Masken und gelehrter Unfug

Nachdem inzwischen jede Menge Untersuchungen vorliegen, dass Maskentragen in der Öffentlichkeit nur dann Sinn macht, wenn man sich selbst die Gesundheit ruinieren will, musste ich mir vor ein paar Tagen bei meinem Hausarzt wieder mal anhören, um wieviel Prozent das Maskentragen das Infektionsrisiko bei Covid19 reduziert – alle Prozentangaben natürlich mit 1-2 Stellen hinter dem Komma und als Ergebnis des Arztbesuches die Info, das sei das Alter und ich solle mich damit abfinden.

Wenn man sich gegen das Maskentragen argumentativ zur Wehr setzen will, muss man auch mit solchen Artikel fertig werden, die die Sinnhaftigkeit der Maske beweisen:

Wie geht man damit um?

  1. Die Scheu vor den mangelnden Englischkenntnissen ablegen und anfangen zu lesen. Man muss bei weitem nicht jedes Wort verstehen, um zu erfassen, um was es geht. Oedr vterehst etwa jnaemd deesin Staz nciht, ohwobl bei Bhctanerutg jeeds eelnizn Weorts zhieicmelr Ufung hkasumeromt ? Eben!
  2. Das gilt auch im Großen: Absätze anlesen. Meist weiß man nach ein paar Worten, um was es geht, ein schneller Blick über den Rest gibt dem Hirn in der Regel die Gewissheit, richtig zu liegen oder doch besser nachzulesen (ein Grund, weshalb ich die ganzen YouTube-Videos wie die Pest hasse. Man kann den Füllquark nicht überspringen und vertrödelt maßlos viel Zeit.
  3. Sacken lassen. Was haben die alles gesagt? Man muss gar nicht bewusst drüber nachdenken, das Gehirn sortiert im Hintergrund allein. Hätte man LEDs am Kopf, würden die angehen und blinke wie bei der Festplatte auf dem Rechner, die minutenlang rumnudelt, während man gar nicht vor dem Virenfänger sitzt.
  4. Parallel darüber sinnieren, wie man eine solche Untersuchung selbst angestellt hätte. Löcher usw. fallen einem dabei auf.
  5. Im Artikel noch mal gezielt die Absätze lesen, die einen bei 4. gestört haben, und die Kritik notieren.

Wenn man so vorgeht, hat man schnell den Hebel für solche Artikel. Der fängt beim Titel schon an: während man das Ganze als Beweis für die Maskennützlichkeit um die Ohren geballert bekam, spricht der Autor von Masken UND Verordnungen. Masken sind ein Teil der Verordnungen, die wiederum vielfältig sein können und das soziale Verhalten beeinflussen, zudem spielt sich alles über einen längeren Zeitraum ab und wie immer sind die Datengrundlage die sehr kreativen Zahlen von PCR-Tests: absolute Fallzahlen ohne Umrechung auf die Bevölkerung und ohne Daten zu wirklichen Erkrankungen.

Wenn man eine verlässliche Studie machen wollte, müsste man sämtliche Bedingungen sehr genau kontrollieren. Wenn man darüber nachdenkt, fällt einem schnell auf, dass das eigentlich nur im klinischen Maßstab funktioniert, wo man wirklich sehr viel kontrollieren kann. Im Feld wird die Zahl der nicht kontrollierbaren Parameter schnell sehr groß. Man hätte noch eine Chance, wenn es sich um große eindeutige Zahlen handeln würde, aber eine nun inzwischen selbst im WHO Bulletin ausgewiesene eher schwache Grippe lässt zu wenige echte Fälle auftauchen, weil die meisten eben nichts mitbekommen (was eben auch nicht gemessen wird) und allenfalls dadurch auffallen, dass sie durch die entfachte Panik vermehrt zu einem Test laufen.

Klinisch ist die Wirksamkeit der Masken gut untersucht. Schließlich werden sie ja bei Operationen getragen, aber schon im normalen Krankenhausalltag spielten Masken trotz teilweise sehr intensiver sonstiger Hygienemaßnahmen bis vor einem halben Jahr keine Rolle. Auf der Straße ohnehin nicht. Täten sie dass, wären sie schon seit Jahrzehnten in Benutzung, wenn die saisonalen Krankheiten über das Land ziehen. Auch in Asien, wo das Zeug schon lange üblich ist, haben es die Erkrankten getragen, aber mehr, um anderen ein soziales Zeichen zu geben.

Kurz und gut, was haben die Leute da gemessen? Um es genau zu sagen: keine Ahnung. In Formeln reingesteckt ist irgendeine Verbindung zu Vorschriften herausgekommen, in denen auch Masken vorkamen. Es wird sicher keiner bestreiten, dass Infektionszahlen geringer werden, wenn man Leute systematisch voneinander trennt. Aber selbst das wird problematisch, weil man irgendwann einkaufen muss und nicht weiß, wem man da begegnet. Selbst die rückläufigen Fallzahlen sind nicht eindeutig, weil weder Jahreszeit noch Zahlenerzeugungskreativität noch Lust der Leute, sich einem Test auszusetzen, irgendwie eingeflossen sind. Um es mal an einem Beispiel zu verdeutlichen: hätte man während der Fußball-WM eine statistische Studie unter Berücksichtigung der Fernsehwerbung gemacht, wäre als Ergebnis herausgekommen, dass die wichtigste Voraussetzung, erfolgreiche Fußballprofi zu werden, der regelmäßige Genuß von Nutella ist.

Damit hat man nun die Lücken, die man aufzeigen kann. Ob es was nützt, bleibt fraglich, aber immerhin kann man anhand von Daten argumentieren, während die Gegenseite halt eine Meinung oder Haltung vertritt.


Ein wenig Ergänzung zum Denkprozess. Meist heißt es „ich muss in Ruhe nachdenken“, was aber falsch ist, wenn Ruhe bedeutet, dass man im Sessel sitzt und vor sich hinbrütet. Je nach Komplexität des Problems ist Ganzkörperdenken sinnvoll. Das Denken funktioniert nämlich um so besser, je mehr Hirnareale arbeiten, auch wenn sie mit der Aufgabe scheinbar nichts zu tun haben.

  1. Nehmt Bleistift und Papier zu Hilfe. Wie intensive Untersuchungen an mehreren Universitäten ergeben haben, erscheinen auf dem Papier aber nicht auf geheimnisvolle Art die Lösungen. Man muss schon selbst was aufs Papier schreiben.
  2. Jede Idee ist hilfreich, selbst der Einfall, wie man Strichmännchen eleganter Zeichnen kann. Einfach loskritzeln. Damit ist die Feinmotorik schon mal im Spiel. Im kurzer Zeit werden sich Sinn und Unsinn auf dem Papier ausbreiten. Nun kommen die Augen hinzu. Während das Gehirn schon bei 5-6 Details anfängt, die Übersicht zu verlieren, schafft das visuelle System zusammen mit der papiernen Diskette schon wesentlich mehr. Wenn dann 4-5 sinnvolle Ideen zwischen 20 anderen und ein paar Strichmännchen stehen, kann man die 4-5 Sachen auf ein neues Blatt übertragen und legt von vorne los.
  3. Sprecht mit euch. Kein Witz! Lest euch manche komplizierten Sachen nicht durch, sondern sprecht sie euch auch vor. Das bringt das Sprachsystem ins Spiel und hat eine weitere Rückkopplung über das Audiosystem.
  4. Wer noch ein übriges tun will, steht auf und rennt durchs Zimmer. Mit der Grobmotorik ist dann fast alles in Betrieb, was in der Birne Platz hat.

Ein weiterer Punkt ist oben schon angesprochen worden. Sich eine Zeit setzen, nach der man abbricht, egal wie weit man gekommen ist, und alles erst mal sacken lassen! Welche Zeit sinnvoll ist, merkt man schon. Vielleicht hat der eine oder andere es schon erlebt, dass man abends mit einem Problem einschläft und morgens mit der Lösung aufwacht. Das liegt daran, dass das Gehirn wie ein Computer arbeitet (korrekter: dass die Computer wie die wesentlich älteren Gehirne arbeiten): die Informationen laufen auf eine Scratch-Platte und wenn die voll ist, geht gar nichts mehr. In der schlafphase wird die Scratch-Platte abgearbeitet und die Informationen bewertet und anderswo einsortiert, wo man sie dann morgens findet. Zusätzlich gibt es dann noch Testläufe, weil mal wieder ein paar Patches eingespielt wurden, was man als Traum empfindet. Deshalb ist Schlaf notwendig und Schlafmangel macht einen irre. Biologisch hat sich das entwickelt, weil die Sensorik entweder auf Tag- oder Nachtbetrieb eingestellt ist und zu anderen Zeiten nichts bringt. Da kann man den Rest abschalten und für etwas anderes nutzen.

Die Ganzkörperarbeitsweise, am Besten noch ergänzt, indem man das Ergebnis der Arbeit in Buchform zusammenfasst, hat sich in meiner Hochschulzeit in der Praxis immer wieder bewährt. Studies, die regungslos mit der Ansage „ich denke“ in eine tiefere Stufe des Nirwana abgesackt waren als jeder fernöstliche Zen-Meister sie je erreichen wird, haben nie verstanden, um was es eigentlich ging. Umgekehrt gab es sehr häufig auch die Könisdisziplin, wenn jemand zu Beginn der Stunde verkündete, er hätte ein Detail nicht ganz verstanden und dann von mir aufgefordert wurde, das Problem vorne an der Tafel darzustellen. In 50% der Fälle drehte der Proband nach 30-70% des Weges um und ging mit der Bemerkung „schon klar, hat sich erledigt“ wieder zu seinem Platz zurück, weil er den fehlenden Rest verstanden hatte, während bei den meisten anderen der „fehlende Rest“ ca. 90% des Ganzen ausmachte.


Fazit: Nicht beeindrucken lassen, wenn einem eine „wissenschaftliche Studie“ vorgelegt wird. Man wird in den meisten Fällen nicht in der Lage sein, selbst so etwas zu verzapfen, aber in fast allen Fällen, sie zu verifizieren oder zu zerrupfen. Also keine Angst vor sich selbst!

Wer mehr über gelehrten Unfug erfahren will, kann sich das Buch von Sokal und Bicmont, Eleganter Unfug zu Gemüte führen. Oder sich durch das hier qüälen: https://physics.nyu.edu/faculty/sokal/transgress_v2/transgress_v2_singlefile.html . Keine Sorge vor dem Umfang. Es sind nur 13 Seiten Text, die restlichen 30 bestehen wie in den Sozialwissenschaften üblich aus Zitaten.