht als Befehlsempfänger zur Ausübung von irgendeinem Nonsens. Zufälligerweise wurden mir – dank einer kleinen Indiskretion – einige vertrauliche Details aus meiner Personalakte bekannt, in der ich als angeblich „schwieriger“ Mitarbeiter gehandelt wurde. Eigenständiges Denken und zielgerichtetes Vorgehen sowohl bei Planung als auch Ausführung von mit dem Tagesgeschäft zusammenhängenden Aufgaben blieben demgemäß nicht nur unhonoriert, sondern wurden regelrecht sabotiert: Zwei durch nichts zu rechtfertigende und völlig aus der Luft gegriffene Abmahnungen im Abstand von nur vier Jahren, beides klare „Retourkutschen“, gegen die ich – allerdings erfolglos – Einspruch einlegte, sollten mich „disziplinieren“ und wieder auf den „Weg der Tugend“ zurückführen, streng nach der Devise „Maul halten und dem Vorgesetzten niemals zu widersprechen“, auch wenn sich dies mit meinem fachlichen Gewissen nicht vereinbarem ließ. Bekanntlich beginnt nach dem Aussprechen einer Abmahnung eine einjährige Bewährungszeit, während der auch der geringste Verstoß gegen die verfügten Disziplinierungsmaßnahmen mit einer fristlosen Kündigung geahndet werden konnte. Obwohl ich der Ansicht war, mich ständig auf einer Gratwanderung zwischen Bleibendürfen und drohendem Rausschmiss zu bewegen, erfuhr ich erst nach meiner vorzeitigen Pensionierung, dass diese Gefahr in der von mir vermuteten Art und Weise tatsächlich wohl nie eingetreten wäre – denn dafür sei meine erbrachte Leistung viel zu gut gewesen sei und man hätte auf meine umfangreiche Expertise in einem ausgewiesenen Spezial- oder „Nischengeschäft“ offenbar auch gar nicht verzichten können.

Das Unglück nahm seinen Lauf

Diesbezüglich blieb ich aber beileibe nicht der einzige, auf dem permanent herumgehackt wurde: Denn auch in einer ganzen Reihe weiterer mir bekannter Fälle von Kollegen meiner Firma wurde aus ehrlicher Besorgnis um die Prosperität des Unternehmens geübte, konstruktive Kritik als angeblich geschäftsschädigend, kontraproduktiv und zutiefst destruktiv abgebügelt – und damit den innovativen Kräften innerhalb des Konzerns nur allzu oft genug das Wasser abgegraben. Beispielsweise wurde mir des Öfteren vorgeworfen, angeblich seit langem erfolgreich angewandte Verfahren ständig verändern zu wollen. Diesem Vorwurf musste ich allerdings fast immer widersprechen, denn viele ältere, von mir innerhalb unseres Arbeitskreises übernommene Entwicklungen erwiesen sich als mit dem neuesten Stand der Forschung längst nicht mehr kompatibel und bedurften anstatt dessen einer dringend erforderlichen umgehenden Revision, sprich: Anpassung an den aktuellen Stand der Entwicklung. Mein Motto war diesbezüglich stets: Keine Methode, nicht einmal die eigene, kann auf Dauer so gut sein, dass sie nicht einmal einer entsprechenden Aktualisierung bedarf. Diese Erkenntnis ist nun beileibe nicht auf meinem eigenen Mist gewachsen, sondern eine Lebensweisheit, die sich in unsere Branche zudem aus den jedermann zugänglichen neuesten Informationen der Fachliteratur ergab, durch deren Studium ich mich stets auf der Höhe der jeweiligen aktuellen Entwicklung hielt. Dass man sich mit einem derartigen Drang zur Eigeninitiative und unabdingbarer Innovation bei den vielen erbsenzählenden Kleingeistern der oberen „Chargen“ nicht unbedingt beliebt macht, versteht sich wohl von selbst.

Konzernseitig nahm das Unglück seinen Lauf, als das Geschäft mit den Industriechemikalien mittels eines Spin-Offs zu einem eigenen Unternehmen ausgelagert und mit damals 23.000 Beschäftigen verselbständigt wurde, womit es allerdings immer noch der Kategorie „Großkonzern“ zuzuordnen war. Bald nach dem Börsengang traf das Top-Management mit der Akquisition eines „Sanierungsfalles“ eine folgenschwere Entscheidung, welche dann in letzter Konsequenz etwas mehr als 10 Jahre später zu unserer Übernahme durch einen noch größeren Konzern führen sollte. Über diese folgenschwere und für unsere erst vor kurzem neu ins Leben getretene Firma existenzielle Akquisition konnte ich damals nur ungläubig den Kopf schütteln (für die Übernahme wurde beispielsweise ein etwa vierfach höherer Kaufpreis entrichtet, als dem Wert des akquirierten Unternehmens eigentlich entsprach).

Griff in die Mülltonne

Allerdings bejubelten sowohl das mittlere als auch das höhere Management frenetisch diesen Schritt und bewiesen damit in nicht mehr zu überbietender Borniertheit, dass sie weder über die ethische noch fachliche Reife verfügten, ein Unternehmen dieser Größenordnung verantwortungsvoll in die Zukunft zu führen. Ein Rundgang der neuen Konzernleitung vor der Übernahme durch das zu erwerbende Firmengelände, der offenbar nie erfolgte, hätte das zu erwartende Desaster rasch offengelegt. Dich stattdessen hielt sich unsere anscheinend völlig inkompetente Konzernspitze wohl ausschließlich im fein nach „Window Dressing“ herausgeputzten Verwaltungsgebäude auf und ließ sich von der “geschmückten Braut” erfolgreich blenden. Die Firma überhob sich damit finanziell über Gebühr und war binnen kürzester Zeit dazu verdammt, eines ihrer lukrativsten Geschäftsfelder unter Wert zu verhökern, um die drohende Insolvenz abzuwenden. Aber aufgehoben ist ja bekanntlich nicht aufgeschoben – wie die weitere künftige Entwicklung leider zeigten sollte.

Im Zuge dieses Griffs in die Mülltonne mussten sowohl der CEO als auch der Präsident des Verwaltungsrates den Hut nehmen, beide wohlgemerkt mit üppigsten Abfindungen für eine absolut unterirdische Leistung. Doch wer auch nur im Entferntesten daran gedacht hätte, dass sich danach etwas ändern würde, sah sich bald grauenvoll getäuscht: Auch der neue CEO zog keineswegs die Konsequenzen aus der Misswirtschaft seines Vorgängers, sondern fuhr auf demselben eingefahrenen Gleis fort – und sorgte, trotz des bereits dramatisch verengten finanziellen Spielraums, mit dem Erwerb einer (wie sich alsbald erweisen sollte) ebenfalls am Tropf des Mutterkonzerns hängenden Firma für etwa 1 Milliarde Schweizer Franken für ein weiteres unrühmliches Glanzlicht, womit er einen weiteren Nagel in den Sarg des Unternehmens einschlug. Die finanziellen Turbulenzen nahmen stetig zu, der Aktienkurs sank von einem Höchststand von zwischenzeitlich 215 Franken einmal sogar auf unter 30 Franken und pendelte sich dann – als wir schließlich selbst übernahmereif waren – auf knapp über 30 Franken ein.

Begleichung “alter Rechnungen”

Womit ich beim absoluten Clou angelangt bin: Der zu Übernahme unserer Firma bereite Großkonzern bot den Aktionären 50 Franken pro Aktie an, beging dabei allerdings den fatalen Fehler, nicht noch drei Stunden (!) auf die neuesten Nachrichten von der New Yorker Wall Street gewartet zu haben, die von der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers kündeten. Hätten sie gewartet, dann hätte sich das Übernahmeangebot aufgrund global einstürzender Kurse natürlich drastisch verringert. Nun, doch das Angebot stand und ließ sich nicht mehr so ohne weiteres mit einem Federstrich vom Tisch wischen. Logischerweise geriet der CEO des übernehmenden Konzerns daraufhin enorm unter Druck, rechtfertigte sich allerdings mit dem das Statement, dass es sich bei unserem übernommenen Unternehmen ja um ein Business handeln würde, welches auf mehreren Tätigkeitsfeldern eine weltweit führende Stellung besäße.

Unter diesen Vorzeichen war jedoch von Vornherein damit zu rechnen, dass der – offensichtlich deutlich überhöhte – Kaufpreis auf Kosten der Beschäftigten kompensiert werden würde, was schlussendlich auch eintrat: Innerhalb von rund 15 Monaten wurden im Zuge eines regelrechten Kahlschlags etwa 30 Prozent der Beschäftigten unserer geschluckten Firma abgebaut – darunter viele im Zuge von vorzeitigen Pensionierungen, welche ab einem Alter von 57 Jahren griffen. Unter diese Regelung fiel auch meine Person (ich war damals 60 Jahren alt), man sich zumindest eines permanenten „Quertreibers“ entledigte. Wer allerdings darauf gewettet hätte, dass unter den übrigen, nicht unter diese Regelung fallenden Entlassenen wenigstens die „faulen Eier“ und unfähigen und unproduktiven Nieten aussortiert würden, sah sich bald bitter getäuscht: Da die Entscheidung darüber, wer bleiben durfte und wer gehen musste, ausschließlich beim Management unserer übernommen Firma lag und nicht, wie es eigentlich sein sollte, beim Akquisitor, wurden im Zuge der Begleichung “alter Rechnungen“ nicht etwa die Leistungsverweigerer, sondern reihenweise „Leistungsträger“ ausgemustert, deren einziges Vergehen es gewesen war, in der Vergangenheit hin und wieder kritische Bemerkungen zum falschen Zeitpunkt und am falschen Ort getätigt zu haben.

Destruktive Seilschaften

Und die Moral von der Geschichte? Was erlebt habe, war kein Einzelfall; es ist systematisch. Und je größer der Konzern, desto enger die Leine, an der die Beschäftigten geführt werden. Konstruktive Kritik an der Linie wird nicht nur als Renitenz verfolgt, sondern geradezu als „Hochverrat“ geahndet. Als adäquate Mittel hierzu dienen auch sogenannte „schriftliche Verweise“, im Volksmund auch als Abmahnungen bekannt. Zu schlechter Letzt sollen in diesem Zusammenhang auch nicht die in vielen dieser Unternehmensstrukturen existierenden Seilschaften unerwähnt bleiben, die sich vertikal entlang von Hierarchien oder auch horizontal im Lauf der Zeit herausbilden und ein wahres Eigenleben entwickeln, so dass man als kritisch denkender Mensch gar nicht anders kann als den Eindruck zu gewinnen, eine Niete schleuse hier die andere ein, um letztendlich nicht völlig allein als „Loser“ dazustehen; streng nach dem Motto: Bloß keine Person einstellen, die womöglich klüger ist, damit der ganze Schwindel und die eigene Unfähigkeit am Ende noch auffliegt. Wie in Seilschaften allgemein üblich, verbindet alle daran Teilnehmenden der eiserne Wille des Überlebens, so dass deren Mitglieder wie Kletten aneinander hängen, damit keiner abstürzt und falls doch, in einer Kettenreaktion auch die restlichen unweigerlich mit in die Tiefe gerissen werden. Die so erzeugte Anreicherung von Mittelmaß oder Inkompetenz ist eines der größten Effizienzprobleme in Unternehmen und eine große Belastung für Betriebsklima und Kostenapparat.

Dass diese auf den ersten Blick für viele Leser vielleicht nur schwer glaubhaften Beobachtungen auf eigenen Erfahrungen beruhen und nicht wahl- oder gewissenlos aus der Luft gegriffen sind, dürfte spätestens bei der Lektüre des wohl besten Kompendiums zu diesem Thema deutlich werden: Das Buch „Böcke als Gärtner – Wie Manager die Unternehmenskultur zerstören“ des Autors I. N. Sider (es handelt sich um ein Pseudonym) aus dem Jahre 1993 verdient das Prädikat “sehr wertvoll” und ist zudem so spannend zu lesen wie ein Krimi. Obwohl ich leider aus urheberrechtlichen Gründen nicht allzu viel daraus zitieren darf, möchte ich mit der von mir in eigenen Worten wiedergegebenen Aussage des sinngemäßen Autors schließen: Als Ergebnis der Fehlsteuerung bei der Besetzung der Managerpositionen betreten Chefs die Bühne der Konzerne, welche Unfähigkeit und Tüchtigkeit in einer Person vereinen und damit schon so manches Betriebsklima zerstört und fähige Mitarbeiter zur Kündigung bewogen haben. Deshalb: Schauen Sie sich die aktuellen Konzernlenker unseres Landes einmal näher an und bilden Sie sich gerne ein unabhängiges Urteil!