Aus dem Kuhdorf

Seit Beginn des Corona-Schwachsinns hält der werte Bürgermeister unseres Kuhdorfs allwöchentlich per Audiopodcast eine Ansprache zur Lage der Nation, also der Lage des unbeugsamen Dorfs im äußersten Nordwesten der Republik. An sich ja eine gute Idee.

Abgesehen von der absoluten Linientreue, die auch andere aus der Nachbarschaft demonstrieren („Corona ist der fürchterlichste Tod, den man sich nur denken kann.“, „In Berlin werden schon U-Bahnschächte zur Aufnahme der Toten freigeräumt“ und ähnliche Sprüche), hält er den größten Teil der Andacht in Plattdeutsch. An sich nicht schlimm, wäre nicht ein nicht ganz kleiner Teil der Einwohner inzwischen aus allen möglichen Gegenden zugezogen (inklusive einigen Niederländern). Die verstehen zum Teil das Plattdeutsch kaum, zumal ohnehin jedes Dorf seinen Nuscheldialekt hat, den der Ureinwohner des Nachbardorfs auch nur zum Teil versteht. Plattdeutsch lernen ist auch nicht mehr so einfach wie früher, da die Einheimischen in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit auch immer weniger zum Plattdeutschen neigen und so das Übungsfeld fehlt.

Kein Wunder, dass der Bürgermeister gebeten wurde, seine ohnehin dröge Ansprache doch bitte mehr in Hochdeutsch zu halten. Wobei man sich die Sprechweise ungefähr so vorstellen muss, als wäre der Hl. Petrus, kopfunter in Rom am Kreuz hängend, noch um ein paar letzte Worte gebeten worden. Frank-Walter Steinmeier ist dagegen fast schon das sprühende Leben pur. Aber ok, nicht jedem ist die Rhetorik in die Wiege gelegt worden. Mit angemessenem ostfriesischen Frohsinn kurz nach der Überwindung der Deiche durch den Blanken Hans verkündet der Sprecher:

„Ich bin gebeten worden, mehr Hochdeutsch zu sprechen. Ihr wisst schon, wer das war. Ich werde natürlich weiterhin Platt sprechen und nur die wichtigen Passagen in Hochdeutsch wiederholen. Wir Ostfriesen sprechen platt und verstehen uns.“

Mein Rat an die, die noch hier hinziehen möchten: Pass wegwerfen, 2 Wochen nicht rasieren und waschen, ins Rathaus wanken und „Ahsühl“ murmeln. Vermutlich die einzige Chance, nicht diskriminiert zu werden.


Die Corona-Lage in unserem Kuhdorf ist natürlich fürchterlich. Die Inzidenz ist nach Papst B.. knapp unter 35 und damit steht das Aussterben der kompletten Bevölkerung kurz bevor. Nun ist Kuhdorf relativ: knapp 12.000 Einwohner stehen dicht an dicht auf ca.160 km². Die Gemeinde hat 19 Ortsteile und vor ca. 20 Jahren war es noch üblich, beim Schulwechsel aus der Grundschule zum Schulbeginn eine Fahrradtour zu veranstalten, bei der die Wohnorte aller Schüler in der Klasse besucht wurden. Das dauerte in der Regel 2 Tage und machte mehr als 60 km aus. Nicht nur, dass jeder Einwohner bei dem ihm statistisch zur Verfügung stehenden Raum von ca. 13.000 m² Probleme hat, den Corona-Mindestabstand zum nächsten zu halten, die Inzidenz bedeutet, dass 4 Bürger einen positiven PCR-Test bestanden haben (vermutlich sind alle stolz, endlich mal einen Test bestanden zu haben, sofern es Ostfriesen sind).

Also mal nachgerechnet: die Inzidenz, also kreativ daher geschwindelte Infizierte pro 100.000 Einwohner, liegt derzeit bei 33. Sollte ein weiterer Bürger die Frechheit besitzen, sich positiv testen zu lassen, würde die Inzidenz im Kuhdorf schlagartig auf 42 steigen, bei 2 weiteren (das wären dann insgesamt 6, damit die Ostfriesen noch mitkommen) bereits auf 50! Dann wären sofort Familienfeiern mit mehr als 10 Personen verboten, was in der Tat Ostfriesen arg treffen würde. Die Leute sind hier sehr standorttreu und viele glauben immer noch, dass man auf dem Weg nach Süden bei Leer die Grenze überquert und den Pass vorweisen muss. Standorttreue führt auch dazu, dass der eine oder andere Familienclan zwar noch nicht ganz an die Miris in Bremen herankommt, aber schon recht bemerkenswert ist. Würde hingegen jemand wieder gesunden (das wären dann 3, nur so zum mitzählen), sinkt die Inzidenz auf 25, um über 17 und 8 auf Null zu sinken, sollten alle wieder aus der Statistik fallen, ohne das jemand nachkommt (bitte jetzt nicht nachfragen, wie die Ostfriesen es schaffen, bis 14 zu zählen, um die abgelaufene Zeit festzustellen).

Also ich muss sagen, ich habe jetzt echt Angst und traue mich nicht mehr aus dem Haus. Immerhin bräuchte ich mit dem Rad nur durch 5 Ortsteile zu fahren (je nach Richtung so um die 8-20 km als Rundweg), um statistisch gesehen dem Tod in Gestalt eines positiv Getesteten Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Vae victis, wie die ‚öme‘ schon sagten.