Kampf der Maschinen

Wenn man in Sachen Krieg zurück schaut, wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein Schlachten oft noch mit Hilfe der Kavallerie gewonnen. Schnelle Umgehung der feindlichen Linien oder schneller Durchbruch bei entsprechender Vorbereitung waren möglich, da Artillerie und Infanteriewaffen noch unzureichend waren, um die schnellen Verbände aufzuhalten.

Bereits im 1. Weltkrieg waren Artillerie und Infanteriewaffen wie Maschinengewehre technisch so weit entwickelt, dass außer Stellungskriegen oft keine andere Möglichkeit der Kriegsführung blieb. Erst die Panzerwaffe gegen Ende des 1. WK und besonders im 2. WK erlaubte dann wieder schnelle und weite Durchbrüche.

Bis dahin bauten auch die Marinen darauf, möglichst große Schiffe mit möglichst großen Kanonen auf See zu bringen. Damit war aber auch im 2. WK endgültig Schluss: die Hornissen der Flugzeugträger kämpften aufgrund ihrer schieren Anzahl und ihrer Wendigkeit sämtliche Großkampfschiffe auf den Grund der Meere. Flugzeugträger mit einer Begleitarmada kleiner Zerstörer und Fregatten bilden seitdem das Rückgrat von Flotten.

Bei der Artillerie tat sich seitdem auch einiges. Gezogene Rohre, durch die die Geschosse durch einen Drehimpuls stabilisiert wurden, wurden durch Glattrohrkanonen ersetzt, was höhere Geschwindigkeiten und höhere Reichweiten ermöglicht. Da die Geschosse nun durch Flügel stabilisiert werden, erlaubt die moderne Elektronik auch eine nachträgliche Zielleitung der Geschossen. Bis zu 80 km können die Granaten (mit zusätzlichen Treibladungen) fast punktgenau treffen, wenn die Ziele markiert sind. Darüber hinaus erledigen Raketen das Geschäft.

In der Ukraine spielen sich anscheinend Artilleriegefechte ab, bei denen ebenfalls neue Techniken zum Einsatz kommen. Die Kanonen stehen meist zu weit hinter den Linien, um direkt geortet werden zu können. Bislang wurden sie durch Radarmessungen ausfindig gemacht, so dass man zurück schießen konnte. Radarmessungen sind allerdings aktiv: die Radargeräte lassen sich auch einpeilen und dann mit Gegenfeuer belegen. Passiv scheint es allerdings auch zu funktionieren: akustisch und seismisch lassen sich die Kanonen so weit orten, dass man versuchen kann, sie mit Gegenartilleriefeuer auszuschalten. Die Russen scheinen recht erfolgreich mit dieser Technik zu operieren.

Inzwischen deutet sich ein mögliches Aus für die schwimmenden Flughäfen an: Hyperschallraketen sind in der Lage, die Luftabwehr zu überwinden und die Kolosse von der Meeresoberfläche zu fegen. Zwar sind die Raketen vermutlich nicht billig, aber selbst bei 2-3 Raketen pro Flugzeugträger rechnet sich das, wobei die Reichweite bei ca. 800 km liegt – mehr als die Abwehrraketen und auch mit genügend Zeit, um noch ein paar Raketen abzufeuern, bevor die Flugzeuge der Träger die kleineren Schiffe angreifen können. Die Überlegenheit der US-Navy gegenüber den Russen und Chinesen ist wohl nur noch relativ, je nachdem wie viele Hyperschallraketen die im Depot haben.

Es deutet sich aber auch noch eine weitere Technik an, die die Verhältnisse auf den Schlachtfeldern umkrempelt. Die moderne Elektronik erlaubt den effizienten und weitgehend autonomen Einsatz von Drohnen, sowohl fliegenden als auch landgestützten. Klein und einfach sind sie schlecht auszuschalten und klein und einfach bedeutet auch, dass sie in hohen Stückzahlen produziert werden können. Wenn das Bedienpersonal nicht gerade im Flugzeug über dem Schlachtfeld sitzt, ist es von personellen Verlusten nicht betroffen.

Es ist also eine einfache Rechenaufgabe, festzustellen, wie viele Drohnen – angefangen beim Hobby-Quadkopter-Modell aus dem Spielzeugladen – man auf die Reise schicken muss, um die Abwehrmöglichkeiten auch komplexer Systeme zu überlasten und das Ziel zu zerstören. Solche Techniken würden es auch kleineren Staaten wie etwa dem Iran erlauben, sich gegen kriegswütige Giganten wie die USA über einen längeren Zeitraum zu behaupten. Der Iran und sein Gegner Israel basteln jedenfalls eifrig an diesen Techniken herum.

Mit KI-Techniken lassen sich Drohnen auch vollständig autonom auf bestimmte Ziele loslassen – man muss nur den Zeit- und Startpunkt so legen, dass die Reichweiten ausreichen. Den Rest machen die Maschinen selbst (was im Übrigen kein geheimnisvolles Hexenwerk ist, auch wenn die Details natürlich nicht verraten werden; die KI-Prinzipien sollte eigentlich jeder Informatiker im Studien kennen lernen – außer in D, wo er inzwischen vermutlich noch nicht mal die wesentlichen Informatik-Prinzipien verstehen dürfte). Und die nächste Stufe ist auch bereits in der Erprobung: autonome Schwärme von Drohnen, die sich untereinander beim Angriff koordinieren.

Der Spieleentwickler von heute ist mutmaßlich der Soldat der Zukunft und die größte Gefahr für den Verlust einer Schlacht geht möglicherweise von der Dose Coca-Cola aus, die der Programmierer über die Tastatur kippt und so dem gegnerischen Programmierer einen Zeitvorteil bis zum Austausch der ruinierten Tastatur erlaubt. Auch wenn Großmächte wie die USA und andere natürlich andere Anzahlen an Drohnen aufbieten können, eröffnen solche Techniken aber auch Terroristen, die heute ihre Gegner noch händisch und persönlich umbringen müssen, neue Möglichkeiten. Was man als Zivilist davon zu erwarten hat, wenn Großterroristen wie die USA Massendrohnenschwärme einsetzen, die sie womöglich selbst nicht mehr unter Kontrolle halten können, steht in den Sternen.

Das Terminator-Szenarium ist zwar noch weit entfernt, weil die Maschinen dann auch lernen müssten, sich selbst zu entwerfen und herzustellen, aber was ein Schwarm von 1 Mio Drohnen, der über eine automatische Treibstofflogistik verfügen muss, um funktionieren zu können, anrichten kann, wenn er seine Ziele selbst aufgrund vorgegebener Algorithmen bestimmt, dürfte durchaus im Bereich des einen oder anderen Endzeitspielfilms liegen, denn es dürfte einige Zeit dauern, bis man 1 Mio Drohnen niedergekämpft oder ihnen die Logistik zerstört hat.


Die Seeschlacht  

 Ein amerikanischer Flugzeugträger
 und eine gotische Kathedrale
 versenken sich
 mitten im Stillen Ozean
 gegenseitig.
 Bis zum Schluss
 spielte der junge Vikar auf der Orgel. -
 Nun hängen Flugzeuge und Engel in der Luft
 und können nicht landen.

Günter Grass