Die Lunte brennt schneller!

Wenn die Meldungen stimmen, finden heute, morgen und übermorgen Referenden in den abtrünnigen Gebieten der Ukraine statt. Es geht um einen Anschluss an die Russische Förderation.

Bislang war die Rechtslage aus russischer Sicht so, dass die abtrünnigen Provinzen der Ukraine sich zu selbständigen Staaten erklärt und Russland als Verbündete um Unterstützung gebeten haben. Russland hat sie als unabhängige Staaten anerkannt und sie unterstützt.

Die USA und ihre Sklavenstaaten sehen das natürlich anders. Staatsgebiete gelten für sie als unverletzbar, d.h. die Russen kämpfen auf ukrainischem Hoheitsgebiet, weshalb eine Kriegsunterstützung der Ukraine statthaft ist.

Tatsächlich gibt es beide völker- und staatsrechtliche Sichten, auch wenn sie sich widersprechen:

  1. Die Grenzen eines Staates sind unverletzbar und dürfen nicht einfach geändert werden, d.h. sich für unabhängig erklärt habenden Teilbevölkerungen können nicht einfach so austreten.
  2. Jede Nationalität hat das Recht, sich für unabhängig zu erklären und einen eigenen Staat zu gründen (de fakto: aus einem Staat auszutreten, das berühmte Wilsonsche Selbstbestimmungsrecht der Völker, von dem man nach den Weltkriegen nicht mehr viel wissen wollte).

Also Patt-Situation? Die USA und ihre Sklavenstaaten haben genauso Recht wie die abtrünnigen Volksrepubliken und Russland? Nicht ganz. Teilbevölkerungen sind etwas anderes als Nationalitäten. Das ist zwar manchmal etwas diffus, aber wenn Bayern aus der Bundesrepublik austreten würde, wo überall die gleiche Sprache gesprochen wird, ist das schon etwas anderes als in der Ukraine, wo unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, sich die Nationen also tatsächlich unterscheiden.

Und noch wesentlich mehr nicht ganzer, wenn man das steigern kann, weil der Westen vor einigen Jahren ein Eigentor geschossen hat. Im Jugoslawienkrieg haben die westlichen Länder vom internationalen Gerichtshof das Urteil erwirkt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker Vorrang hat (damals ging es darum, Serbien von seinen Ansprüchen zu trennen, also ähnliche Situation wie heute in der Ukraine, was dann ja auch Erfolg hatte, je nachdem, von welcher Seite aus es man betrachtet). Damit hat der Westen im Ukraine-Konflikt aber nun die Arschkarte gezogen, denn formalrechtlich ist die Sache entschieden und die Separation der Ostukraine völkerrechtlich in Ordnung, zumal ja seit 8 Jahren alle Versuche, anders miteinander klar zu kommen, scheitern.

Man kann sich zwar überlegen, ob man dieser Position zustimmt oder eher auf der USA-Selenski-Seite steht, aber man sollte auch nicht übersehen, dass das einer der Hauptgründe ist, weshalb ein so großer Teil der Nationen der Welt NICHT auf der USA-Seite mitmacht. Die Politik der USA, das Recht mal so oder so auszulegen, wie es gerade den USA zum Vorteil gereicht, und Verträge nach Belieben zu brechen muntert nun nicht auf, bei denen mitzumachen, wenn man drauf verzichten kann.

Doch zurück zum Krieg. Russland führt bislang eine begrenzte Militäroperation durch, also im völkerrechtlichen Sinn keinen Krieg, sondern nur eine Unterstützungsaktion der Volksrepubliken.¹⁾ Deshalb wurde der Krieg bislang aus russischer Sicht sehr verhalten geführt. Behaupten sie zumindest. Die Ukraine ist „all in“ gegangen hat zwar dank massiver Unterstützung ein paar Erfolge erzielt, aber ob die nachhaltig sind? Ist Russland auch schon „all in“ oder wirklich nur nebenbei?

Jetzt kommen die Referenden. Wenn dort für einen Anschluss an die russische Föderation gestimmt wird und das russische Parlament ein entsprechendes Gesuch annimmt, stehen ab Anfang der nächsten Woche ukrainische Truppen völkerrechtlich gesehen auf russischem Boden. Zumindest aus russischer Sicht. Das bedeutet einen tatsächlichen Kriegszustand, den Russland ebenfalls „all in“ führen wird.

Ja und? Was interessiert uns das? Doch, das sollte uns interessieren. Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist dieses Land aufgrund seines Verhalten bereits Kriegsteilnehmer, weil es nicht nur Waffen liefert (das ist zwar grenzwertig, aber möglicherweise noch nicht ganz daneben), sondern auch ausbildet und von seinem Territorium aus Söldner schickt und direkte Kriegsführung ermöglicht. Artet das in einen völkerrechtlich gesehen tatsächlichen Krieg aus, wird nicht nur die Gesamtukraine Kriegsgebiet (die Russen haben sich dort bislang sehr zurück gehalten) und der Krieg damit heftiger, sondern auch die Ukraine-Verbündeten werden legitime Ziel von Maßnahmen. Möglicherweise werden dann in der nächsten Woche die letzten Versorgungslinien mit Gas, Öl und anderem gekappt, was die Russen nicht viel kostet. Aber uns! Und auch Flughäfen, Eisenbahnknotenpunkte und sonstige Infrastruktur außerhalb der Ukraine, die für die Kriegslogistik eingesetzt werden, werden zu legitimen Zielen für russische Angriffe.

Wenn Russland bisher also tatsächlich nicht „all in“ gespielt hat? Und wenn eine ganze Menge Staaten, die bislang nur als Sanktionsverweigerer aufgefallen sind, dadurch in den Zugzwang kommen, sich eindeutiger zu positionieren?


¹⁾ Ob sie rechtlich in den Mist gegriffen haben, wenn sie in den kontrollierten Gebieten russische Pässe usw. verteilen, ist unklar. Aber auch da gibt es Vorbilder: DDR-Bürger haben nach dem „Rübermachen“ bundesdeutsche Papiere bekommen und die Situation in der Ostukraine ist aus meiner Sicht durchaus vergleichbar.