Definition. Eine Meinung ist die Interpretation einer Situation anhand vorliegender Informationen nach gut definierten Regeln unter Nutzung der vorhandenen Freiheitsgrade und persönlicher Präferenzen.
Ausgehend von dieser Definition kann man untersuchen, wie sich ein Meinungsbildungsprozess abspielen sollte. Wenn man verschiedene Ansichten hat, ist zunächst zu klären, ob man auch über die gleiche Informationsbasis verfügt. Vielleicht verfügt man über unterschiedliche Informationen und ein Abgleich führt zu einer größeren Übereinstimmung. Sodann muss man sich über die Regeln verständigen, nach denen die Informationen auszuwerten sind. Auch da kennt der eine möglicherweise Regeln, an die der andere nicht gedacht hat oder die ihm fremd waren. Diese Abstimmungsprozesse sind mehrstufig und wenn man sie erfolgreich bewältigt, landet man bei einer gemeinsamen Bewertungsbasis, ab der es nur noch individuell weitergeht. Beispielsweise könnte man sich darüber einig werden, dass eine Situation ungemütlich zu werden droht, der eine aber dahin tendieren, etwas dagegen zu tun, während der andere lieber auswandert.
Bis vor einigen Jahren war es durchaus möglich, einen solchen Meinungsbildungsprozess im Rahmen einer Diskussion zu beschreiten, wenn auch der Korridor bereits seit längerem immer enger wird. Immer häufiger traf man auf die Einstellung
Meine Meinung steht fest! Verwirren Sie hier nicht mit Fakten!
Seit 2020 hat sich allerdings eine Schere aufgetan. Bei vielen zentralen Themen gibt es inzwischen nur noch diametrale Standpunkte, Diskussion zwecklos. Wenn man heute versucht, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, trifft man entweder auf komplette und kompromisslose Ablehnung oder auf Leute, die die eigene Meinung ohnehin schon teilen und denen man nichts Neues erzählen kann. Im Grunde lohnt sich weder mit der einen noch mit der anderen Gruppe ein Gespräch, weil man sich entweder ärgert oder nur als mentaler Mülleimer fungiert, in den der andere seinen Frust absondert. Fragt man mich „für wen schreibst du?„, lautet meine Antwort „für mich zum Stress- und Frustabbau. Erreichen tue ich ohnehin niemanden.„
Inzwischen ist eine weitere Stufe erreicht. Schreiben wird nämlich immer gefährlicher in Richtung existenz- bis lebensgefährdend. Sollte man nicht besser die Schnauze halten und gar nichts mehr schreiben? Schließlich gehören Leute wie ich zum „alten Eisen“, die noch nicht mal das Adelsprädikat „hat mal aus politischen Gründen gesessen“ noch karrierewirksam vermarkten können, weil es ab einem bestimmten Alter eben keine Karriere mehr gibt. Sollte man sich wirklich noch unter Gefahr aus dem Fenster lehnen, während die nächste Generation aus Bequemlichkeit ihren Arsch nicht mehr aus dem Sessel bekommt und damit sich selbst und noch viel mehr ihre Kinder ans Messer liefert? Sollte es einem nicht langsam scheißegal sein, was nach einem passiert, denn die Jüngeren haben es sich selbst zuzuschreiben und sollen dann gefälligst auch die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt haben? Ich neige immer mehr zu dieser Ansicht. Wenn also mal hier nichts mehr kommt ….