Sie wissen es also doch !

Bei Betrachtung des Green New Deals fragt man sich – oder besser: frage ich mich, wie das eigentlich funktionieren soll. Für andere ist die Lösung ziemlich einfach:

Man schüttet einfach alles mit Geld zu !

Man braucht keinen Plan, wo der Strom herkommen soll oder wo die Leute arbeiten sollen. Wenn man nur genügend Geld mit einem Kipplaster dort hinkippt, wird spontan Strom und Arbeit erzeugt. Bezeichnend, dass diese einfache Lösung ausgerechnet von den Leuten kommt, die die so genannte „Weisheit der Cree“, also das mit dem Geld essen, erfunden haben und die nun in ihre eigene Falle rennen.

Man kann aber noch weiter bohren:

Betreff: Ich bitte um eine physikalisch belastbare Klärung

Sehr geehrter Herr Minister Altmaier,

laut Ihren Angaben auf den Webseiten des Ministeriums sind die erneuerbaren Energien eine Erfolgsstory. Sie sollen in absehbarer Zeit den überwiegenden Teil der Stromversorgung übernehmen, konventionelle Kraftwerke sollen abgeschaltet werden. Es dürfte wohl auch unstrittig sein, dass der Strombedarf, der derzeit zwischen 40 GW und 70 GW tageszeitabhängig schwankt, sich vermutlich im Bereich 70 GW – 90 GW einpendeln wird, sollte die E-Mobilität auch nur halbwegs in dem Umfang realisiert werden, den Sie anstreben.

In der Anlage finden Sie eine ausführliche Auswertung der Einspeisung im Monat November 2019. Daraus geht hervor, dass die EE mehrfach über längere Zeit nicht in der Lage waren, mehr als 2-3% des Bedarfs zu decken (im Zeitraum 20./21. war es gar nur 1/100 des Bedarfs, der durch alle 30.000 Anlagen abgedeckt werden konnte). Wenn Sie weiter blättern, können Sie feststellen, dass selbst bei einer Verdreifachung der Anlagenanzahl auf 100.000 sich an diesen Versorgungslücken nichts ändert, dafür aber massive Spitzen auftreten, die auch durch Export ins Ausland nicht abgeführt werden können. Ein weiterer Ausbau der Windenergie führt mithin dazu, dass die meisten Windkraft-Anlagen, die in Schwachwindzeiten ohnehin nicht wirtschaftlich betrieben werden können, in Starkwindzeiten abgeregelt werden müssen und folglich auch mit Verlust arbeiten. Über konventionelle Kraftwerke müssen wir an dieser Stelle gar nicht erst reden. Sie können auch feststellen, dass bereits jetzt die Abfuhr der Leistungsspitzen teilweise mit etwa dem 100-fachen Satz einer normalen MWh bezahlt werden muss.

Abgesehen vom wirtschaftlichen Verlust ist es mir als Physiker nicht klar, wie das alles bei Abschalten von Kraftwerken ab dem nächsten Jahr zu einer halbwegs sicheren Versorgung führen soll. Mit „sicherer Versorgung“ meine ich nicht, dass vielleicht mal das Licht für 15 Minuten ausfällt. Die ausgewiesenen Versorgungslücken sind lang genug, dass sämtliche Lebensmittel in Kühlanlagen im Einzelhandel und im Privatbereich anschließend verdorben sind und nur noch entsorgt werden können.

Da Sie trotzdem diese Pläne vertreten, gehe ich davon aus, dass Sie über bessere physikalische Erkenntnisse als ich verfügen. Bitte teilen Sie mir diese mit. Ich bitte, auf allgemeine Verweise auf Ihre Internetseite zu verzichten, weil ich diese bereits daraufhin untersucht habe.


Viele Grüße

und erhält sogar eine Antwort:

Sehr geehrter Herr …,

vielen Dank für Ihre E-Mail an Herrn Bundesminister Altmaier. Er hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.

Deutschland verfügt über eine hervorragende Strominfrastruktur. Dies zeigt sich in der Qualität der Stromversorgung. Ein Verbraucher war danach im Jahr 2018 durchschnittlich ca. 14 Minuten von Versorgungsunterbrechungen betroffen. In den vergangenen zehn Jahren lagen dieser Wert für Versorgungsunterbrechungen stets zwischen 12 und 16 Minuten. Im Vergleich zu anderen Industriestaaten der Welt sind dies herausragende Werte. Die Bundesregierung wird die Rahmenbedingungen bei der Energiewende so setzen, dass die Versorgungssicherheit auch in Zukunft mit wachsenden Anteilen von Strom aus Erneuerbaren Energien gewährleistet bleibt.

Am 3. Juli 2019 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den letzten Monitoringbericht nach § 63 i.V.m. § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität vorgelegt. Er dokumentiert das hohe Niveau der Stromversorgungssicherheit in Deutschland und erläutert verschiedene Zusammenhänge rund um das Thema Versorgungssicherheit. Den Bericht können Sie auf dieser Webseite herunterladen: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/monitoringbericht-versorgungssicherheit-2019.html .

Der Monitoringbericht basiert insbesondere auf einem umfangreichen Gutachten zur Versorgungssicherheit an den europäischen Strommärkten bis 2030, welches das BMWi beauftragt hat. Sie finden es und den zugehörigen Datenanhang hier: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/definition-und-monitoring-der-versorgungssicherheit-an-den-europaeischen-strommaerkten.html .

Eine weitere wichtige Untersuchung zu den europäischen Strommärkten stammt von ENTSO-E, dem europäischen Verband der Übertragungsnetzbetreiber. Der letzte Bericht aus 2019 zeigt für den Zeitraum bis 2025 ebenfalls ein weiterhin hohes Niveau der Stromversorgungssicherheit am Strommarkt Deutschland. Der Link zum Download lautet: https://www.entsoe.eu/outlooks/midterm/ .

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team Bürgerdialog

An der Stelle kann man dann mal kontrollieren, was hinter diesen Links liegt, und stößt auf Dokumente mit 43 bzw. 361 Seiten. Beide gehen tatsächlich über die Fantasien des Green New Deal hinaus und versuchen sich an der Realität, die man anscheinend doch noch nicht ganz über Bord geworfen hat. Zumindest das erste ist damit recht gut überschaubar. Hier nur ein paar wesentliche Sachen daraus.

Zunächst geht die Prognose dahin, dass der Strombedarf stetig sinkt. Zumindest bis 2030, denn da liegt im Moment die Grenze der Betrachtungen. Weiter will man sich noch nicht aus dem Fenster legen. Wie das mit dem Sinken gehen soll, wenn gleichzeitig mit den E-Autos eine neue große Verbrauchergruppe dazu kommt, wird nicht gesagt, also kann sich jeder dazu etwas denken.

Gleichzeitig ist den Leuten aber auch klar, dass es nur mit EE nicht funktioniert, weshalb das Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, genügend konventionelle Energie bereit zu stellen. Weshalb auch eine Reihe konventioneller Kraftwerke im Bau bzw. geplant sind, flankiert von der Stilllegung anderer Kraftwerke, die eben aus kosmetischen Gründen vom Netz sollen. Und nicht nur das: man behält sich ausdrücklich vor, die Planungen – Bau und Stilllegungen – komplett zu revidieren, wenn etwas absehbar vor die Wand fahren könnte. Von Speichertechnologien ist nicht die Rede; die verschweigt man am Besten ganz, um nicht eingestehen zu müssen, dass da wenig zu holen ist. Insgesamt sieht das Konzept so aus:

Man packt alles in einen europäischen Verbund. Deutschland muss aufgrund der Regelreserven heute Strom exportieren. Die Kraftwerke schaltet man ab, muss aber dann im Gegenzug den notwendigen Strom importieren, d.h. die Importquoten steigen zukünftig, und zwar recht kräftig, wenn kein Wind weht oder keine Sonne scheint. Dadurch wird das Netz hier natürlich nicht besser, weshalb man eben strategisch eine Reihe kleinerer Kraftwerke (bis 300 MW statt > 1 GW) zum Ausgleich baut und mittels teurer Technik (Phasenschiebertransformatoren, Wechselrichter für Photovoltaik u.a.) die Netze auch dann noch arbeitsfähig hält, wenn sie es im klassischen Sinn eigentlich nicht sind, d.h. bei Frequenzabweichungen von +/- 0,5 Hz statt +/- 0,1 Hz, und kleinflächigere Teillastabwürfe vorsieht, möglichst auf freiwilliger Basis, versteht sich. Vieles ist davon schon umgesetzt und mit für die hohen Kosten verantwortlich.

Man kann das jetzt positiv oder negativ sehen. Positiv, in dem Überkapazitäten, die allerdings nur durch die Volatilität der EE entstehen, abbaut, was zu schlankeren Netzen führt, negativ, in dem nun der Strom u.U. sehr viel weiter auf aufwändiger transportiert werden muss und Verluste in den Rechnungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. „Schlankere“ Netze kann man allerdings auch als Austesten verstehen, wie weit man an die Grenzen gehen kann, bevor es knallt. Da ist mit der heutigen Technik natürlich schon einiges mehr möglich als früher, allerdings sind dann im Notfall auch keine Reserven mehr vorhanden.

Pikant: die europäische Gesetzgebung überlässt die Planung jedem Land selbst. Man kann also nur hoffen, dass die Nachbarn nicht auf die gleiche Idee kommen und schließlich jeder von jedem hohe Lieferungen erwartet, da seine Produktion nicht mehr genügt.

Auch pikant: die konventionellen Energieträger (Kohle, Gas, Uran) sind noch im Überfluss vorhanden, Gas könnte aber ohne Northstream II in Deutschland zu wenig zur Verfügung stehen. Merkel scheint bei ihrem Bestehen auf Northstream II anscheinend auch mehr verstanden zu haben als man nach dem Rest vermuten kann.

Kleine Mogelpackung am Rande: es ist zwar ein wenig schwer durchschaubar, aber EE und KWK scheint in einen Topf geworfen zu werden. KWK = Kraft-Wärme-Kopplung, also die Erzeugung von Strom unter gleichzeitiger Nutzung der Wärme für Heizzwecke. Das kann man natürlich auch umgekehrt auslegen: die Erzeugung von Wärme für Heizzwecke unter Nutzung der Überschussenergie zur Stromerzeugung. In der Reihenfolge kann man das dafür eingesetzte Gas dem Wärmesektor zuordnen und entlastet dadurch den Stromsektor vom Primärträger. Man muss halt nur ein wenig Fantasie entwickeln.