Wer ist hier isoliert?

„Russland ist isoliert.“ tönt es dröhnend aus den deutschen Qualitätsmedien und aus den Reihen der deutschen Qualitätsregierung. Grund ist eine Resolution der UN-Vollversammlung, in der das russische Vorgehen in der Ukraine verurteilt wird. Allerdings muss man sich das Kleingedruckte anschauen.

Um an den Text zu kommen, muss man etwas länger suchen. Hier wurde ich fündig:

https://www.aljazeera.com/news/2022/3/3/unga-resolution-against-ukraine-invasion-full-text

Wie immer leicht mit Google-Translator lesbar zu machen. Die Resolution enthält 16 Punkte, in denen zwar ein Rückzug Russlands gefordert wird, jedoch auch ein paar Voraussetzungen enthält, u.a.:

  • 14. fordert die unverzügliche friedliche Lösung des Konflikts zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen, Vermittlung und andere friedliche Mittel;
  • 8. fordert die Parteien auf, sich an die Vereinbarungen von Minsk zu halten und in einschlägigen internationalen Rahmen, einschließlich des Normandie-Formats und der trilateralen Kontaktgruppe, konstruktiv auf ihre vollständige Umsetzung hinzuarbeiten;

Zwar strikte von deutschen Qualitätsmedien und der deutschen Qualitätsregierung geleugnet, ist es nicht Russland, das Verhandlungen blockiert. Und geradezu wie ein Schlag ins Gesicht ist die Aufforderung, sich an Minsk & Co zu halten, was – wie wir inzwischen wissen – hier niemand vorhatte und vermutlich auch weiterhin nicht vorhat.

Mal interpretiert: die meisten Staaten der Welt beteiligen sich NICHT an den Sanktionen gegen Russland, müssen aber notgedrungen dafür sorgen, dass ihnen die USA nicht an die Gurgel gehen. Da kommt so eine Resolution gerade Recht, in der man Russland zwar verurteilt, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass nichts drinsteht, was Russland in die Defensive bringt, wenn es sich weigert, auf die Resolution einzugehen. Tatsächlich werden die USA und die EU abgestraft und ihnen der Schwarze Peter zugeschoben.

So geht Diplomatie – und nicht mit der Brechstange und dem moralischen Zeigefinger, Frau Baerbock!

Gleichzeitig ändert China seine Haltung. Bislang eher auf Appeasement aus, wird es nun gegenüber den USA und seinen Kolonien ziemlich deutlich. Zunächst mit einer Stellungnahme zur Ukraine:

https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202302/t20230224_11030713.html

Die enthält nicht nur eine dezidierte Liste der Vorgehensweise, sondern auch mehrere deutliche Tritte in den Arsch der westlichen Wertegemeinschaft, denn wieder wird das vorgeschlagen, was der Westen bislang verhindert.

Noch deutlicher wird das chinesischen Außenministerium gegenüber den USA:

https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjbxw/202302/t20230220_11027664.html

Das Fazit dieser für eine diplomatische Angelegenheit außergewöhnlichen Offenheit und Direktheit sieht so aus:

Während eine gerechte Sache ihrem Verfechter breite Unterstützung verschafft, verurteilt eine ungerechte ihren Verfolger zum Ausgestoßenen. Die hegemonialen, herrschsüchtigen und schikanierenden Praktiken, Stärke einzusetzen, um die Schwachen einzuschüchtern, andere mit Gewalt und Ausflüchten zu nehmen und Nullsummenspiele zu spielen, richten großen Schaden an. Die historischen Trends von Frieden, Entwicklung, Zusammenarbeit und gegenseitigem Nutzen sind nicht aufzuhalten. Die Vereinigten Staaten haben sich mit ihrer Macht über die Wahrheit hinweggesetzt und die Gerechtigkeit mit Füßen getreten, um ihrem Eigeninteresse zu dienen. Diese einseitigen, egoistischen und regressiven hegemonialen Praktiken haben wachsende, heftige Kritik und Widerstand von der internationalen Gemeinschaft hervorgerufen.

Die Länder müssen sich gegenseitig respektieren und auf Augenhöhe behandeln. Große Länder sollten sich ihrem Status entsprechend verhalten und die Führung übernehmen bei der Verfolgung eines neuen Modells der zwischenstaatlichen Beziehungen, das auf Dialog und Partnerschaft statt auf Konfrontation oder Bündnisse setzt. China wendet sich gegen jede Form von Hegemonismus und Machtpolitik und lehnt Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ab. Die Vereinigten Staaten müssen eine ernsthafte Selbsterforschung durchführen. Sie muss kritisch prüfen, was sie getan hat, ihre Arroganz und ihre Vorurteile loslassen und ihre hegemonialen, herrschsüchtigen und schikanierenden Praktiken aufgeben.

„Die USA ist der Schurkenstaat schlechthin“ könnte auch die Überschrift lauten. Und die Botschaft ist deutlich:

Wir haben keine (mehr) Angst vor euch und wer sich uns anschließt, braucht das auch nicht.

Also wer ist jetzt (zunehmend) isoliert?



P.S. Nach Erstellen des Artikels bestätigen andere meine Einschätzung.

https://ecfr.eu/publication/united-west-divided-from-the-rest-global-public-opinion-one-year-into-russias-war-on-ukraine/#fragmentation-v-polarisation-what-will-define-the-next-world-order

Die Analyse ist höllisch lang, aber sehr gut strukturiert. Wer es schneller möchte, kann es auch hier versuchen:

https://www.nytimes.com/interactive/2023/02/23/world/russia-ukraine-geopolitics.html

Mit dem Artikel ist man schnell durch, da sich fast alles hinter der Bezahlschranke versteckt. Beide Quellen stehen nicht gerade in dem Ruf, russische Trolle zu sein.

Auch ganz schnell wird man mit diesem Trollbericht fertig, der außer Überschrift und Foto ebenfalls nichts zeigt:

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/aussenministerin-annalena-baerbock-im-sicherheitsrat-und-der-russe-hoert-nicht-zu-a-677158e3-54c4-4707-9c76-bf8b6d65e55b

Der russische Vertreter in der UN-Hauptversammlung hatte nämlich den Raum verlassen, während „uns Ännchen“ noch auf dem Weg zum Mikro war. Aus meiner Sicht verständlich. Warum sollte man mit jemandem reden, der nicht weiß, wo die andere Straßenseite ist?

Wer elbeabwärts von Hamburg wohnt, sollte sich über die 10cm-Schaumschicht auf dem Fluss nicht wundern: das ist der Schaum, den die Spiegel-Redakteure beim Schreiben ihres Artikels vor dem Mund hatten und der nun langsam abfließt.