Bugs

Die Freigabe von Insekten als Nahrungsmittel(zusatz) schlägt inzwischen ziemliche Wellen. Verbunden mit appetitlichen Fotos mit einer gegrillten Grille auf einer Gabel oder einem Teller Makkaroni in Sahnesoße, nur halt mit Mehlwürmern anstelle von Makkaroni, wird kräftig Stimmung gemacht.

Nun kann man es den Leuten nicht verdenken, so etwas nicht auf dem Tisch haben zu wollen, vielleicht abgesehen von ein paar grünen Kermits. Das passt einfach nicht zu unserer traditionellen Küche. Also machen ein paar selbstverliebte Influenza auf allen möglichen Videokanälen Ansagen, die zwar Quatsch sind, aber begeistert aufgegriffen werden, üblicherweise mal wieder ohne auf die Idee zu kommen, nachzuschauen, was in den Büchern, die vor 2019 erschienen sind, dazu steht. Ein typisches Beispiel, zwar nicht mit Insekten, aber so ähnlich:

https://t.me/c/1153396282/3718

Verstanden hat der eloquente Selbstdarsteller mal wieder nichts. Aber wer will schon was verstehen, wo Vorurteile doch so wohlfeil angeboten werden.

Da mich verschiedene Leute inzwischen als „Insektenversteher“ und „Nahrungsleugner“ bezeichnen, hier eine

Klarstellung

Ich könnte mir (derzeit) auch nicht vorstellen, herzhaft in einen Mehlwurm zu beißen. Das überlasse ich lieber den Piepsevögeln draußen. Ich halte es auch für falsch, Nahrungsmittel in größerem Umfang mit Insektenmehl zu versetzen. Was mich allerdings nicht hindern würde, auch mal ein Produkt, das „geringe Zusätze von Acheta domestica“ enthält, zu kaufen und nochmals zu kaufen, wenn es schmeckt und bekommt. Wer das nicht möchte, lässt das halt bleiben – die Entscheidung muss und soll jeder für sich selbst treffen.

Ich bin dagegen, weil mit dieser Aktion wieder einmal die fatalen Fehlentwicklungen grüner Agrarpolitik korrigiert werden sollen. Wie ich schon im Beitrag

erwähnte, führen die nicht nur zu einer starken Verknappung von Lebensmitteln, sondern auch zur Unbrauchbarkeit von Getreide für die Verwendung in der Backindustrie. Das kann mutmaßlich mit proteinreichem Insektenmehl abgefangen werden. Nur wird das wie sämtliche anderen grünen Projekte auch nicht funktionieren:

Dieses Land ist kein Insektenland, zumindest nicht in dem Sinn, dass hier Insektenzüchtereien und Insektenmästereien in größerem Maßstab machbar wären. Dafür sind die klimatischen Bedingungen nicht geeignet.

Als Konsequenz wären Insekten aus den Ländern einzuführen, in denen die passenden Bedingungen herrschen, also alle tropischen Länder. Ob dort entsprechende Kapazitäten aufgebaut werden können, bleibt abzuwarten. Wenn Konzerne wie Nestlé sich da rein hängen, könnte einiges laufen, allerdings ist absehbar, dass das mit der üblichen Umweltzerstörung endet, gegen die ich auch absolut bin.

In streng grüner Manier wir hier die Landwirtschaft und damit die Ernährungsgrundlage zerstört, um hier einen geistigen grünen Schrebergarten zu errichten. Dafür macht man sich in jeder Beziehung abhängig von irgendwelchen anderen Staaten, deren Landwirtschaft ebenfalls zerstört wird, und der Industrie.

Deshalb bin ich dagegen. Ich lehne aber

Scheinargumente

ab, weil man damit nur den Fritzen in die Hände spielt. Zunächst einmal ist unser Speiseplan ohnehin schon ziemlich umfangreich, auch wenn nicht alle alles essen würden:

  • Pilze verschiedenster Arten, wobei die Zellwände von Pilzen chitinhaltig sind.
  • Schnecken.
  • Krebse in allen möglichen Variationen (auch deren Panzer bestehen aus Chitin).
  • Muscheln von gekocht bis roh (in Frankreich).
  • Quallen (als Ragout, Südfrankreich)

Ob es regional noch weitere Spezialitäten gibt, kann ich nicht sagen. Vermutlich schon, abgesehen von „Mutproben“ unter Kindern, einen Regenwurm zu verschlucken. Insekten stehen nur indirekt auf der Liste, wenn sich etwa eine Made oder ein Insekt erfolgreich bis zum Verzehr im Salat oder im Obst versteckt. In tropischen Ländern mit großem Insektenreichtum stehen Insekten allerdings schon seit Urzeiten bis heute auf dem Speiseplan, ohne dass es zu irgendwelchen Auffälligkeiten geführt hat.

Gegen die Insekten wird nun trotzdem mächtiges Geschütz aufgefahren:

- Allergien oder anaphylaktische Reaktionen (gegen verschiedene Teile der Insekten oder gegen das Substrat, das an die Insekten verfüttert wird; besonders betroffen sind Menschen, die bereits gegen Krebstiere, Krustentiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind) 
- Vergiftungen aufgrund toxischer Materialien wie Chitin und Tannine 
- Erkrankungen durch gefährliche Parasiten im Verdauungsapparat der Insekten (vor allem wenn diese vor ihrer Tötung und Verarbeitung keiner ausreichend langen Futterkarenz ausgesetzt waren, damit sich der gesamte Darminhalt entleert) 
- Stoffwechselprobleme aufgrund von Phytaten, Oxalate, Chelatbildnern und Saponinen 
- Mögliche Langzeitfolgen beim häufigen Verzehr vieler anderer Insekten, die noch nicht als Lebensmittel zugelassen sind: Wachstumsverzögerungen, Hypofertilität, Vermännlichung bei Frauen, Ödemen, Gelbsucht, Leberkrebs 

Dazu ist zu sagen:

  • Allergien treten auch gegen alle möglichen Nahrungsmittel(bestandteile) auf, die heute gehandelt werden. Wer allergisch ist, muss halt auf den Beipackzettel schauen. Wer unsicher ist, kann sich sicher auch beim Arzt einem Allergentest unterziehen. Dieses Argument ist also eine nicht allgemein zutreffende Schein- und Binsenweisheit.
  • Chitin ist, oral zugeführt, nicht toxisch, sondern schlicht unverdaulicher Ballaststoff, der wieder ausgeschieden wird. Das Argument ist mithin Quatsch. Insektoide Endoparasiten, von denen es jede Menge gibt, schädigen die Wirte nicht durch Chitin, sondern ihre Fresstätigkeit. Das Argument wird durch die Realität nicht abgebildet (im Übrigen auch nicht durch „wissenschaftliche Aufsätze“, die nicht anders aufgebaut sind als der Klimaquatsch und vor Konjunktiven nur so wimmeln oder mit Versuchsbedingungen hantieren, die weit abseits jeder Realität liegen).
  • Wenn Tannine so toxisch sind, weshalb werden dann so große Mengen Rotwein problemlos konsumiert?
  • Parasitenprobleme treten bei sämtlichen Nahrungsmitteln auf. Es sei mal an Mutterkornpilze im Getreide erinnert. Das Argument ist mithin völliger Quatsch, da es sich nicht gegen das Nahrungsmittel, sondern nur unqualifizierte Verarbeitung richtet.
  • Oxalate sind in Masse in Zwiebeln vorhanden, die anderen Sachen auch in vielen pflanzlichen Nahrungsmitteln. Typischerweise sterben die Menschen NICHT daran.
  • Die Krone ist das letzte Argument: mögliche Schäden bei Verzehr nicht getesteter Insektenarten. Da stellt sich wirklich die Frage, wie blöd man sein muss, um so etwas anzuführen. Wer mal Vogeljunge beobachtet hat, wird wissen, dass auch die von den Eltern erst einmal angelernt werden, was sie fressen dürfen und was nicht. Die sitzen so lange vor dem fetten Wurm, bis ihnen die Alten den in den Schlund schieben. Natürlich muss geprüft werden, was bekömmlich ist und was giftig ist. Das Argument ist ähnlich schwachsinnig wie das Verbot von Pilzen, weil einer ein selbstgesammeltes Knollenblätterpilzragout nicht überlebt hat oder ein anderer Bärlauch mit Maiglöcken oder Herbstzeitlosen verwechselt.

Mit derartigem Quatsch spielt man nur den grünen Interessen in die Hände, die mit Recht darauf hinweisen können, dass die Argumente Unfug sind.